Archive for August, 2006


Immer schon so gewesen

Ein gefährlicher Fehler der Betrachtung, den die meisten Menschen machen, ist, dass sie ihr eigenes So-Sein für naturgegeben halten und niemals in Frage stellen. Sie glauben, dass sie immer schon so gewesen seien, wie sie sind, und über diesen Fehlglauben vergessen sie die Frage zu stellen, wie und warum sie so geworden sind.

Dabei liegt dem hinterfragten Geworden-Sein, sowohl bei sich selbst als auch bei anderen, so viel Möglichkeit zur Einsicht inne — die einfache Frage, warum Menschen so geworden sind, wie sie sind, könnte sogar die Kraft entfalten, die gesamte Gesellschaft besser zu machen, wenn sie nur oft genug gestellt würde.

Die Frage, warum die aus Einzelnen bestehende Gesellschaft so ist, wie sie ist, folgt der individuellen Betrachtung nämlich auf dem Fuß.

Wer ist nur auf die Idee gekommen, die von Vögeln erzeugten Geräusche als Gesang zu bezeichnen. Es war in jedem Fall jemand, der niemals das Krächzen einer Krähe, das Jaulen einer Eule oder die monotonen Klänge aus einer Taube gehört hat.

Den ausgesprochen dissonanten Gesang einer Nachtigall kann man auch nicht schön finden. Was ihm an Schönheit zugeschrieben wird, dass ist nur die erinnerte Lust derer, die zu diesem arhythmischen Fiepsen knutschend und fummelnd auf sommerlich lauen Parkbänken saßen.

Wenn der Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens, Markus Schächter, die folgenden Worte in den Raum wirft…

Das Fernsehen droht, seine publizistische Seele zu verlieren […] Es verlässt seinen gesellschaftlichen Auftrag und hat nicht mehr das Ziel, das Gespräch der Gesellschaft anzustacheln.

…dann muss sich der gleiche Schächter ernsthaft fragen lassen, ob er mit solchen Worten das Programm des von ihm vertretenen Senders meinen kann. Dieses Programm besteht nämlich in der Hauptsache aus

  • Soap-Operas der schlechtesten Sorte (so etwas nennt sich ja neuerdings „Telenovela“: die Namen der fiktiven Frauen in surrealen Welten ändern sich, sonst ändert sich nichts);
  • schlechten und irreführenden Dokumentationen, über deren mangelhafte Substanz auch nicht minutenlange Sequenzen von Computergrafik und seierndes bis aufwühlendes Psychogeklimper als Hintergrundklang hinwegtäuschen können;
  • reißerisch gestalteten Pseudo-Dokumentationen, die offenbar dort im Trüben fischen sollen, wo sich schon die Netze der irationalen Esoterik-Szene mit reichem, geldwerten Fang gefüllt haben;
  • ausführlichen Verherrlichungen aller gerade so greifbaren Adelsgeschlechter, die mindestens zwei Mal im Monat den Menschen als Alternative zur mittlerweile erkämpften Freiheit angeboten werden;
  • endlosen Sportübertragungen, in denen eine allgegenwärtige Werbung transportiert wird, für die dieser Sender auch noch große Mengen Geldes bezahlt, anstatt dass er Geld für diese Ausstrahlung bekäme; und nicht zu vergessen
  • den vielen Dampfern, Festen, Palästen und was es sonst an Namen noch gibt, wenn schlichteste volkstümelnde Schlager wie zum Hohn auch noch als „Volksmusik“ verkauft werden und von einer himmelblau heilen Welt im Bierzelt an den warmen Brüsten der Lederhose erzählen.

Da kann auch so ein journalistisches Feigenblatt wie Frontal 21 nicht mehr den trüben Eindruck auf der Leuchtschicht der Bildröhre verbessern. Es ist nun einmal leicht möglich, eine Kanne Milch mit ein paar Tropfen Jauche unbrauchbar und ekelhaft zu machen; umgekehrt kann aber nicht eine Kanne Jauche mit ein paar Tropfen Milch genießbar gemacht werden. Immerhin, ohne dieses Feigenblatt stünde der tägliche Wahnsinn im ZDF ganz nackt da — das kann sich keiner wünschen.

Das Programm des Zweiten Deutschen Fernsehens stachelt nicht etwa, wie dieser wortgewandte Schächter in seiner skrupellosen Rede zur allgemeinen Volksverdummung meint, das Gespräch der Gesellschaft an. Nein, es ist vielmehr geeignet, bei den Menschen in der Gesellschaft die kognitiven Grundbefähigungen, die für jede interessante Mitteilung erforderlich wären, zu zerstören. „Das Fernsehen“ droht nicht etwa, seine publizistische Seele zu verlieren, es hat seine Seele schon längst an die Interessen der Werbewirtschaft verkauft, und es liefert folglich jenen industriellen Content, der durch seine hypnotische und verdummende Wirkung so sehr geeignet ist, die an allen nur denkbaren Stellen zwischengeschaltete Werbung in ihrer schrecklichen Wirksamkeit zu verstärken. Das wird auch gewiss gut bezahlt von den Werbekunden.

Ich habe übrigens Verständnis für jeden, der es angesichts dieser Zumutungen nicht hinnehmen will, den Betrieb des halbstaatlichen Fernsehens der Bundesrepublik Deutschland mit seiner Tätigkeit im Internet querzufinanzieren. Die publizistischen Seelen, deren Stimmen im Internet wegen des manifesten Wahnsinns der zwangsweisen Erhebung von Rundfunkgebühren auf Computerbesitz schon in wenigen Wochen im Internet verstummen werden, sind durchaus einer offenen Träne würdig. Dass hingegen ein Apparatschik des bundesdeutschen halbstaatlichen Fernsehens zum Zwecke seiner Lobbyarbeit den Begriff der Seele in den Dreck zieht, kann bei einem fühlenden Menschen nur Hass erwecken.

Ein übles, lichtscheues Gesindel ist, wer so redet. Ja, Herr Markus Schächter, genau sie sind hier gemeint, sie Lichtverneiner. 👿

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Eignungstest für Wirtschaftswissenschaften

Auch heute noch kriegen Schüler aller Schulformen diese als Text formulierten Rechenaufgaben, damit sie neben dem Rechnen auch dieses Stückchen Ideologie lernen: Wie soll mit Menschen und ihrer Tätigkeit umgegangen werden? Da heißt es denn etwa in so einem Rechenbuch: „Drei Maurer brauchen 4 1/2 Stunden, um diese Mauer hochzuziehen, wie lange brauchen fünf Maurer?“ — jeder, der damals noch etwas fühlte, als er Schüler war, hat es gehasst.

Dies ist eine Dreisatzaufgabe für jene krankhaft pragmatischen Menschen, die jedes menschliche Tun in Zahlen fassen wollen, damit sie die Menschen besser als Maschinen in ihrer krankhaft pragmatischen Welt einsetzen können: „Eine Frau braucht für eine Schwangerschaft neun Monate. Wie lange brauchen drei Frauen?

Wenn sie mechanisch und unreflektiert „drei Monate“ gesagt haben, dann haben sie den Eignungstest als Wirtschaftswissenschaftler bestanden. Nun können sie zu den fortgeschrittenen Rechnungen übergehen. 😀

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Mit der Natur lügen

Seit Menschen im Rahmen irgendwelcher staatlicher Organisation Ämter haben, die sie zur Legitimation ihrer Herrschaft über andere Menschen verwenden, gab es wohl keine Form der Herrschaft, die sich nicht als „natürlich“ (oder vor der Aufklärung: „gottgegeben“) verstanden hätte. Die Formen der Herrschaftsausübung waren in der menschlichen Geschichte sehr verschieden, aber diese Lüge der „Natürlichkeit“ haben sie alle gepflegt. Bis zum heutigen Tag.

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Wer wird Millionär

Diese Quiz-Shows im Fernsehen sind vor allem aus einem Grund so überaus schwer zu ertragen: Selbst der größte Dummkopf von Moderator kann mit Leichtigkeit mehr Fragen von einem kleinen Monitor ablesen, als jeder kluge und gebildete Kandidat bei aller Anstrengung jemals beantworten könnte.

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Die ungläubigen Missionare

Im Betrieb der organisierten Religion legt kaum etwas anderes so beredtes Zeugnis vom nagenden Zweifel der Gläubigen ab wie die Form des Missionierens. Ein Glaubender, der durch die Erfahrung seines Glaubens Gewissheit über die geglaubte Heilsbotschaft erlangt hätte, bedürfte nicht der großen Worte und Taten; sein Leben wäre durchzogen von der so erlangten Gewissheit und jedes alltägliche Handeln würde das erzählen, was keines Menschen Mund fassen kann. Wo die Erfahrung erschütternd, groß und unmittelbar ist, da wird ihr Spiegelbild in den Worten klein.

Wie anders sind doch jene, die von Tür zu Tür gehen oder auf großen Veranstaltungen verkündigen. Mit gut vorbereiteten und wohl gesetzten Worten geben sie vor, Wahrheiten zu verkünden; der Hinweis auf ihre Taten im Glauben erhält dabei eine zuweilen peinliche Deutlichkeit. Das so nach außen gerichtete Wort soll auch nach innen klingen und den eigenen Zweifel überschreien, den sich kein Glaubender innerhalb seines religiösen Systemes eingestehen darf. Zusammen mit diesem Zweifel wird auf diese Weise allzu oft auch die Angst übertönt; die Angst vor Gott, die Triebfeder zumindest der monotheistischen Religionen ist. Dies ist sowohl die Kraft solcher Worte, als auch ihre völlige Kraftlosigkeit. Dass dieser wortreiche und gar nicht selten mit Gewalt verbundene Betrieb der Mission vor allem in jenen Religionen besonders lärmend ist, die für den (doch von Gott gegebenen) Verstand des Menschen die größten Zumutungen beinhalten, ist vollkommen verständlich.

Das größte Beispiel eines nagenden und quälenden Zweifels im Glaubenden zeigt sich in jenen Menschen, die allzu leicht dazu bereit sind, als Selbstmord-Terroristen ihren fanatischen Glauben einer andersgläubigen Welt zu demonstrieren — und wie nebenbei die niemals schweigende Quelle ihres Zweifels in ihrem Verstand, ihrem Herz und ihrer Seele in blutiger Zerfetzung auszulöschen.

Wer Ohren hat zu hören, der höre!

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Keine Ruhe außer der letzten Ruhe

Es ist doch wirklich beachtlich, dass in allen größeren Städten nachts die Friedhöfe zugesperrt, die ganzen Kneipen, Bars und Diskotheken hingegen geöffnet sind. Ein Mensch, der wie so viele in dieser lärmverseuchten Zeit in den Nächten nicht schlafen kann, erhielte auf einem Friedhof viel bessere Gelegenheiten, zur Besinnung und zur Ruhe zu kommen — und so vielleicht irgendwann auch wieder erholsamen Schlaf zu finden.

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Dummes Geschrei

Wieso schreien die Anhänger einer Mannschaft wie „Hannover 96“ nach jedem Spiel dieser Mannschaft herum, als wenn etwas Bedeutendes geschehen sei? Wieso verbreiten diese Menschen mit ihrem betrunkenen Gebrüll eine Atmosphäre, dass jedem am Rande betroffenen klar wird, dass solche Menschen das friedliche Miteinander nicht für erstrebenswert halten? Wieso bleiben sie nicht einfach unter sich und pflegen dort ihr äffisches Verhalten, statt Unbeteiligten mit ihrer ausgelebten Barbarei den Tag zu vergällen?

Wenn ich mich — natürlich nicht nach einem „Spiel“ — mit einem dieser Fans unterhalte, dann werden lokalpatriotische Reden geschwungen, es sei eben die Mannschaft „von Hannover“. Und selbst, wenn ich frage, wie viele aus Hannover stammende Menschen in dieser Mannschaft mitspielen, setzt die Tätigkeit des Verstandes nicht wieder ein.

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Sintflut

Kaum ein biblischer Bericht könnte jedes christliche Denken an die Unfehlbarkeit, Vollkommenheit Liebe und Gewaltlosigkeit Gottes so sehr erschüttern wie die Legende von der Sintflut. Nachdem JHWH einsah, dass seine Werk zu nichts taugt und alles in allem ein großer Fehler gewesen ist, fasste er einen folgenschweren Entschluss (zitiert nach der revidierten Luther-Übersetzung):

Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, daß ich sie gemacht habe.

Wie ein Kind, das Sandburgen baut und wieder zerstört…

Die gleichen politischen Menschenverblender, die immer von Freiheit und „Deregulierung“ reden, werden sofort eine andere Sprache finden, wenn wirkliche Freiheit und weit gehende „Deregulierung“ nachteilhaft für eine finanzkräftige gesellschaftliche Gruppe sind. Darin spiegelt sich wider, wessen Interessen von den so genannten „Volksvertretern“ wirklich auf Kosten des ganzen Volkes vertreten werden. Es gehört nicht viel intellektuelle Kraft dazu, um aus solchen Beobachtungen auf finanzielle Abhängigkeiten der Politiktreibenden zu schließen. Die Einsicht in die Tatsache, dass die angebliche „Demokratie“ in Wirklichkeit eine Herrschaft des Kapitals ist, fällt dabei ganz von allein ab.

Kein so genannter „Liberaler“ der Geschmacksrichtung blau-gelb wird — bei aller wortreich bekundeter Liebe zum „freien Wirtschaften“, zum „Wettbewerb“ und zu den nebulösen „Kräften des Marktes“ — jemals die geldwerten, besonderen Privilegien der Ärzte und Apotheker antasten.

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Das Sterben nicht bemerken

Jemand, der World of Warcraft spielt, könnte wohl einfach sterben, ohne dass es ihm besonders auffiele. Wenn durch die letzten zuckungsartigen Reaktionen eines Gehirnes die gewöhnlichen Sinneseindrücke in dieser Situation vermittelt werden, dann wird so ein Spieler nur eines denken: „Das leuchtende Item da am Ende des Tunnels, das muss ich jetzt noch kriegen.“