Archive for September, 2008


Geldspielgeräte

Zeitgenosse: „Du hast ja neulich beim Schreiben über Sucht auch eine Anmerkung über Spielsucht gemacht. Was hältst du eigentlich von Geldspielgeräten?“

Nachtwächter: „Das sind unverständlich funktionierende Kästen, in welche manche Menschen auf die Versprechung eines Gewinnes hin einen Euro reinwerfen, um dafür im Durchschnitt weniger als einen Euro dafür zurückzukriegen. Das machen diese Menschen wieder und wieder, bis sie endlich viel Geld auf diese Weise losgeworden sind. Der Rest an diesem Vorgang — das sind eine ganze Menge Dinge, die von den so genannten „Spielern“ als die „Fälligkeit“ einer solchen Maschine, als „kurzes“ oder „langes Drücken“ oder als großer Jackpot bezeichnet werden — ist reines Kopfkino beim Spielenden. Der Aufsteller eines solchen Gerätes ist freilich ein Mensch, der es schafft, anderen Menschen für den Besuch in ihrem eigenen Kopfkino einen Eintritt abzunehmen.“

Mit fröhlichem Gruß an F.

Jeder Nutzer des quasi-staatlichen Rundfunks der BR Deutschland sollte jeden Tag daran denken, dass er es mit offener und in ihren Absichten oft sehr leicht durchschaubarer Manipulation und Propaganda zu tun hat. Auch und gerade in den pseudo-sachlichen Berichten der viel zu hoch angesehenen Tagesschau wird gelogen, gelogen und gelogen. (Das heißt, es wird bewusst die Unwahrheit verbreitet, und zwar ganz offenbar mit der Absicht, auf diesem Wege die Menschen in Deutschland in ihrem Tun und Denken zu manipulieren.)

Meistens geschieht dieses bewusste Verbreiten der Unwahrheit sehr geschickt, in der Regel durch einfaches Weglassen von Information oder auch nur durch eine tendenziöse Schwerpunktsetzung. Es ist für die meisten Menschen — und natürlich auch für mich — sehr schwierig, diese Propagandamaschine zu entlarven, und es ist noch viel schwieriger, dies in einer Form zu tun, die auch für andere Menschen nachvollziehbar ist. Unter den Bedingungen einer Propaganda, die vom quasi-staatlichen Fernsehen der BR Deutschland jeden Tag in beinahe jedes Wohnzimmer gespült wird, wurde und wird eine irrationale Angst ausgebreitet, die in jede Seele frisst, wurden und werden zivilisatorische Standards der sozialen Sicherung abgeschafft, wurde und wird die Militarisierung der BRD-Außenpolitik vorangetrieben, wurde und wird unter der knallenden Angstpeitsche der Arbeitslosigkeit eine Armut ausgebreitet, die immer mehr Menschen in Deutschland erfasst.

Natürlich ist das immer alles sehr aktuell. Ein monströser Apparat sorgt für ständigen Nachschub neuer manipulativer Nach-Richten, welche die Lügen von gestern vergessen machen, aber nicht ihrer Wirkmacht berauben. Ein Verweilen bei einem Thema ist nicht erwünscht, nicht einmal ein Thema ist erwünscht; es würde zu viel Bewusstsein schaffen. Die Meldungen von gestern sind im nach-gerichteten Heute keines Wortes mehr würdig, die als schematische Karte ständig im Hintergrund liegende Welt wird zerschnitten in wohlgewählte und ebenso schematische Info-Häppchen zu dreißig Sekunden, deren Wirkung leider auch nicht ausbleibt. Alles, was zur Einsicht führen könnte, wird dazu bestimmt, im Fetisch der Aktualität unterzugehen, und die Zwiedeutigkeit des Wortes vom „Untergehen“ ist an dieser durchaus passend.

Dieses Medium gibt vielen anderen Medien die „Themen“ vor. Selbst viele bloggende Menschen mit hohem Anspruch nehmen diese mediale Auswahl leicht auf. Letzteres ist besonders dumm; es ist die Nachäffung eines mit hohem logistischen Aufwand erzielten Standards eines lichtschnellen Mediums, den eine Einzelperson oder selbst eine kleine Gruppe von hoch engagierten Menschen nicht wuppen kann. Wer etwas nachäfft, steht immer in der Gefahr, sich zum Affen zu machen — der Untergang in unwissender Aktualität wird hingegen gar nicht berührt.

Es ist jetzt gut einen Monat her, dass die Tagesschau-Redaktion einmal bei einer Form der Propaganda erwischt wurde, die gleichermaßen dreist, in ihren Intentionen durchschaubar und schamlos war. Gemeint ist das Interview mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin, das in einer so einseitigen Weise gekürzt wurde, dass die eigentlichen Aussagen des Interviewten unterschlagen wurden. Das war vor einem Monat noch ein sehr heiß diskutiertes Thema, das allerdings jetzt schon wieder im Sog des Aktuelleren vergessen ist.

Ja, ich befürchte fast, dass viele, die sich damals klickträchtig im Netze ereiferterten, jetzt schon wieder gläubig an den Meldungen der Tagesschau-Redaktion hängen und sogar glauben, dass man sich mit dem täglichen Auswurf dieses lichtscheuen Gesindels informieren könne. Nur deshalb hier meine gar nicht aktuelle Empfehlung, noch einmal mit einem Monat Abstand und in aller Ruhe die Dokumentation dieses Vorganges im Volkszustandsbericht zu lesen.

Denn so viel ist sicher: Es war gewiss nicht die einzige Nachrichtung der täglichen Nachrichten, und es war gewiss auch nicht die einzige derartige Nachrichtung, hinter der handfeste politische Absichten standen. Oder, um es mit einem dort zitierten Kommentar zu sagen:

Nochmal, liebe Mitkommentatoren: Es wurde nicht nur “gekürzt” und damit ein “falscher Eindruck” erweckt, sondern BEWUSST gelogen, um einer (vermeintlich) prowestlichen Sache zu dienen, weil Putin Dinge sagt, die man der deutschen Masse nicht darlegen will. Wovor hat man Angst?

Schaut euch bspw. den http://www.spiegelfechter.com an, wo farblich schön dargestellt wird, wie bewusst gelogen wird. Wem da nicht schlecht wird, der muss gehirngewaschen sein. So und jetzt, liebe Leute fragt Euch verdammt nochmal in welchen anderen Bereichen Ihr Euch so gerne habt belügen lassen. Es geht nicht nur um Russland. Ist denn die Gehirnwäsche von Agenda 2010, der sogenannten Schicksalsgemeinschaft NATO, dem sogenannten Friedenseinsatz in Afghanistan wirklich richtig? Ist es wirklich richtig, Institutionen wie die Deutsche Bahn, die von UNSEREM Geld geschaffen wurden an Spekulanten zu verhökern, die uns mit maroden Netzen und höheren Kosten dafür belohnen werden? Man könnte Seiten über Seiten füllen…

Wacht verdammt nochmal endlich auf und vergesst diese Lektion, die Euch die ARD gegeben hat niemals wieder.

Alles weitere beim Volkszustandsbericht.

Der Würde Bedeutung geben!

Kurz hingewiesen sei hier auf die Gesetzesintiative 1a, die das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland um folgenden Artikel als Präzisierung zum Artikel 1 ergänzt sehen möchte:

ARTIKEL 1a GG

(1) Die Würde des Menschen ist untrennbar verbunden mit dem Recht auf Teilhabe am allgemeinen gesellschaftlich-sozialen Leben. Kein Staatsbürger darf durch persönliche oder allgemeine wirtschaftliche Verhältnisse individuell von dieser Teilhabe ausgeschlossen werden.

(2) Die Gewährleistung dieser Teilhabe regeln Artikel 14 Abs.2, Artikel 15, Artikel 20a, Artikel 25 GG, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, sowie ein Bundesgesetz.

Alles weitere soll hier nicht wiederholt werden, es findet sich auf der Website der Initiative.

via Fefes Blog

Wie üblich enthält das von allen Medien veröffentlichte, „vorläufige amtliche Endergebnis“ der gestrigen Wahl zum Landtage des Freistaates Bayern einen systematischen Fehler, der die Beurteilung des in der Wahl geäußerten politischen Willens und Unwillens erwünschterweise sehr erschwert. Dieser Fehler besteht darin, dass nur die prozentuale Verteilung der abgegebenen Stimmen ausgewiesen wird. Angesichts einer Wahlbeteiligung von 58,1 Prozent, und angesichts der Tatsache, dass bei einer landespolitisch bedeutsamen Wahl nur eine Minderheit der nicht wählenden Menschen aus Faulheit und völligem Desinteresse andere Menschen über ihren Kopf hinweg über die Zukunft ihres Lebens entscheiden lassen, erscheint es angemessen, dieses „vorläufige amtliche Endergebnis“ zu korrigieren, indem die Nichtwähler explizit berücksichtigt werden und die Prozentanteile in Bezug auf die Wahlberechtigten ausgewiesen werden. Dieses „korrigierte amtliche Endergebnis“ (KAE) sei hier einmal jenen Zahlen gegenübergestellt, die gerade von allen Vertretern der politischen Kaste und ihren Speichelleckern aus der Journaille dazu verwendet werden, im „Willen des Wählers“ herumzudeuteln, dass sich sogar die Balken in den Diagrammen zu biegen beginnen:

Korrigierte Wahlergebnisse - Landtagswahl in Bayern, 28. September 2008 - Nichtwähler 41,9 %, CSU 25,2 %, SPD 10,8 %, Grüne 5,5 %, FW 5,9 %, FDP 4,6 %, Linke 2,5 %, Sonstige 3,5 % - Wahlbeteiligung 58,1 %

Wie in den breit rezipierten Medien üblich, sei hier auch noch die Darstellung in Form der für diesen Zweck üblichen Diagramme gegeben, um diese Zahlen ein wenig anschaulicher zu machen:

Korrigiertes Amtliches Endergebnis

Korrigiertes Amtliches Endergebnis

In dieser Aufbereitung erhält endlich auch jener Anteil der Wahlberechtigten ein angemessenes Gewicht, der sich in keinem der zur Wahl stehenden politischen Angebote — die übrigens zum größten Teil das gleiche politische Programm eines entfesselten wirtschaftlichen „Liberalismus“ bei gleichzeitiger Einschränkung der Freiheitsrechte für die Menschen in Deutschland vertreten — so wiederfindet, dass er auch nur vom Werben einer einzigen dieser Parteien dazu gebracht wurde, diese Partei zu wählen. Auch das Nichtwählen ist als Entscheidung zu verstehen, und es wird sogar in vielen Fällen eine sehr bewusste Entscheidung sein.

Nachtrag:Bitte auch einmal die grafisch aufbereitete, langfristige Analyse bei den NachDenkSeiten anschauen, da werden die wirklichen Trends der so genannten „Demokratie“ deutlich.

Welches Duell?

Die so genannten „Fernsehduelle“ von Präsidentschaftskandidaten in den USA wären viel unterhaltsamer, wenn dabei Duellpistolen eine größere Rolle spielten.

Entsprachlichte Ziffern

Erstaunlicherweise haben viele Menschen, die eine Fremdsprache lernen, ganz besondere Probleme damit, die fremden Zahlwörter sicher zu beherrschen. Das erscheint umso erstaunlicher, als dass das sichere Verstehen und Ausdrücken nummerischer Quantitäten von einer erheblichen Bedeutung im Alltag sein kann; von daher wird es nicht an einem Mangel der Motivation liegen, der so oft dort auftritt, wo sinnlose Dinge jenseits der Lebenswirklichkeit gelernt werden sollen.

Selbst wenn ich mich selbst betrachte, fällt mir ein Teil des Problemes auf. Ich lese relativ schnell und recht häufig englische Texte, doch wenn ich auf darin eingestreute Zahlen treffe, habe ich eine sehr starke Tendenz, mir selbst diese Ziffernfolgen mit den entsprechenden deutschen Zahlwörtern vorzulesen; und dies, obwohl die so in den englischen Text geratenen deutschen Wörter erhebliche Stolperstellen darstellen.

Der Grund für dieses interessante, aber wenig beachtete psychische Phänomen scheint darin zu liegen, dass die Zahlen eine Untermenge der Schrift sind, die abseits der sonst allgemein üblichen phonetischen Notation in einer logographischen Schrift geschrieben werden. Das hat Vorteile. Menschen völlig verschiedener Sprache können die Zeichenfolge 20 in gleicher Weise interpretieren und für sich verstehen, obwohl jeder dieser Menschen diesem Symbol einen anderen, in seinem persönlichen Kulturkreis üblichen Lautwert gibt; der eine spricht innerlich „zwanzig“, während jemand neben ihm „twintig“ liest, ein anderer hingegen „tjugo“, während es in seinem Freund „tyve“ spricht, wieder ein anderer liest „twenty“ und noch jemand anders „vingt“. Auch wird das Rechnen mit den Zahlen, die über den Symbolvorrat des arabischen Ziffernsystemes vom Klang ihrer Sprache entkleidet wurden, sehr erleichtert. Diese unabweisbaren Vorteile sind auch der Grund dafür, dass sich die arabischen Ziffern — wenn auch deutlich in ihrer ursprünglichen schriftlichen Gestalt abgewandelt — überall in der Welt durchgesetzt haben und die zuvor etablierten, lokalen Systeme des Notierens von Zahlen in recht kleine Nischen abgedrängt haben.

Den größten Vorteil von einem solchen System hatten natürlich die reisenden Kaufleute und ihre Kunden. So ist es ja bis heute geblieben. Weilte ich in Portugal, so könnte ich die dortigen Auspreisungen von Waren leicht verstehen, obgleich mir das Sprechen um mich herum völlig unverständlich erschiene.

Und genau das. Ist der Grund dafür, weshalb es den meisten Menschen fühlbar schwerer fällt, fremde Zahlwörter als die fremden Bezeichnungen für Alltagsgegenstände zu lernen. Der Druck ist geringer. Das System zur Notation von Zahlen ist entsprachlicht. Die Ziffernfolgen bedürfen nicht der fremden Laute, um verstanden zu werden, sie übersetzen sich mit Leichtigkeit in die eigene Sprache.

In dieser „Kleinigkeit“ spiegelt sich etwas von der Schwierigkeit, die eine entsprachlichte und rein symbolische Information hat, bei einem Menschen sprachgebundenes Verstehen und Denken hervorzurufen. Aber es wird auf solchem Hintergrund vielleicht auch verständlich, warum Menschen, die in allem ihrem Tun und Denken in besonderer Weise an nummerische Informationen gebunden sind — in erster Linie sind dies Kaufleute und Wissenschaftler — so wenig an die lokalen Realitäten, an die Lebenswirklichkeit der von ihrem Tun und Denken betroffenen Menschen gebunden zu sein scheinen und deshalb so mühe- und gewissenlos über die Konsequenzen ihrer Taten für die Menschen hinweggehen können. Sie bewegen sich dabei in einem symbolischen System, dessen Zweck es schon immer war, jenseits der menschlichen Realitäten eine künstliche Logographie über einen abstrakten Teilbereich des Tuns zu schaffen.

Fertigmachen

Sie sagte, bevor sie nach draußen ging: „Ich muss mich noch fertigmachen„, und dann verschwand sie für mehr als eine halbe Stunde im Bad. Ihre Ausdrucksweise für die zur täglichen Routine gewordenen Vorrichtungen des Schminkens und Arrangierens der Frisur enthielt überraschend viel Wahrheit. Im Verb „müssen“ spiegelt sich der gesamte soziale Zwang, der so etwas hervorbringt. Und. Das Verb „fertigmachen“ hat eine deutlich mitschwingende Konnotation von Schaden zufügen, töten und verletzen, worin sich die Wirkung dieser sozialen Zwänge widerspiegelt.

Was abnimmt

Die Menschen machen eine so genannte „Diät“, damit sie an Gewicht abnehmen. Aber das erste, was bei ihnen abnimmt, wenn sie sich selbst auf solche Darbsal setzen, ist die gute Laune.

Auswärtiges Denken (37)

Immer dann, wenn hierzulande alle zusammen und ganz kollektiv einen neuen Faschismus verhindern oder zum „Aufstand der Anständigen“ trommeln, ist höchste Vorsicht geboten. Massenaufmärsche und -demonstrationen in Deutschland sind und bleiben hochgradig dubios. Denn immer dann, wenn es um wirklich etwas geht, etwa um Emanzipation, Freiheit, der Verteidigung der Rechte des Einzelnen etc., fehlen auf Demonstrationen in Deutschland regelhaft schlicht genau jene Massen, sie sich ansonsten und zu den unangenehmsten Anlässen so gerne zusammenfinden.

WADIblog

gefunden durch Side Effects

Fernsehen und Religion

In der kürzlich hier veröffentlichten Betrachtung über das Wesen der Sucht habe ich mich kurz gefasst, und es ist dennoch ein recht langer Text geworden. Trotz seiner Länge fehlt dem Text vieles, und einige sehr wichtige Details werde ich hier nachreichen.

Zunächst zur Erinnerung eine sehr kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte:

Sucht ist keine Form der Abhängigkeit, sondern ein Verhalten. (Es kann aber eine Abhängigkeit als zusätzliche Schwierigkeit hinzukommen.) Die Krankheit der Sucht ist ein krankhaftes Verhalten gegenüber der mit triebhafter Intensität gespürten, fordernden, sozialen Verantwortung. Das süchtige Verhalten trägt unabhängig von der individuellen Ausprägung der Suchtkrankheit immer die gleichen Züge: Der Süchtige schränkt seine Aufmerksamkeit für die Erscheinungen der Umwelt ein, indem er sich dämpfender oder halluzinogener Mittel bedient, welche die Aufmerksamkeit herabsetzen oder auf innerpsychische Erscheinungen ausrichten; oder aber, indem er seine Aufmerksamkeit gezielt auf einen kleinen Ausschnitt der Umwelt richtet, um auf diese Weise seine Aufmerksamkeit für den größten Teil der Umwelt zu dämpfen. Er tut dies regelmäßig, obwohl es scheinbar unerwünschte Folgen für ihn selbst hat und zur Quelle von Leid wird. (Dieses Leid wird vom Süchtigen beklagt und als krank empfunden, nicht sein süchtiges Verhalten, das ihm eher eine Erleichterung verschafft.) Der Süchtige hat von diesem Verhalten den Gewinn, dass er sein aus dem Sozialtrieb hervorgehendes Gefühl der Verantwortung für sein soziales Umfeld mit geringerer Intensität oder auch gar nicht mehr verspürt. Die scheinbar unerwünschten Folgen, die immer im Verlust von Lebenskraft bestehen, erweisen sich als durchaus „sinnvoll“, denn niemand hat weniger Verantwortung als eine Leiche. Sucht ist — so betrachtet — dem Suizid verwandt, da sich der Süchtige von den Anforderungen des Lebens und seiner eigenen Verantwortung unter Gewaltanwendung gegen sich selbst abwendet.

Was eine solche Betrachtung der Sucht interessant macht, ist die Verschiebung des Schwerpunktes weg von einem austauschbaren Suchtmittel und hin zu einem psychologischen Mechanismus der Sucht. Dabei wird auch ein Licht darauf geworfen, welchen individuellen Gewinn der Süchtige aus seiner auf dem ersten Blick doch nur schädlichen Sucht hat. Die Existenz dieses Krankheitsgewinnes für den erkrankten Menschen erschwert es, die Krankheit zu heilen, da ein mächtiges Interesse des Kranken einer solchen Heilung entgegensteht. Zur Beschreibung dieses psychologischen Vorganges wurde ein Sozialtrieb angenommen, der mit gebieterischer Wucht vom menschlichen Individuum fordert, dass es an der Gestaltung einer menschlichen Gemeinschaft aktiv und verantwortlich teilnehme. Das permanente Suchtverhalten — als vorübergehendes Verhalten sind die beschriebenen Mechanismen durchaus eine gewöhnliche Form der Zerstreuung, die niemanden schadet — entzieht die realen sozialen Geschehnisse der Aufmerksamkeit und damit dem Bewusstsein des Süchtigen. Jede Sucht ist immer entsozialisierend.

Ist das Suchtverhalten in der Betrachtung erst einmal vom Suchtmittel getrennt, so liegt es sehr nahe, die Probleme der Sucht nicht als Drogenprobleme zu betrachten. Schon in meinem vorherigen Text habe ich angedeutet, dass es Suchtmittel gibt, die gar nicht zu den Drogen zu rechnen sind, die aber dennoch beim Süchtigen zum voll ausgebildeten Suchtverhalten führen. Es sind ja gerade diese besonderen Formen der Sucht, die einem auf die Idee bringen müssen, dass es sich bei der Sucht um etwas fundamental anderes als eine künstliche Abhängigkeit handelt.

Wer sehr aufmerksam war, dem ist aufgefallen, dass diese „dritte Kategorie“ der Suchtmittel (neben den dämpfenden und halluziongenen) nur kurz von mir angerissen wurde. Schon beim Schreiben wurde mir klar, dass es ein ganzes Thema für sich ist.

Als Suchtmittel geeignet ist alles, was es einem Menschen ermöglicht, die Aufmerksamkeit für die Wirklichkeit um ihn herum zu reduzieren, auf dass er sein Verantwortungsgefühl nicht mehr zu spüren kriegt. Bei der Spielsucht geschieht dies durch die Konzentration der Wahrnehmung auf einen recht einfachen Spielablauf, und die zusätzliche Verwendung eines Geldeinsatzes gibt diesem Ablauf genügend existenzielle Bedeutung für den Spieler, dass diese Konzentration nicht nachlässt. (Bei typischen Glücksspielen ist der eigentliche Spielablauf ja nicht besonders fesselnd.) Indem sich die gesamte Aufmerksamkeit derartig auf einen recht kleinen Ausschnitt der Welt richtet, geht sie für den Rest der Welt verloren; in der Folge nimmt der Spieler in seinem Suchtverhalten auch die Bedingungen seines eigenen Lebens nicht mehr war, was zu einer psychischen Erleichterung führt.

Viele Menschen betrachten Sucht als das Problem einer Minderheit und glauben, dass dieses Thema für ihr eigenes Leben keine besondere Relevanz hat.

Dabei gibt es zwei sehr verbreitete Suchtmittel, die nur deshalb nicht als solche erkannt werden, weil sie nicht mit dem mittlerweile schimpflichen Wort „Droge“ belegt werden. Sie können aber die gesamte Aufmerksamkeit eines Menschen aufnehmen und damit zur Grundlage für das vollständige Suchtverhalten werden.

Das erste dieser Suchtmittel ist das Fernsehen.

Die Verwendung eines Fernsehgerätes — im Volksmund wird dies ja mit dem wenig appetitlich klingenden Wort „glotzen“ bezeichnet — belegt die beiden für die Orientierung und Wahrnehmung des Menschen wichtigsten Sinne fast vollständig. Auge und Ohr sind gefesselt; die gesamte Wahrnehmung arbeitet sich an fernsehgerecht aufbereiteten Darbietung ab.

Die „fernsehgerechte“ Aufbereitung aller Inhalte ist etwas sehr Interessantes. Hier ist ja im Laufe der Jahre so etwas wie eine visuelle Sprache entstanden, die das Eigentümliche dieses Mediums mittlerweile gut widerspiegeln sollte. Geradezu auffallend ist die Neigung dieser Aufbereitung, mit ständig wechselnden Bildern jedes Verweilen bei den dargebotenen Inhalten und damit auch jede Möglichkeit zur inneren Reflexion der Inhalte zu unterbinden. Technisch geschieht dies durch das Stilmittel des Schnittes, das den Sichtwinkel des in seinem Sessel gefesselten Zuschauer recht gewaltsam in immer neue Positionen befördert. Auf diese Weise wird dem Bewegungsdrang, der einem Menschen ja sonst zueigen wäre, jeder Anlass genommen; die erstarrende Haltung seines Körpers zu verlassen und gleichermaßen eigenständig wie verantwortlich zu handeln. Es handelt sich also um ein ideales Suchtmittel, das alle Möglichkeiten zum verantwortlichen Handeln unterdrückt und zudem seinen Nutzer in eine Welt entführt, die ihm als ein ersatzweises soziales Umfeld dienen kann, in welchem es kein negatives Feedback für die eingenommene Haltung der Passivität gibt.

Dementsprechend stark ist auch die Bindung der Menschen an dieses Suchtmittel, die so weit geht, dass ein Leben ohne Fernsehen für viele heute lebende Menschen undenkbar geworden ist. Obwohl in diesem Suchtmittel keine Droge vorliegt, kommt es ganz offenbar zur Ausbildung einer psychischen Abhängigkeit, deren Grundlage die Zerstörung des fordernden Sozialtriebes ist.

Das zweite dieser Suchtmittel ist die Religion.

Hiermit ist jetzt keine unverbindliche Frömmigkeit gemeint, und auch nicht das überaus häufige Verweilen in einer religiösen Institution aus einem falschen Traditionsgefühl heraus, sondern eine das Leben prägende religiöse Haltung, die Überlieferungen höher stellt als das eigene Erleben und das Befolgen überlieferter Ge- und Verbote für wichtiger schätzt als reflektiertes, verantwortliches Handeln — selbst dann noch, wenn diese Haltung eine erhebliche Zumutung für den Verstand ist.

Die religiöse Haltung setzt alles in eine Beziehung zu einem höheren Wesen oder Prinzip. (Der Buddhismus ist ein Zeichen dafür, dass ein personales Gottesbild für die Religion nicht erforderlich ist, er mag darin auch ein Licht auf die psychische Grundlage jeder Ideologie des so genannten „aufgeklärten“ Zeitalters werfen.) Dabei kommt es zu einer Deutung aller Ereignisse und Handlungen, die sich von den Tatsachen in der Realität unabhängig macht. Bei dieser Umdeutung wird die eigene Verantwortung nicht mehr mit dem Schwerpunkt einsichtigen und vernünftigen Verhaltens wahrgenommen, sie wird vielmehr auf den Gehorsam gegenüber einem abstrakten Gegenüber oder Prinzip gerichtet.

Diese psychische Grundlage der Religion als Suchtmittel ist nützlich für Herrschende, da sie die beherrschten Menschen uneinsichtig und untätig hält. Von daher kam es in der Geschichte der Staatswesen immer zu einer Kooperation zwischen den religiösen Institutionen und den Organen der Herrschaft, die zeitweise sehr weit gehen konnte. Dabei hat sich die vom Suchtverhalten hervorgerufene Verantwortungslosigkeit von ihrer blutigsten Seite gezeigt.

Trostlos

Sicher, alles geht vorbei. Aber vieles kommt auch wieder.

Wir sind auf Alles programmiert
Und was du willst wird ausgeführt
Wir sind die Roboter
Wir funktionieren automatik
Jetzt wollen wir tanzen mechanik
Wir sind die Roboter

Kraftwerk, Wir sind die Roboter

Ein Pappaufsteller, der Broschüren in einer Behörde anbietet, in Form eines Roboters

Dieses Foto wurde im Inneren einer Behörde aufgenommen (es handelt sich um ein Finanzamt in Hannover). Der Pappaufsteller in Form eines Roboters bietet auf auf einem Tablett kleine Broschüren mit Informationen an. Das. Ist ein bemerkenswert gelungenes Abbild dessen, was einem Menschen in einer Behörde erwartet. Das jeweilige Gegenüber im Betrieb einer Behörde sieht zwar wie ein Mensch aus, und es sollte auch wie ein Mensch denken und fühlen können, doch darf dieses Gegenüber nicht wie ein Mensch denken und fühlen, wenn es seine Aufgaben in der Verwaltung erfüllt. Vielmehr ist es die Aufgabe der dort angestellten und im Status des Beamten tätigen Menschen, einen Satz staatlich verordneter Vorgaben über die Menschen ablaufen zu lassen, ohne dabei für etwas anderes verantwortlich zu sein als für die möglichst effiziente Durchführung dieser Vorgaben. Alles an dieser Figur spiegelt das trefflich wider; sowohl die Pappe, als auch die Flachheit der Figur, als auch ihr technisches Aussehen.

Mit fröhlichem Gruß an M.