Archive for Oktober, 2013


Mit Verlaub, Herr Lumma!

Ich habe mit im Verlaufe des Lesens anschwellender Unlust ihr heutiges Blogposting „Digitalisierung der Gesellschaft: Eine Generation hat versagt“ gelesen, und diese durchgreifende Unlust führte zu einem immer größeren Verlangen, der Entfaltung ihrer Sicht und Gedanken in Sprache einige Worte entgegenzusetzen. Hier sind meine kleinen Fragmente. Ich glaube nicht, dass diese in ihrer aus meiner Sicht recht verbohrten Weltsicht ankommen können, aber für meine eigene psychische Hygiene scheint es mir erforderlich.

Um für andere Leser meines marginalisierten Geschreibes den Zusammenhang herzustellen, muss ich ausgiebige Zitate machen — wer diese im ursprünglichen Kontext lesen möchte, lese zuvor oder begleitend den Text von Nico Lumma.

Wenn man sich die Entwicklung der Digitalisierung in Deutschland und der Welt in den letzten 10 Jahren angeguckt hat, dann muss man leider feststellen, dass die handelnden Personen sowohl in der Wirtschaft, aber auch in der Politik nicht wirklich in der Lage waren, die richtigen Fragen auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen

Diese Beobachtung, Herr Lumma, können sie keineswegs nur in Bezug auf die „Herausforderungen der Digitalisierung“ machen. Es handelt sich um einen alldurchwaltenden und sowohl mit ökonomischer als auch grober Gewalt durchgesetzten Unwillen, den vom technischen Fortschritt angestoßenen gesellschaftlichen Wandel so zu gestalten, dass möglichst viele Menschen in den Genuss dieses Fortschrittes kommen. (Wer technischen Fortschritt, also ein Anwachsen menschlicher Möglichkeiten und eine zunehmende Befreiung des menschlichen Daseins aus den gebieterischen Notwendigkeiten der Existenzsicherung als eine „Herausforderung“ bezeichnet, ganz so, als würfe da ein feindseliges Schicksal einen Fehdehandschuh und fordere in dieser Geste zum Kampf auf Leben und Tod, zeigt im Spiegel dieses einen Wortes bereits seine vorbewusste Angst vor jeder möglichen Verbesserung des Lebens der Menschen — was den Aufmerksamen dann die folgende Klage über die Folgen dieser in Deutschland leider sehr allgemeinen Angst besser zu verstehen hilft.)

An die Stelle der Gestaltung des Entstehenden tritt die Verwaltung des Gegenwärtigen — deren juristische Maßgaben vom Gesetzgeber vorsätzlich so beschaffen werden, dass sie möglichst viel Dasein jenseits der Segnungen des technischen Fortschritts als eine Rechtsnorm zementieren. Welcher und wessen Lobbyismus in den Dunkelkammern des Deutschen Reichstages zur real existierenden Kryptokratur (niemand weiß mehr, wer wirklich herrscht) der Bimbesrepublik Deutschland führt, können sie mit halbgeöffneten Augen sogar der bürgerlichen Tagespresse entnehmen, da einige besonders grelle Exzesse so gleißendhell durch die Risse in der Mauer des Verschweigens hindurchscheinen, dass auch der geübte Nach-Richten-Ton der agenturzentral gesteuerten journalistischen Arschlöcher¹ mit seinen leichtgängigen, pseudoobjektiven Euphemismen nicht mehr hinreicht, die gewünschte kollektive Verdrängung zu erzwingen. Diese Verdrängung wird dann mit anderen Mitteln erreicht, insbesondere mit der mechanischen Produktion von immer neuen Nach-Richten, die die Nach-Richt von gestern zielsicher zum Vergessen von morgen machen. Wer redet denn heute noch von einer immer noch amtierenden Bundesregierung, die ohne strafrechtliche Konsequenz das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gebrochen hat, wenn sich alle medial gerichtete Aufmerksamkeit auf das abgehörte Wischofon der Kanzlerdarstellerin konzentriert. Die achtzig Millionen anderen Wischofone, Computer, IP-gerouteten Festnetzanschlüsse etc. in der BRD, also dieser jenseits allzu üblicher Spionage in Machtzentren eigentliche Skandal, sind ja darüber längst schon vergessen. Es ist doch erstaunlich, dass jeden Tag genau so viel passiert, dass es in die fünfzehn Minuten der Tagesschau passt…

Was das für die Digitalisierung und — viel schlimmer: — für die Menschen, die den Genuss der technischen Möglichkeiten der Digitalisierung ihrem Dasein hinzufügen möchten, bedeutet, habe ich im Sommer 2009 anlässisch der bevorstehenden empörenden Alllüge eines Wahlkampfes in einer letzten Erklärung an die Politiktreibenden in der BRD zusammengefasst. Die Themen mögen heute andere sein, die Haltung ist unverändert die selbe. (Nein, nicht die gleiche, sondern die selbe.)

Was das jenseits der Digitalisierung bedeutet, lässt sich auch in einer langen Liste kaum vollständig darlegen. Deshalb hier nur das Gröbste, Drückendste, Hässlichste, Übelste, Intelligenzverachtendste:

  • Der technische Fortschritt führt dazu, dass mechanische Arbeit zunehmend von Maschinen übernommen werden kann. Das ist für sich betrachtet ein Segen. Die gesellschaftliche Reaktion auf diesen Segen ist es, diesen Segen in der Haltung der Verwaltung des Gegenwärtigen anstelle der Gestaltung des Künftigen in einen Fluch für jene wachsende Schicht der Gesellschaft zu verwandeln, deren Arbeitskraft niemand mehr so bezahlen will, dass auch ein anspruchsloser Mensch davon leben könnte. In der Folge gibt es, mit existenziellen Zwangsmitteln im Rechtsfreien Raum der Jobcenter durchgesetzt, eine kaum verlarvte Kultur der staatlich subventionierten Zwangsarbeit in der BRD. Die classe politique feiert sich für die guten Arbeitslosenstatistiken; die Aufgabe, den technischen Fortschritt so zu gestalten, dass möglichst vielen Menschen ein möglichst gutes Leben ermöglicht wird, wird der Krisenbewältigung kommender Generationen überlassen.
  • Die politisch gewünschten Quasizwangs- und Elendsarbeiter von heute sind die Altersarmut von morgen und ebenfalls der Krisenbewältigung kommender Generationen überlassen. Unterdessen meldet die gewerbsmäßige Lüge des Journalismus die Statistik von heute in der knallend dummen Geste eines nackten Affen, der nur von der Tapete bis zur Wand denken kann, als einen Erfolg. Das ist ja auch einfacher, denn dafür muss nur der Text mit der passenden Länge aus der Presseerklärung des NITF-Feeds in das Redaktionssystem übernommen werden.
  • Wenn der technische Fortschritt eines erfordert, um nicht nur passiv konsumierend in seinen Genuss zu kommen, sondern ihn aktiv für die eigenen Pläne und Ideen einzuspannen und sich nutzbar zu machen, dann ist es das Wissen um Technik, also Bildung. Wer wissen möchte, wie es um die Bildung in der BRD bestellt ist, möge sich bitte anlässlich der nächsten Wahl — sehr viele Wahllokale sind ja Schulen — vor der Stimmabgabe in aller Ruhe das Schulgebäude anschauen und sich dabei bewusst sein, dass der im Regelfall beklagenswerte Zustand des Gebäudes nur der sichtbarste Teil der Bildungsverweigerung im staatlichen System der Zwangsbeschulung ist. Der nicht unmittelbar sichtbare Teil sind die Lehrinhalte, die sich überwiegend immer noch an den Bildungsstandards der Sechziger Jahre orientieren, ganz so, als wäre fünfzig Jahre lang nichts geschehen. Unvergessen der erste Schwung frischer Auszubildender für den damals, Ende der Neunziger Jahre, neu geschaffenen Ausbildungsberuf des Fachinformatikers, lauter junge, meist mit Abitur ausgestattete Menschen, die in Niedersachsen als kommende IT-Facharbeiter ein ganzes vergeudetes Jahr ihres Lebens lang in erschöpfender Ausführlichkeit in geisttoter Zwangsbeschulung ab 7:15 Uhr (nullte Stunde, leider kein Witz) von würdelos ergrauten Oberstudienräten an der Berufsschule gelernt haben, wie ein analoges Telefon funktioniert und wie man Siemens-Telefonanlagen aus den Achtziger Jahren konfiguriert. Der staatlich besoldete Leerkörper hält die Menschen in ihrem Wissensdurst dumm und raubt ihnen die Freude am Lernen, der Staat hält sie arm und verwandelt sie unter Anwendung von existenziellen Zwangsmitteln in würdelose, billige und leicht austauschbare Batterien für den betrieblichen Produktionsprozess, die in dieser Haltung erzeugten und politisch gewünschten Probleme sind Probleme kommender Generationen und werden deshalb in „realpolitischer“ Gleichgültigkeit (die alles gleich gültig macht) und unter Komplizenschaft denkfauler Journalisten verdrängt. Allein über die „Bildungspolitik“ ließe sich bequem ein ganzes Buch schreiben, und zwar ein ausgesprochen tristes und ekliges. Die Möglichkeit zur Gestaltung der Zukunft wird systematisch und gewollt vernichtet, während sinnfreie PISA-Studien eine nummerische Fassbarkeit der vermittelten Bildung vorgeben, in deren „Erfolgen“ sich die Gegenwartsverweigerer medial sonnen können.
  • Wenn durch verbesserte Technik einmal ein bestehendes Geschäftsmodell jener in den Dunkelkammern des Deutschen Reichstages besonders einflussreichen Gestalten gefährdet wird, dann werden einfache und natürliche Nutzungsformen dieser verbesserten Technik direkt kriminalisiert oder zumindest mit erheblichen juristischen Unwägbarkeiten verbunden. Das bisherige Verlagswesen zum Beispiel dankt seine leider noch bestehende gesellschaftliche Rolle einem Oligopol von Produktionsmitteln zur Anfertigung und Verbreitung von Kopien; die Eigenschaft vernetzter Computersysteme zur beinahe kostenlosen Anfertigung und Verbreitung völlig verlustfreier Kopien zerstört die an dieses Oligopol gebundene Möglichkeit zur Gewinnerzielung. Die Reaktion der politiktreibenden Gesellschaftsgestalter auf diese begrüßenswerte Entwicklung ist die Ausbreitung von Rechtsunsicherheit und das Hervorbringen patziger Reaktionen, wenn sie einmal in ihre eigenen Fallen tappen. Für durchschnittlich verdienende Menschen in der BRD ist der Betrieb noch der harmlostesten Website unterdessen zu einem kaum noch tragbaren finanziellen Risiko geworden. Und genau das. Ist. In der Bimbesrepublik Abmahnistan. Von Abgeordneten, die überwiegend Verwaltungsbeamte oder Juristen von Beruf sind. Politisch gewollt.

Wie schon gesagt, diese kurze Liste ist sehr fragmentarisch. Der bei genauerer Prüfung Nichts sagende Begriff der „Digitalisierung“ kommt darin gar nicht erst vor, wohl aber die allgemeineren Begriffe „Technik“ und „Fortschritt“. Das ist Absicht. Es wird nicht die „Digitalisierung“ unterbunden, sondern die Technik und der Fortschritt.

Und nein, Herr Lumma, das geht nicht erst seit zehn Jahren so, sondern schon so lange, wie ich bewusst denken kann.

Die deutschen Intellektuellen sind beim Thema Digitalisierung eher ein Totalausfall, da sind in den letzten 10 Jahren kaum Impulse gekommen

Die Intellektuellen… in einer Gesellschaft, die Scharfsinn, bedächtiges Erwägen mitsamt der damit verbundenen Langsamkeit, Gründlichkeit und Bildung verachtet und in der Menschen die medial hochgespülte Dummheit geistiger Stanznieten zum Maßstab ihres eigenen Seins machen, hat „Intellektualität“ längst schon keinen Wert mehr. In der Folge erwächst eine gesellschaftliche Führungsschicht, in der man seinen Narzissmus füttert, indem man den akademischen Grad wie eine Zier vorm Namen trägt; einen Grad, den man nur schon dadurch erworben hat, dass man auf das Deckblatt seiner intellektuellen Bankrotterklärung das Wort „Dissertation“ geschrieben und eine falsche Eidesstattliche Versicherung als „Eigenständigkeitserklärung“ angefügt hat.

Entschuldigung, aber es fällt mir schwer, angesichts solcher markant duftenden Hirnfürze noch sachlich zu bleiben. In der Hirnmassenstanze des contentindustriellen Apparates der breit wirksamen Medien herrscht strikte Antiintellektualität. Wer mir das nicht glauben will, opfere bitte einfach eine Stunde seiner beschränkten Lebenszeit und glotze eine beliebige Spätabend-Talkshow der gehobenen, mit einer Haushaltssteuer finanzierten, quasistaatlichen Fernsehsender der BRD. Wer es dann immer noch nicht merkt, wird auch durch viele weitere Erläuterungen meinerseits nicht mehr erreicht.

Die Auswirkungen dieser geforderten und geförderten Antiintellektualität kann auch jeder selbst ausprobieren. Einfach auf einer Party in einem halbwegs geeigneten Kontext sagen: „Von Mathematik habe ich keine Ahnung“ und die verständnisvollen Blicke und die Zustimmung wahrnehmen. Danach noch einmal auf der gleichen Party vor anderen Menschen noch einmal den gleichen Test mit dem Satz „Die Eulersche Identität lässt mich einen tiefen, schönen Zusammenhang in der gesamten Mathematik erahnen, und das finde ich faszinierend“ machen und die verständnislosen, angstvoll verstörten Blicke registrieren. Natürlich geht das auch mit „Von Computern habe ich keine Ahnung“ und „Ich halte den Quicksort-Algorithmus, der so einfach und doch so leistungsfähig ist, für eine große geistige Leistung“… oder mit einem beliebigen anderen Gebiet, das sein schönschwallendes Geschwafel nicht nur in einer postmodernistischen Haltung psychischer Beliebigkeit „Wissenschaft“ nennt, sondern überprüfbares (also: falsifizierbares) Wissen schafft.

In einer Gesellschaft, in der man sich offen mit Ahnungslosigkeit und dem Unwillen zum Verstehen brüsten kann, wird Dummheit kultiviert und der menschliche Verstand — immerhin das, was Menschen zu mehr als einem nackten Affen macht — in die Mülltonne geworfen. Was soll in einem solchen Umfeld von „Intellektuellen“ kommen? Blogpostings von Nico Lumma etwa? :mrgreen:

Nach dem Niedergang der New Economy in Deutschland wurde die Digitalisierung reduziert auf die Fragestellung, wie sich Medien verändern und welche Auswirkung die Digitalisierung auf das Urheberrecht und die damit verbundenen Geschäftsmodelle hat

Seit das Internet die Universitäten und dunklen Zimmer der Nerds verlassen hat, seit den staunenden Messegästen auf der CeBIT 1995 von einer Horde besinnungsloser Reklamelügner der damals hochmodern anmutende Webbrowser Netscape nebst lächerlicher Geschäftsideen in die Augen gerieben wurde, gibt es diese rein ökonomische Betrachtung der Digitaltechnik — was umso erstaunlicher ist, als dass sich mit einem Computernetzwerk, dessen wichtigste Funktion es ist, mit geringem Aufwand verlustfreie Kopien digitaler Güter anzufertigen, selbst kaum ein Geschäft machen lässt. Es gibt im Internet keine „knappen“ Güter und damit nicht die Möglichkeit, ein Geschäft aus dieser Knappheit zu machen. Die Versuche einer künstlichen Verknappung (zum Beispiel durch Technikverhinderungen wie DRM) sind auf diesem technischen Hintergrund letztlich allesamt zum Scheitern verurteilt — da kann kriminalisiert werden, was da wolle!

Die Frage, welche Bedeutung ein Netzwerk von Computern hat, das das Potenzial in sich trägt, Menschen zusammenzubringen, aus ihrer eigenen Atomisierung herauszureißen, sie wahrnehmen zu lassen, dass sie in ihren Gedanken, ihrem Elend, ihren Hoffnungen, ihren Ängsten, ihren Beobachtungen und ihrem Wissen nicht allein sind, wird hingegen so gut wie gar nicht gestellt. Jedenfalls nicht von denen, die ihre Fragen zu den Fragen einer ganzen Gesellschaft machen können.

So wurde bereits im Dezember 2001 in der amerikanischen Wired über „The Future of War“ geschrieben und aufgezeigt, wie stark die Privatsphäre des Einzelnen in Gefahr ist. 12 Jahre später hat Deutschland zwar ein Cyber-Abwehrzentrum, aber der Verfassungsschutz ist nicht in der Lage, herauszufinden, dass Spitzenpolitiker vom amerikanischen Geheimdienst überwacht wird. [sic!] Warum? Weil es einfach niemanden interessiert hat

Und weil der so genannte „Verfassungsschutz“ (dieses zusammengesetzte Nomen ist in seinen beiden Wortbestandteilen so himmelsschreiend unwahr, dass ich es nicht ohne Anführungszeichen schreiben kann) andere politische Aufgaben zu erfüllen hatte und zu erfüllen hat. Zum Beispiel Punkbands wie Feine Sahne Fischfilet zu beobachten und viele Seiten des so genannten „Verfassungsschutzberichtes“ mit den Aktivitäten dieser Musiker zu füllen. Oder Mörderbanden wie den so genannten „NSU“ über die Vergütungen für V-Leute Geld zuzustecken und hinterher die Akten über die eigene Tätigkeit zu vernichten. Die vorgebliche Aufgabe des so genannten „Verfassungsschutzes“ ist vor allem vorgeblich, diese staatliche Organisation dient völlig anderen politischen Plänen.

Wir sind ein reiches Land, das sich auf seinen Lorbeeren ausruht, anstatt Anstrengungen zu unternehmen, dass die Vorteile der Digitalisierung konsequent genutzt werden

Und das beste daran: Ganz viele, die in diesem Hartz-IV-SPD-haften „Wir“ eines SPD-Mitgliedes zusammengefasst sind und als „reich“ gerufen werden, werden dabei immer ärmer. In diesem Spiegelbild zeigt sich die Menschenverachtung dieses „Wir“. Ich bin jedenfalls kein Land. Ich lebe in einem Staat, der sich über ein Land ausgebreitet hat und sich natürlich gern mit diesem Land identifizieren lässt, weil Landschaften, Kultur und Geschichte nun einmal hübscher anzuschauen sind als das Wesen jedes Staates, als die institutionisierte, mit Gewaltdrohung aufrechterhaltene Herrschaft zu Gunsten einer kleinen Clique und zu Lasten der Mehrzahl der Menschen, die unter den Bedingungen dieses Staates ihr Dasein fristen müssen. Wie die Herrschaftsorgane dieses Staates im Auftrag der wirklich (also wirksam) Mächtigen und Besitzenden dieses Staates mit Technik und Fortschritt umgehen, ist bereits weiter oben kurz gestreift — und es betrifft keineswegs nur diesen Fetisch der „Digitalisierung“, den Nico Lumma wie eine Monstranz durch seinen Text trägt.

Übrigens, Herr Lumma: Die Vorratsdatenspeicherung, die zusammen mit der Bestandsdatenauskunft das PRISM der BRD darstellt, wird mit ihrer SPD kommen. Genau, wie vor etwas mehr als zehn Jahren die Militarisierung der Außenpolitik mit ihrer SPD gekommen ist. Und die Errichtung eines staatlich subventionierten Elends- und Billigarbeitsstriches unter der Hartz-IV-Peitsche. Und die nach Riester benannte Übergabe der Rentenversicherung an die AWD-Klinkenputzer mit ihren „Lebensversicherungen“. Und der Beginn der salamitaktischen Abschaffung der staatlichen Sozialversicherungen. Und in alledem zeigt sich ein klarer roter Faden. Blutrot. Sie, Herr Lumma, sind da drin. In dieser SPD, deren Spur sich blutrot übers ganze Land legt. Sie. Sind. Das. Hören sie damit auf, vielleicht ordnen sich dann auch wieder ihre Gedanken!

Aber nun ist es immer ein Leichtes, zu sagen, dass die anderen Schuld haben, also die Generation der aktuell über 50-jährigen und an Ihnen das Versagen festzumachen. Vielmehr stellt sich mir die Frage, inwieweit meine Generation ein Anteil daran hat, dass die ältere Generation an dem Thema der Digitalisierung meilenweit vorbeigeschlittert ist. Wieso haben wir es eigentlich nicht hinbekommen, bereits vor 10 Jahren darauf hinzuweisen, dass man sich auf den unterschiedlichsten Ebenen auf den digitalen Wandel einstellen muss?

Ach, wo hätten „wir“ denn darauf hinweisen sollen — ich bin übrigens über 50-jährig — und wo wäre einer solchen Stimme jenseits der für die meisten Menschen eher fernliegenden Internetöffentlichkeit Raum gegeben worden, um in die Gesellschaft hineinwirken zu können? In einem strikt antiintellektuellen Umfeld, das von der Angst vor dem Kommenden und von der suchtartigen Lust an Ablenkung vom Wesentlichen geprägt ist, eine Kombination, die zum Kaufgrund für Medien wird? Gerade als gewerbsmäßiger Lügner — sie sind doch Werber, oder?! — sollten sie recht genau wissen, über welche psychologischen Hebel man den Menschen etwas andreht. Ich habe schon vor zwei Jahrzehnten unter kontinuierlicher narzisstischer Kränkung lernen müssen, dass ich mir den Mund fusselig reden kann, ohne dass dadurch Einsichten bei anderen Menschen entstehen; und habe mich im Laufe der Zeit einfach darauf verlegt, meine wenigen wichtigeren Texte ungekennzeichnet, wie eine kryptische Flaschenpost für die Nachmirkommenden, ins Internet zu werfen. Ich sitze in der Bahn, der Weg zum Grab gebahnt, die Bremse blutet vor sich hin.

Ich bin ja bei weitem nicht der Einzige, der versucht, das Thema Digitalisierung auf die Agenda zu setzen […]

Völlig unabhängig davon, ob sie „dieses Thema auf eine Agenda setzen“ — was für ein herrischer Sprachgebrauch eines Ohnmächtigen ist das denn bitte?! — steht dieses Thema ganz weit oben auf der Agenda, und zwar im übergeordneten Kontext einer sehr geschäfts- und herrschaftsfördernden umfassenden Verdummung, Enteignung, Überwachung, Verarmung und Technikverhinderung. Die schönen, flutschen gadgets mit NSA-Schnorchelschnittstelle und eingebauter Körpertrackingwanze als Medienabspiel- und Netzkonsumgeräte sind unzweifelhaft digital, und sie sind ein bedeutender, großer Markt. Ich für meinen Teil sitze an meinem Schattenplatz neben der unvermeidlichen Mülltonne im Lande Überdruss und freue mich über die Möglichkeiten, die am Rande des über die Gesellschaft ablaufenden Prozesses noch deren gegeben sind, die sich nicht in Dummheit gefallen. Dass eine promovierte Physikerin wie Dr. Angela Merkel, der es gewiss einmal nicht an einer guten Auffassungsgabe gemangelt hat, nach der Verschrumpelung ihres Intellektes im politischen Apparat einer geistverachtenden Gesellschaft nicht dazu imstande ist, ihre Kommunikation abzusichern, während der von ihr eingesetzte Innenminister Dr. Hans-Peter Friedrich „uns“ dazu auffordert, angesichts der unverschämten, respektlosen und unmenschlichen Überwachung jeglicher menschlicher Kommunikation durch den paranoiden, kranken und kaputten Staat USA doch einfach zu verschlüsseln, erfüllt mich mit ganz großer, geradezu glucksender Heiterkeit. Oder, um es in Richtung der Politiktreibenden aus einer sich christlich nennenden politischen Partei mit diesem Jesus aus Nazaret zu sagen, um den jeden Sonntag so ein Gewese gemacht wird: „So bringt ein jeder gute Baum gute Früchte, der faule Baum aber bringt schlechte Früchte„.

Wir haben in Deutschland viel zu viel Zeit damit verbracht, kollektiv abzuwarten, ob man noch mal aus dieser Digitalisierungsnummer wieder rauskommen könnte. Der Zug ist abgefahren, seit mindestens 15 Jahren bereits. Es kommt jetzt darauf an, dass die beiden Generationen zusammen den Transformationsprozess der Gesellschaft begleiten, damit wir gestärkt aus der Digitalisierung hervorgehen.

Ich weiß jetzt nicht, wer dieses SPD-artige „Wir“ sein soll, aber ich gehöre da nicht zu. Und. Ich werde jeden Tag gestärkt durch die „Digitalisierung“, oder genauer gesagt: Durch eine Technik, die mir Möglichkeiten eröffnet, die ich nicht mehr missen möchte. Nur von der Politik erwarte ich gar nichts mehr, außer eine ständige Verschlechterung meiner Lebensbedingungen und der Lebensbedingungen aller anderen Menschen in Deutschland. Schon gar nicht von der SPD-Politik, die als ehemalige Fortschrittspartei mit Kohlebergbau und Vorratsdatenspeicherung und Standesrechten für die Verlegerbrut und Massenverarmung und „Deregulierung“ zu Lasten der Meisten und zu Nutzen der Besitzenden und Agenda 2020 und Hartz V den „Transformationsprozess der Gesellschaft“ im 21. Jahrhundert vorantreibt, dass es einem nur so gruselt.

Herr Lumma, ich wünsche ihnen auch weiterhin viel Spaß an der Ersatzhaltestelle — und beim kostenlosen Content-Liefern an die „Huffington Post“ für den Reibach der Tomorrow Focus AG. In der antiintellektuellen Gesellschaft der BRD sind sie voll angekommen. Und. Das merkt man.

Fußnoten

¹Ich habe länger als eine Minute über dieses unsaubere Wort nachgedacht. Es ist nicht wohlklingend, aber es ist angesichts der charakterlichen Defizite, die für eine Tätigkeit in der Contentindustrie unabdingbar sind, angemessen. Leider.

Künstliche Welten

Wolfsheim: Künstliche Welten | YouTube-Direktlink

Obamas Problem

Das einzige Problem, das Friedensnobelpreisträger Barack „Ich habe jahrelang nichts gewusst“ Obama mit der Weltüberwachung durch den US-amerikanischen Weltüberwachungsdienst NSA hatte und hat, heißt Edward Snowden. Wären die NSA-Machenschaften nicht herausgekommen, hätte er — und niemand anders in Herrschaftspositionen der USA — niemals ein Problem damit gehabt. Ganz im Gegenteil, die morgendliche Lektüre des zusammengetragenen Herrschaftswissens im Geheimdienstberichte ist doch sehr hilfreich und zuweilen gar ein wenig unterhaltsam…

Aus einem Propagandahandbuch der BRD

In der Bewertung der meisten Menschen überwiegen emotionale Aspekte gegenüber rationaler Argumentation. […] Aus diesem Grunde müssen wir rationale Argumente emotional aufladen. Dabei müssen wir durch unsere Sprache Negativassoziationen vermeiden

Zitiert nach netzpolitik.org — und aus ganz alltäglichem Augen- und Ohrenschein vermutet, dass diese so trefflich beschriebene Herangehensweise sehr viel häufiger bewusst angewendet wird, um Menschen emotional und psychisch zu manipulieren. Wo der Verstand verkümmern gemacht wird und die tierhaft-mechanische Psyche zum Eigenlichen des Menschen erhoben wird, da hat der Demagoge, der professionelle Lügner¹ oder ein vergleichbarer Menschenfeind leichtes Spiel.

¹Werber und PR-Leute sind professionelle, also für diese Tätigkeit (oft recht hoch) bezahlte, Lügner.

Scharf

Mein Messer ist genau so scharf wie die „Kritik“ der bundesdeutschen classe politique an der US-amerikanischen geheimdienstlichen Weltüberwachung. Kannst du mir mal bitte dein Messer leihen, damit ich wieder ein bisschen schneiden kann.

Weiterlesen bei Netzpolitik… und immer daran denken, dass es ausgerechnet die USA sind, die eine so genannte „Cyberattacke“ als Kriegsgrund verstehen wollen. Dieser kranke, paranoid gewordene Staat führt zurzeit — an seinen eigenen Maßstäben gemessen — gegen den Rest der Welt und jeden auf der Welt lebenden Menschen einen idiotischen Krieg.

Die Herren in der Cloud

Über die bunten, paradiesischen Welten in euren Telefonen und Computern wachen die Herren der NSA hoch oben in der Cloud.

Etwas ist nicht in Ordnung

Da sagt der eine Steinzeitmensch zum anderen Steinzeitmenschen in der Höhle: „Hier ist irgendetwas einfach nicht in Ordnung. Unsere Luft ist sauber. Unser Wasser ist rein. Wir haben keinen Bewegungsmangel. Wir haben jede Menge körperlicher Ertüchtigung. Unser gesamtes Essen ist organisch und frei von Zusätzen. Alle Tiere sind freilaufend. Es gibt keine Nahrungsmittelindustrie, die uns vergiftet. Es gibt keine Pharmaindustrie, die uns vergiftet. Und. Trotzdem wird so gut wie niemand von uns älter als dreißig Jahre.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande sollen mit den USA den Skandal um Spähaktionen des Geheimdienstes NSA klären […] Zugleich warnte die Kanzlerin aber, die Freundschaft und Partnerschaft zwischen den USA und der EU sei „keine Einbahnstraße“: „Wir sind darauf angewiesen, aber ich glaube, es gibt auch gute Gründe, dass auch die Vereinigten Staaten von Amerika Freunde auf der Welt brauchen. Misstrauen erschwere die gemeinsame Arbeit, sagte die Kanzlerin. Europa und die USA seien Partner. „Diese Partnerschaft muss sich aber auf Vertrauen und Respekt aufbauen“, forderte sie

tagesschau.de — Spähaktionen der USA: Merkel und Hollande sollen es richten

Ergänzender Lektüretipp: Das Interview der Zeit mit Josef Foschepoth.

Die Nummer

Hat vielleicht mal jemand die Telefonnummer von Barack Obama für mich? Ich würde da nämlich auch gern mal anrufen und mich darüber beschweren, dass ich anlasslos überwacht werde.

Kompromat

„Stell dir nur mal kurz vor“, sagte der Vorübergehende, „die NSA hätte die Stasi-Akten von Merkel und Gauck. Das könnte die ganze BRD-Politik in dieser Sache gut erklären. Wenn man jemanden mit dem Ende der politischen Laufbahn und dem Scheitern des gesamten Lebensentwurfs durch ein paar Indiskretionen drohen kann, dann wird der Ruf nach Recht leise, dann wird auch schon einmal ein Sprechepresser an die journalistische Front ins Blitzlichtgewitter geschickt, der die ganze ‚Affäre‘ für beendet erklärt, während man hofft, die ganze Sache einfach aussitzen zu können“. Und er sagte weiter, der Vorübergehende: „In Berlin sitzen jetzt Menschen in Zimmern und hoffen darauf, dass eine möglichst große Katastrophe passiert, die die mediale Aufmerksamkeit von der Errichtung eines Überwachungsplaneten durch britische und US-amerikanische Geheimdienste wieder abzieht“.

Generationenvertrag

Der mit staatlicher Subvention durch ergänzendes Hartz IV ermöglichte Hungerlohn von heute ist die zur ergänzenden Sozialhilfe führende Altersarmut von morgen — und beide Formen des Elends sind politisch gewollt, von allen bürgerlichen Parteien (einschließlich der ehemaligen Alternativpartei „Die Grünen“) gewollt.

Koalitionsverhandlungen

Es ist immerhin unmöglich, die SPD mit einem Autoreifen zu verwechseln. Der Autoreifen muss ja wenigstens ein paar Millimeter Profil haben.