Archive for Juni, 2011


Unkrank

Er sagte: „Nein, ich bin nicht depressiv. Mein Leben ist so scheiße.“

Dorfstraße

Google Maps zeigt eine 'Dorfstraße', die mitten in einen Kiesteich führt

Ab 1,20m Wassertiefe hat ein Soldat selbstständig mit Schwimmbewegungen zu beginnen. Die Grußpflicht entfällt hierbei.“ — angeblich aus der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 3/11 für den Gefechtsdienst aller Truppen der Bundeswehr.

An der Wand

Der Vorübergehende sah an einer besonders schmucklosen, kahlen Mauer, die ein kirchliches Gebäude von der Außenwelt abzutrennen hatte, ein aufgespanntes, sonnig buntes Transparent, Aufschrift „Gott glaubt an dich“. Die Glocke schlug zwei Mal, es war halb. Und. Er war beinahe so berührt, als hätte er ein Werbeplakat für Damenbinden gesehen.

Die Unterhaltsamen

Wenn man sich trifft, denn leisten doch regelmäßig ausgerechnet diejenigen Menschen den größten Beitrag zur allgemeinen Unterhaltung und Belustigung, die gar nicht dabei sind.

Peter Falk ist tot

Peter Falk als Columbo

Er konnte so überzeugend diesen wirklichen Scheißbullen spielen, der mit Pedanterie und Jagdinstinkt, geheuchelter Freundlichkeit, unerbittlicher Beharrlichkeit wegen jeder Kleinigkeit und gnadenloser Geduld ein zähes Netz um jemanden spannte, den er schon früh als Täter erkannte; immer mit schrottreifem Auto, schäbiger Kleidung und einer billigen Zigarre im Mund bewegte er sich durch die Parallelgesellschaft der Reichen und Schönen wie ein Elefant durch einen Porzellanladen; und wenn er sich dann endlich abwandte, um zu gehen, drehte er sich doch meist noch einmal um, denn „eine Frage“ hatte er noch — oh nein, es ging nicht nur mir beim „Inspektor Columbo“ so, dass ich Mitleid mit dem Mörder bekam…

Zumal die Spannung aller Columbo-Folgen auch gar nicht daher rührte, sich mit der Frage zu beschäftigen, wer wohl der Mörder gewesen sein konnte, denn das war dem Zuschauer von Anfang an bekannt, er hats selbst gesehen, wurde einsamer Augenzeuge der meist unfassbaren Niedertracht und oft grenzenlosen Gier dieser Tat. Die Spannung kam aus dem sorgfältig komponierten Drama, in dem dieser Mörder in die Enge getrieben und schließlich gestellt wurde, in dem ihm fortschreitend noch die Luft zum Atmen genommen wurde, wenn diese sich so gern dumm stellende, ausgesprochen penetrante und unerbittliche Überich-Figur Columbo immer mehr Raum im Leben des Täters einnahm, ohne dass dabei eine Gegenwehr möglich war — und darin, wie der Täter sich doch immer wieder mit einem kleinen Hakenschlag Luft und Entlastung zu verschaffen suchte, obwohl er, wie jeder Zuschauer wissen musste, doch keine Chance bei solchem Versuche hatte.

Mit beinahe allen vertrauten Erzählformen des Kriminalromans hatte die Columbo-Reihe gebrochen. Wer zuschaute, wusste, was in den folgenden knapp neunzig Minuten geschehen wird, und doch verbreiteten diese Fernsehfilme keine Langeweile. Das lag nicht nur an ihrer für TV-Verhältnisse sehr aufwändigen Produktion, es lag vor allem an Peter Falk, der den Inspektor Columbo so spielte, dass man beim Zuschauen vergaß, es mit einer Fiktion zu tun zu haben. Und dieser Columbo machte in seinem ganzen Auftreten klar, dass hier nicht nur ein Mordfall zu klären ist, sondern dass diesem Fall ein gesellschaftlicher Konflikt übergeordnet ist. Keinen Hehl machte Columbo aus seiner Armut und seiner schlechten Entlohnung im Polizeidienst, offen und ohne einen Hauch von Scham sprach er davon, sich keine bessere Kleidung kaufen zu können und fragte manches Mal die Superreichen, in deren prachtvollen Villen und Kunstwelten er sich bewegte, wo man dieses oder jenes preisgünstig erwerben könne — er brauchte ja dringend ein paar neue Schuhe. Dieser Kontrast zu jenen gesellschaftlichen Schichten, die über solche existenziellen Sorgen weit erhoben sind, in denen Menschen aber dennoch aus einer unersättlichen Habgier morden, er hatte einen großen Anteil an der Faszination jeder Columbo-Folge. Dem Zuschauer, der sich diese Kriminalfilme anschaute und dessen Leben doch eher vom Arbeiten-Müssen und Mangel an Gütern geprägt war, wurde in der Gestalt Columbos ein tiefer Wunsch erfüllt: Die Leichen, die alle Besitzenden in ihren Kellern haben müssen, auszugraben und die Besitzenden dafür wie ein überlegener, eiskalt kalkulierender Rachegott zur Verantwortung zu ziehen, ohne dass es für sie ein Entrinnen vor der Gerechtigkeit gibt. Leider. Geschah das doch nur in der Fiktion — aber die Illusion war so gut, dass man sie sich gefallen ließ.

Ja, sie war so gut, dass ich über Columbo schreibe, weil Peter Falk gestorben ist.

Fruchtig

Es ist eine billige, intensiv grüne Limonade mit Waldmeistergeschmack. Der Werber, der das Etikett für die Flasche gestaltete, hielt es nicht nur für eine gute Idee, in einer Welt, in der Menschen „Kalorien sparen“, um so unerreichbar photoshopschlank und -straff wie die Wahngestalten der Contentindustrie zu werden, das Attribut „zuckerfrei“ hervorzuheben, er fügte auch ein zweites, in großen, grotesken Lettern gehaltenes Attribut hinzu: „Fruchtig“ sollte dieses Getränk sein, dessen klein gedruckte Zutatenliste nicht einmal naturidentische Aromastoffe aufwies. Und. Damit belegte er, dass er seiner „Zielgruppe“ nicht einmal zutraute, zu wissen, wie Waldmeister aussieht.

Ausschuss

Dem Worte „Ausschuss“ haftet doch ein heiterer Doppelsinn an, den man beim Lesen von Meldungen nicht vergessen sollte. Etwa, wenn so eine Ausschussware wie Dr. Silvana Koch-Mehrin — eine überführte wissenschaftliche Betrügerin mit einem Charakter ähnlich einem Hochstapler, die ihren akademischen Titel mit einer nachweislich abgeschriebenen und damit gefälschten wissenschaftlichen Arbeit „erworben“ hat — in Anerkennung dieser „Leistung“ nicht etwa die verdiente Ächtung erfährt, sondern zum Vollmitgleid des europäischen Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie befördert wird.

Der Ausschuss ist zuständig für: […] die Forschungspolitik der Union, einschließlich Verbreitung und Auswertung wissenschaftlicher Erkenntnisse

Wenn diese Frau, die nachgewiesenermaßen den Wissenschaftsbetrieb vor allem als eine für sie nützliche und schmückende Titelmühle betrachtet hat, nun für die Bildungs- und Wissenschaftspolitik der Europäischen Union zuständig ist, denn ist das nur folgerichtig und steht in einer großen Kontinuität des jeden Tag zwar nicht so direkt, aber dennoch immerfort in Wort und Tat geäußerten, allgemeinen „Wir machen, was wir wollen, und ihr könnt uns alle mal am Arsche lecken“ der classe politique und der ParlamentArier.

Und morgen schon werden die offenen Freunde und Begünstiger der Plagiatoren wieder mitten in die Kamera und das contentindustrielle Mikrofon, das Auge und Ohr der Welt, vom Schutz des geistigen Eigentums faseln und allerlei Zensur und Technikverhinderung in Gesetzeskraft zu setzen versuchen. Mit heiterem Gruß aus Alzheim — und einem mitschwingenden, aber doch niemals direkt geäußerten „Ihr könnt uns alle mal am Arsche lecken“. Während immer wieder von der Politikverdrossenheit der Menschen gesprochen wird, sind es diese Politiker und ihre mafiös wirkenden Wahlvereine (so genannte „Parteien“), die für den Verdruss sorgen.

Kleiner Hinweis am Rande: Es gibt da eine zwar nutzlose, aber doch den Widerspruch dokumentierende Petition für einen Rücktritt dieser Hochstaplerin.

Die Bundesministerin

Ein drittes Problem war, daß das Ministerium, wie soll ich das jetzt formulieren, sehr „neo-industrie-feministisch” aufgestellt war. Es gibt so einen neuen Typ Karriere-Frau, den man schon äußerlich und am Auftreten erkennt. Teure Designer-Beton-Frisur, 40-60% zuviel Make-Up, immer derselbe Gesichtsausdruck, aggressive Gestik, Hosenanzug, den Blazer dabei meist eigentlich zu eng, weil’s figurbetont rüberkommen soll, hohe Absätze, Busines-Auftreten [sic!]. Aggressive Sprechweise, rüpelhaftes Auftreten, muß die Nummer Eins spielen. Permanente Besserwisserei, sagt jedem, was er zu tun hat, hört aber niemandem zu. Kommunikation als Einbahnstraße. Hält die Frau für das überlegene Wesen und duldet Männer nur als niedere Gehilfen und Arbeiter. Ist fest davon überzeugt, daß sie allein schon als Frau und durch ihr hartes Auftreten einen Karriereanspruch hat, betrachtet es aber als Zeitverschwendung und Tätigkeit für Waschlappen, sich sachkundig zu machen. Hat damit Erfolg, ist unglaublich eingebildet, kommt sich ganz toll vor, hat aber eigentlich keine Ahnung wovon sie redet und merkt vor lauter Erfolgsbesoffenheit und Eigenbegeisterung nicht, wie lächerlich sie sich macht, weil sie den letzten Mist daherredet. Funktioniert meistens aber, weil sie ein Publikum um sich versammelt, das es überwiegend auch nicht merkt (oder sogar gut findet). Ursula von der Leyen ist ein Prachtexemplar dieser Gattung, aber ihre Mitarbeiterin, die diese Gruppe geleitet hat, war darin auch nicht schlecht. Man sich diese Art des Auftretens mal bewußt machen um zu verstehen, warum gerade aus von der Leyens Ecke die Forderung nach einer Frauenquote kommt. Das paßt ganz exakt zu der Sichtweise, daß Frausein, Businessfrisur, Hosenanzug und hartes Auftreten doch ausreichen müssen, um es ganz nach oben zu schaffen, in den Vorstand, ohne dabei irgendwelche hard-skills beherrschen zu müssen. Zuzugeben ist, daß man mit sowas durchaus Bundesministerin werden kann.

Hadmut Danisch: Wie die deutsche Internet-Kinderpornosperre zustande kam — und zugrunde ging

Der mit diesen Worten eines Zeugen charakterisierte Entseelungsrest eines Menschen ist übrigens zurzeit in der BRD für die Sozialpolitik zuständig.

Demokratorisches Vorgehen

Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter — Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.

Jean-Claude Juncker, CSV (Ghzgt. Luxemburg), zitiert nach „Der Spiegel“ 52/1999

Seine Meinung

Er las nebenbei noch seine Zeitung, als er sprach. Er sagte: „Natürlich habe ich eine Meinung zu xxxxxx. Wie kann man denn zu irgendetwas keine Meinung haben?“

Und. Er wurde nicht einmal nachdenklich, als ich ihn nach seiner Meinung zur auffälligen Größe des Mimivirus befragte — aber eine Meinung dazu hatte er auch nicht…

Werbeprospekt

Als er seinen Papierkram ordnete, eine längst überfällige Tätigkeit, fand er neben den vielen Rechnungen und Mahnungen auch einen privaten, handgeschriebenen Brief, den er kurz betrachtete und wegwarf. Er sagte dazu: „Ein Liebesbrief ist wie ein Werbeprospekt. Alles. Lüge. Aber. In den Werbeprospekten stimmt wenigstens der Preis.“

Ödland

Der Wind versuchte es uns zu sagen;
Wir scheiterten daran, es zu verstehen.
Wir verloren unseren Orientierungssinn —
Ertrunken im Wüstensand.

Wir verließen das Zuhause ohne Hinweis;
Kein Orientierungspunkt ist zu sehen.
Der Boden starb unter uns —
Die Landschaft war unrein.

Während wir nach Vergessenheit suchen
Vergessen wir, uns zu erinnern;
Das verblichene Andenken an die Heimat —
Fern fern von diesem Ödland.

Wir tranken das vergiftete Wasser
Um die Schlange sprechen zu hören.
Er [sic!] erzählte uns von einem Garten —
Mit dem von uns gesuchten Schatz.

Während wir versuchen, es zu enthüllen,
Das Geheimnis, tief versenkt;
Gibt es nichts, was gefunden werden könnte —
Nur Staub in diesem Ödland.

Während wir nach Vergessenheit suchen
Vergessen wir, uns zu erinnern;
Das verblichene Andenken an die Heimat —
Fern fern von diesem Ödland.

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