Archive for Juli, 2009


Die wunderbare Schöpfung

Zeitgenosse: „Wie herrlich doch die Schöpfung ist! Wie gut Gott das doch alles gemacht hat, damit wir voller Freude darin leben können!“

Nachtwächter: „Ich hätte Gott allerdings eine ganze Menge sehr einfacher Vorschläge zur Verbesserung seiner Schöpfung zu machen. Diese fangen bei den Kleinigkeiten, den Disteln und Brennnesseln an, gehen über die Mücken und Zecken und hören bei den Erregern von Pocken, Pest, Lepra, AIDS, Syphillis und Gonorrhoe noch lange nicht auf. Wie vieles in dieser Natur doch nur Schmerzen und Krepieren verursacht. Und. Wie weniges doch für die Schmerzgequälten und Krepierenden vom klaren, blauen Himmel und der sonnigen Blumenwiese übrig bleibt!“

Gleichgültiges Fest

Es ist Sommer. Die Sonne hat keine Wahl und scheint auf nichts Neues. Die Straßen der Stadt sind warm. Die Menschen. Treibt es nach draußen. Da muss ihnen doch etwas geboten werden, damit. Sie nicht zu denken beginnen. Ein rauschendes Fest nach dem anderen wird auf den Straßen und Plätzen Hannovers aufgeführt, mit lärmender Musik und Bier im Plastikbecher, vierunddreißig internationen Pfannen, aus denen es zum Himmel stinkt und Feuerwerk. Und Feuerwerk. Für den Vorübergehenden, den Fühlenden und Denkenden, entsteht der Eindruck einer verzweifelten Riesensause auf einem sinkenden Schiff.

Und wer unter den Menschen sich trotz der vielen vorgestanzten Angebote darauf besinnt, dass er noch etwas selbst machen könnte, wird von der Polizei aufgelöst. Es ist eben nicht alles gleich gültig unter den Bedingungen der totalen Verwirtschaftung. Aber das. Soll den Feiernden gleichgültig bleiben.

Was einen nicht kaputt macht…

Die von früh auf Zerbrochenen im Lande Barbarien erhalten ihren Narzissmus und heiligen ihren Zerbruch und die von ihnen selbst geforderte Lebensfeindlichkeit gern mit dem blinden Wort: „Was einen nicht kaputt macht, macht einen nur härter“. Keine Aussage könnte falscher sein. Die zivilisationskranke Schädlichkeit, die einen Menschen nicht kaputt macht, schadet ihm nur; raubt ihm nur Kraft fürs und Willen zum selbstbestimmten Leben; macht ihn nur stumpf gegen sich selbst und gegen andere; macht ihn nur immer weicher und formbarer für jene, die ihre Vorteile davon haben, wenn Menschen vor lauter Angst und Schmerzvermeidung nicht mehr wissen, dass sie handeln können. Wer mit solcher Blindrede die Härte einfordert, belegt damit nur, dass er schon längst mit der stets eingeforderten Härte zerbrochen wurde.

Existenz

Existenz - Die Fachhochschule Hannover bietet in Kooperation mit hannoverimpuls Workshops zum Thema Existenzgrünung in den kommenden zwei Monaten vom...

Unter den vielen Bullshit-Wörtern des gegenwärtigen Neusprechs spiegelt wohl kein anderes so sehr die Tatsache wider, dass dem nicht völlig verwirtschafteten Leben eines Menschen jeglicher Anspruch auf ein Sein abgesprochen wird, wie dieses eine Wort „Existenzgründung“.

Wahl

Wahl (die) — Ein Verfahren, das es ermöglicht, den Willen einer kleinen Clique von Besitzenden und Machthabern als den ‚Willen des Volkes‘ auszugeben. Dieser Schwindel wirkt am besten, wenn er regelmäßig wiederholt wird, damit sich viel Aufmerksamkeit darauf richte und damit von den wirklichen Machtverhältnissen abwende.

Zeichen der Dummheit

Den Wahn erkennt natürlich niemals, wer ihn selbst noch teilt.

Sigmund Freud

Wer es gewohnt ist, seine intellektuellen Fähigkeiten zu benutzen, der sieht mit Leichtigkeit das Gemeinsame in allen Religionen der Menschheit und zieht daraus mit ebensolcher Leichtigkeit den Schluss, dass sie aus dem gleichen psychischen Material gestrickt sind, dass sie ein Ausfluss der psychischen Bedingtheit des Menschen sind. Er sieht auch schnell das Gemeinsame in den modernen Para- und Ersatzreligionen, die als vielfältige Ideologien und sonstige Idiotien dem Miteinander der Menschen in den so genannten „aufgeklärten“ Gesellschaften ihren Stempel aufdrücken sollen — dies oft mit der gleichen Intensität der Gewalt, mit welcher in früheren Zeiten die Religion den Menschen in den „gläubigen“ Gesellschaften ihren Stempel eingepresst hat, und auch mit der gleichen, stumpfen Dummheit und Lebensverachtung. Er sieht auch das Gemeinsame zwischen Religion und Ideologie in ihrem psychischen Material, und er versteht, wieso derart ähnliche Pflänzchen aus diesem sumpfigen Boden erwachsen können, obwohl doch die formulierten Grundlagen so verschieden klingen. Er versteht daraus auch das Gemeinsame des Aberglaubens, sieht gar nicht mehr den großen Unterschied zwischen Marienerscheinungen, allerlei Wundern und Personenkulten gegenüber religiösen Führern auf der einen Seite und „unsichtbaren Händen“, abstruser statistischer Magie und Personenkulten gegenüber wirtschaftlichen und politischen Herrschern auf der anderen Seite. Und. Er kann daraus einen für ihn vernünftigen Schluss ziehen und danach leben, wenn es ihm in dieser feindseligen Umgebung auch oft sehr schwer fällt.

Nicht so der Dummkopf. Dieser. Sieht nicht die Gemeinsamkeiten, sondern die Unterschiede, und er lässt sich mit Leichtigkeit und nur einem wenig losem Geschwätz dazu übertölpeln, diese kleinen Unterschiede zu riesigen Angelegenheiten aufzubauschen, ja, sie zur Grundlage eines irrationalen Hasses und eines geradezu existenziell wirkenden, mit Angst- und Hassreden transportierten Missionstriebes zu nehmen. Er belegt in diesem von seiner Dummheit hervorgebrachten Verhalten (es ist kein Handeln) nicht nur offen seine Dummheit, er wird auch zum nützlichen Deppen für jene Wenigen, die von der Unterdrückung des Geistes bei der Mehrzahl der Menschen profitieren.

Zwei Formen des Eingesperrtseins

Freigehege bedeutet: keine Gitter, aber gestutzte Flügel, Käfig bedeutet: Gitter, aber ungestutzte Flügel.

Heinrich Böll

via Felix Bartels, via Woschod

Die Mutter allen Betruges

Es ist doch interessant, dass die Haltung, die ein Mensch haben muss, um zum Opfer eines Betruges zu werden, so viel Ähnlichkeit zu der Haltung aufweist, die ein Mensch haben muss, um einer Religion anzuhängen. In beiden Fällen muss der Mensch bereit sein zum Vertrauen, wenn auch die vorgelegten Dokumente, auf denen dieses Vertrauen basieren soll, noch so fragwürdig sind. Sie haben voller blindem Vertrauen niemals hinterfragt zu werden. Stattdessen soll einer Form der inneren Behaglichkeit gefolgt werden, soll an Stelle des starken, den Verstand überzeugenden Beleges gewissen Symbolen, Gesten und Formulierungen psychische Macht eingeräumt werden. Wenn dies einmal geschehen ist, werden die Symbole, Gesten und Formulierungen wieder und wieder wiederholt. Und ob es sich um die Religion oder um den Betrug handelt, in beiden Fällen wird Großes versprochen, wird das Gegenüber dazu aufgefordert, nicht mehr im Rahmen der gebieterischen Tatsächlichkeiten zu denken und darauf die höheren Kräfte des Geistes zu verwenden, sondern in Möglichkeiten soll das Opfer oder der Glaubende denken — und sich an diesen Möglichkeiten ergötzen. Wenn man diese Ähnlichkeit zwischen Betrug und Religion erst einmal sieht, denn schrumpft der Unterschied zwischen einem Menschen, der an eine große Gewinnmöglichkeit durch Geldanlage in irgendeinem hanebüchenen Nonsens glaubt, und einem Menschen, der an die Verwandlung einer trockenen Oblate in den gegenwärtigen Gott glaubt, zu einem Nichts zusammen. Und. Die Religion zeigt sich als die Mutter allen Betruges.

Einzelfluppe

Es ist ein deutlicher Indikator für die in der BRD mittlerweile ausgebreitete Armut, dass verschiedene Kioske in Hannover inzwischen damit begonnen haben, Zigaretten illegalerweise auch einzeln zu verkaufen (und dabei einen kleinen Preisaufschlag zu nehmen). Die „Zielgruppe“ eines solchen Angebotes sind allein jene Menschen, die zwar von dem überall erhältlichen Genussgift abhängig geworden sind, die aber in vielen Situationen ihres Lebens nicht das Geld für eine ganze Packung Zigaretten entbehren können — und sich deshalb bereit finden, den kleinen Aufpreis zu bezahlen, um den Schmacht ihrer suchtdressierten Lunge wenigstens sporadisch befriedigen zu können.

Verdauung

Einige Menschen hier — und diese sind vor allem Frauen — scheinen wirklich zu glauben, dass sie nicht mehr verdauen können, wenn sie nicht ein — übrigens recht wirkungsloses, aber mit gezielter Lüge der Werber an die Frau gebrachtes — Produkt wie „Activia“ zu sich nehmen. Diese vielleicht „mode- und figurbewussten“, aber sonst nicht so bewussten Anziehpüppchen packen sich ihren Einkaufswagen mit einem Halbmonatsvorrat dieser Plürre voll und schieben den Wagen zusammen mit ihrem leeren Gesichtsausdruck zur Kasse, um dafür zu bezahlen. Und. Um in diesem Zuge ganz nebenbei und völlig offen vor jedem Sehenden zu belegen, dass sie im wahren Sinne dieses Wortes zu dumm zum Scheißen sind.

Die blinde Sauberkeit

Zeitgenosse: „Das war eine richtig schöne Tour de France in diesem Jahr. Kein Dopingskandal, richtig sauberer Sport.“

Nachtwächter: „Und du glaubst wohl auch, dass deine Kleidung sauberer würde, wenn du einfach nicht mehr hinschautest, wie dreckig sie ist? Oder wäscht du die Sachen etwa doch?“

Unfassbar, es laufen wirklich Menschen herum, die glauben, dass es irgendeinen derzeitigen Profisport mit großen geschäftlichen Möglichkeiten gäbe, ohne dass in dieser Körper- und Materialschlacht jedes nur erdenkliche Mittel von jedem Beteiligten eingesetzt würde…

Die moderne Partnersuche

Lonely Hearts - Verlieben per SMS und Telefon - Die moderne Partnersuche!

Ohne Worte.

Quelle des Scans: Hallo Sonntag Hannover vom 26. Juli 2009