Den Wahn erkennt natürlich niemals, wer ihn selbst noch teilt.
Sigmund Freud
Wer es gewohnt ist, seine intellektuellen Fähigkeiten zu benutzen, der sieht mit Leichtigkeit das Gemeinsame in allen Religionen der Menschheit und zieht daraus mit ebensolcher Leichtigkeit den Schluss, dass sie aus dem gleichen psychischen Material gestrickt sind, dass sie ein Ausfluss der psychischen Bedingtheit des Menschen sind. Er sieht auch schnell das Gemeinsame in den modernen Para- und Ersatzreligionen, die als vielfältige Ideologien und sonstige Idiotien dem Miteinander der Menschen in den so genannten „aufgeklärten“ Gesellschaften ihren Stempel aufdrücken sollen — dies oft mit der gleichen Intensität der Gewalt, mit welcher in früheren Zeiten die Religion den Menschen in den „gläubigen“ Gesellschaften ihren Stempel eingepresst hat, und auch mit der gleichen, stumpfen Dummheit und Lebensverachtung. Er sieht auch das Gemeinsame zwischen Religion und Ideologie in ihrem psychischen Material, und er versteht, wieso derart ähnliche Pflänzchen aus diesem sumpfigen Boden erwachsen können, obwohl doch die formulierten Grundlagen so verschieden klingen. Er versteht daraus auch das Gemeinsame des Aberglaubens, sieht gar nicht mehr den großen Unterschied zwischen Marienerscheinungen, allerlei Wundern und Personenkulten gegenüber religiösen Führern auf der einen Seite und „unsichtbaren Händen“, abstruser statistischer Magie und Personenkulten gegenüber wirtschaftlichen und politischen Herrschern auf der anderen Seite. Und. Er kann daraus einen für ihn vernünftigen Schluss ziehen und danach leben, wenn es ihm in dieser feindseligen Umgebung auch oft sehr schwer fällt.
Nicht so der Dummkopf. Dieser. Sieht nicht die Gemeinsamkeiten, sondern die Unterschiede, und er lässt sich mit Leichtigkeit und nur einem wenig losem Geschwätz dazu übertölpeln, diese kleinen Unterschiede zu riesigen Angelegenheiten aufzubauschen, ja, sie zur Grundlage eines irrationalen Hasses und eines geradezu existenziell wirkenden, mit Angst- und Hassreden transportierten Missionstriebes zu nehmen. Er belegt in diesem von seiner Dummheit hervorgebrachten Verhalten (es ist kein Handeln) nicht nur offen seine Dummheit, er wird auch zum nützlichen Deppen für jene Wenigen, die von der Unterdrückung des Geistes bei der Mehrzahl der Menschen profitieren.