Archive for Juli, 2007


Blogurlaub

Wenn in diesem Blog in den nächsten Tagen nicht so viel geschieht, bedeutet das keinesfalls, dass dieses Blog nicht mehr befüllt wird und sich in eine echte moderne Blogleiche verwandelt. Ich muss nach einem Jahr des Bloggens an dieser Stelle einfach einmal einen Schritt zurück treten, Abstand gewinnen und mir in aller Ruhe neue Gedanken um die inhaltliche Ausrichtung und den Stil meiner Präsentation machen.

Eingefahrene Routine neigt zum Dummen und Mechanischen — und ehrlich gesagt, ich bin in den letzten Wochen nicht immer mit meinem Stil zufrieden gewesen. Es ist einfach befriedigender für mich, wenn ich etwas fühlbar Gutes und Hochwertiges hervorbringe, schließlich bin ich hier nicht auf der Arbeit.

In ein paar Tagen oder Wochen geht es hier wieder los, in gewohnter, beinahe täglicher Frequenz. Auf einen Termin für das Weitermachen möchte ich mich aber nicht festlegen, da mein kognitiv-psychischer Apparat nicht an den Kalender gebunden ist. Ich werde weiter machen, wenn ich weiß, was ich machen werde. 😉

Ach genug des aufgeblähten Blahs! Ich muss auch mal wieder meinen lärmgeplagten Ohren Entspannung geben, ein Zelt im Moor aufschlagen, die Augen weit nach hinten nichts als Wollgras und junge Birken und sonst nur das markante Brummen der fetten Erdhummeln. Kein Schritt in die Dunstglocke der nächsten Stadt, um provisorisch aus der Bücherei den Inhalt des Notizbuches in Blogeinträge zu verwandeln, sondern einfach nur Ruhe. Ich freue mich schon auf die große große Langeweile…

Der Nachtwächter

Der Schlaf

Der Schlaf ist ein Zustand, in welchem ich nichts von der äußeren Welt wissen will, mein Interesse von ihr abgezogen habe. Ich versetze mich in den Schlaf, indem ich mich von ihr zurückziehe und ihre Reize von mir abhalte. Ich schlafe auch ein, wenn ich von ihr ermüdet bin. Beim Einschlafen sage ich also zur Außenwelt: Laß mich in Ruhe, denn ich will schlafen.

Sigmund Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Sonderausgabe Januar 1992, fünfte Vorlesung, Seite 84

Was sich seit Freuds Zeiten geändert hat: Inzwischen ziehen die Menschen kontinuierlich ihr Interesse von der Außenwelt ab und wenden sich den Reizen einer synthetischen, zentral ausgelieferten Ersatzwelt des massenmedialen Erlebens zu.

In gewisser Weise befinden sich die Menschen auch in einem Schlaf, aber dieser unterscheidet sich vom eigentlichen Schlaf darin, dass das Schlaferleben nicht den individuellen psychischen Zustand widerspiegelt, sondern die mechanisch-massenhaft gestanzten Schablonen der derzeitigen politischen Propaganda und der Ideologie des Konsumismus. Da diese synthetischen Träume den Menschen gemeinsames Erleben sind, über das sie sich austauschen können, ist die Neigung groß, verbreitet und verheerend, dieses gemeinsame Erleben mit der Wirklichkeit der äußeren Welt zu verwechseln. Auf diese Weise erhält die Unwirklichkeit dieser industriell gefertigten Ersatzträume Wirksamkeit; dies gilt sowohl für die sexuelle Aktivität und Attraktivität und zwischenmenschliche Anerkennung verheißenden Traumbilder aus dem teuflischen Evangelium des Konsumismus als auch für die Albtraumbilder, über deren vermittelten Angstaffekte die Menschen zurzeit gefügig gemacht werden sollen, damit sie die allgemeine Entrechtung und den Rückbau elementarer Menschenrechte widerstandslos hinnehmen.

Ein erster Schritt gegen diese mechanische Entfremdung von der Wirklichkeit des eigenen Lebens ist der völlige Verzicht auf diese vorgefertigten Schablonen der Content-Industrie. Nur, wenn Menschen wieder damit beginnen, sich auf ihre eigenen Träume zu besinnen, können sie sich im Wachzustand für ihre eigenen Interessen einsetzen. Mach die Glotze aus und hüpf ins Leben!

Gruß an O.H.

Dicke Irrelevanz

Der Fühlende und Denkende hätte vielleicht viel mehr Vertrauen in die täglichen Hervorbringungen der Journaille, wenn die Zeitungen in Zeiten, in denen nicht viel Berichtenswertes geschieht, dünner würden. Tatsächlich aber werden im so genannten „Sommerloch“ aus den Sedimenten der Informationskloaken die typischen Sommerthemen ausgegraben; Nessie und Sas-Quatsch, UFOs und allerlei Aliens gesellen sich zu Politdarstellern aus der zweiten Reihe und abgehalfterten Stars der Content-Industrie, gekrönt von den ganz seltsamen Nachrichten . In dieser konstant gehaltenen Informationsmenge auf Kosten der Relevanz der Informationen spiegelt sich treffend wider, dass die gleich bleibende Quantität des Mitgeteilten zu einem Selbstzweck oder zu einem Fetisch geworden ist. Und zwar. Auf Kosten der Qualtität des Mitgeteilten.

Der Standpunkt

Es ist fast schon geometrisch: Wenn der Horizont eines Menschen ein entarteter Kreis mit einem Radius von Null ist, denn ist ein Standpunkt entstanden.

Windows

Das Betriebssystem Windows erinnert beim gelegentlichen Umgang damit an einen Haufen Hundekot, der an einem klirrend kalten Wintertag auf dem Weg herumliegt. So lange dieser Haufen draußen liegt, wirkt er stabil. Aber so bald man sich diesen gefrorenen Köttel in die Wohnung holt, um sich näher damit zu beschäftigen, wird er weich und er beginnt sehr schnell damit, einem zu stinken.

Der Sommer

Er sagte: „Der Sommer ist doch nur drei Minuten und ein bisschen.“

Er meinte damit zwar den Sommer (presto) aus Vivaldis Vier Jahreszeiten, aber es passte auch ohne diesen Kontext.

Zeit im Spiegel der Zeit

Je mehr sich im Alltag der Menschen von dem allen verwirklicht, was einst als leuchtende Vision der Zukunft gepriesen wurde, desto beschissener wird die Gegenwart.

Von den Medien informiert werden

Zeitgenosse: Wenn du gar keine Medien benutzt, wie kannst du denn informiert sein?

Nachtwächter: Es ist nicht so, dass ich gar keine Medien benutze. Ich benutze nur nicht die zentral organisierten Massenmedien, um mich aus ihnen zu informieren. Glaubst du wirklich, dass du informierter bist, Bruder?

Zeitgenosse: Aber ja, ich höre jeden Tag die Nachrichten?

Nachtwächter: Und nach denen richtest du dich, ist schon klar! Weißt du noch, welches politische Thema letztes Jahr im Sommer die größte mediale Aufmerksamkeit hatte?

Zeitgenosse: Nein, aber das wird doch jetzt auch nicht mehr aktuell sein und ist damit unwichtig.

Nachtwächter: Gut, denn sage ich es dir, Bruder. Es war das Thema „Feinstaub“, und das ist in diesem Jahr genau so aktuell wie im letzten Jahr, da sich an der Situation gar nichts verändert hat. Es ist nur nicht mehr aktuell in den zentral organisierten Massenmedien, sehr wohl aber ists aktuell in den ungezählten Lungen derer, die an Krebs erkranken oder unter Asthma leiden. Das Thema wurde im letzten Jahr benutzt, um die politische Show aufzuführen, die unter den Bedingungen der zentral organisierten Massenmedien zum Ersatz für das politische Ringen um eine menschengerechte Gesellschaft geworden ist. Wer sich seine Informationen nicht selbst — und zwar am Maßstab der ganz persönlichen Wichtigkeit — auswählt, der lehnt sich zu leicht im heiteren Infotainment zurück, verwechselt eine tägliche Show der Content-Industrie mit der leider sehr wirksamen Wirklichkeit und fühlt sich dabei informiert und politisch, während er entpolitisiert wird. Die zentral organisierten Massenmedien sind ein nützlich gemachtes Vehikel zur Entpolitisierung der Massen.

Zeitgenosse: Aber die Presse ist doch nicht zentral organisiert, es gibt so viele voneinander unabhängige Zeitungen.

Nachtwächter: Aber wenn du genau hinschaust und des Öfteren verschiedene Zeitschriften miteinander vergleichst, wirst du feststellen, dass die Themenwahl identisch ist, ja, das oft sogar die Texte der Artikel übereinstimmen. Das liegt daran, dass klassischer Journalismus kaum noch Platz im hastigen Betrieb um quicke news hat, und so werden die Meldungen einiger weniger, großer Agenturen direkt in die Presseerzeugnisse übernommen. Unter diesen Bedingungen ist in einer an sich dezentralen Situation wiederum eine zentral organisierte Struktur entstanden; die scheinbare Vielfalt entpuppt sich beim Hinschauen als Einfalt.

Zeitgenosse: Aber gibt es in den Massenmedien gar nichts Interessantes für dich zu lesen? Gibt es gar keine Information darin, die für dein Leben wichtig und bedeutsam ist, die dich zum Nachdenken und zum Handeln bringt?

Nachtwächter: Doch, genau eine. Der Wetterbericht. 😉

Mit fröhlichen Grüßen an C.K.

Zu glauben, dass die herrschende Schicht eines Staates Interesse daran haben könnte, dass eine aufgeklärte Bevölkerung Einfluss auf die Ausübung der Herrschaft nimmt und dabei ihre eigensten Interessen vertritt, das ist genau so, als würde man es für möglich halten, dass ein Drogendealer Interesse daran hat, dass seine Kunden die Sucht überwinden.

Kreationismus

Der Fühlende und Denkende nimmt den so genannten „Kreationimus“ ernst, statt ihn nur plump zu verspotten und sich mit der daraus erhüpften Befriedigung zu begnügen. Diese extremistisch fundamentalistische Haltung mit ihrer teuer und aufwändig gepflegten Scheinwissenschaft und ihrem großen gesellschaftlichen Sendungsbewusstsein ist nicht anders als andere moderne Formen der Irrationalität und auch keinen Deut weniger gefährlich. Der Fühlende und Denkende weiß genau, wie groß die Bequemlichkeit vieler Hirnträger ist; und er weiß auch, dass der Weg zum Glauben mühelos und leicht zu beschreiten ist, während der Weg zum Wissen steinig und voller Anstrengung ist. Deshalb sinds auch so viele, die gemeinsam und im fröhlichen Sang den allzu einfachen Weg zum unreflektierten Glauben beschreiten, während die Wandelnden auf dem Weg des Wissens recht einsam und oft mit ungewissem Ziel die Mühsal überwinden müssen. (vergl. Mt. 7, 13-14)

Der Fühlende und Denkende fragt nach dem Gottesbild, dass sich in dieser allzu leicht zum Glauben bereiten und damit etwas leichtgläubigen Form der fundamentalistischen Religion spiegelt. Er erwartet vom Kreationisten keine befriedigende Antwort, ja, er erwartet nicht einmal, dass die Frage verstanden wird; er fragt für sich selbst in jener Selbstverantwortung, die er für sein mühsames und verletzliches Leben erwählt hat und die ihm deutlich über jene verantwortungslose, alles zu wissen glaubende und damit unverletzliche Haltung hinaus hebt, die von unverschämter Bescheidenheit und unangemessener Infantilität ist. Die wohl gebahnten Sackgassen für Gegner vermeidet er, so gut es geht.

So fragt er angstfrei und in aller Ruhe, fern des affektierten Gezänks medialer Propaganda: Nehmen wir einmal an, es gäbe einen allmächtigen Gott, der diese ganze Schöpfung von sechs Jahrtausenden mit seinem kraftvollen Arm und seinem wirkmächtigen Wort hervorgebracht hätte, so wie es der Fundamentalist glaubt. Es wäre für diesen Gott ja keine Schwierigkeit, der ganzen Schöpfung die Spuren von Jahrmilliarden aufzuprägen, eben so leicht könnte er Spuren einer in Wirklichkeit niemals statt gefundenen Evolution auf dem ganzen Planeten Erde verteilen, so dass wir Menschen alles so vorfinden, wie wir es eben vorfinden. Die Gründe dafür bleiben den Menschen freilich verschlossen, sind Gottes Gedanken doch nicht unsere Gedanken. (vergl. Jes. 55,8)

Und nehmen wir fernerhin an, auch die grundsätzliche Befähigung der Menschen zum denkenden Verstehen wäre ein Teil der Schöpfung Gottes, vielleicht sogar das göttlichste an ihm, der doch zum Bilde Gottes geschaffen sein soll. (vergl. 1. Ms. 1,27)

Denn hätte Gott folglich in aller Hinterhältigkeit die Schöpfung so beschaffen, dass die Menschen Gott verfehlen müssten. Die gesamte Schöpfung ist — nach dem Glauben jener Fundamentalisten, die sich „Kreationisten“ nennen — von Gott als eine große Falle für die Menschen aufgebaut, damit diese Gott verfehlen. Nur, wer mit allen Mitteln seinen Verstand tötet — was haben die gleichen Fundamentalisten eigentlich gegen Drogen? — ist imstande, in einer wörtlich verstandenen Textüberlieferung Gott zu erkennen; wer hingegen bewusst und verantwortungsvoll so lebt, wie Gott ihn geschaffen hat, soll zum ewig leidenden Holzscheit für das höllische Feuer werden?

Gott stellt sich in diesem Bild der Fundamentalisten als ein mächtiger und gewalttätiger Feind der Menschen dar. Der Angstcharakter der christlichen Religion wird in diesem — zurzeit sehr erfolgreichen — Auswuchs wie in einem Zerrspiegel vergrößert und damit deutlich gemacht; ebenso deutlich wird die unheilige Grundhaltung der Identifikation mit dem Gewalttäter, die schon so viel verantwortungslos ausgeübte Gewalt in das Leben der Menschen hineingetragen hat.

Der Denkende und Fühlende glaubt aber nicht einen Moment lang, dass es sich um eine Aussage über Gott handelt. Er glaubt viel mehr, dass es eine Mitteilung des psychischen Zustandes derer ist, die so glauben — und deshalb wird er ihnen gegenüber auch sehr vorsichtig. Er versteht auf diesen Hintergrund die anderen Widersprüche fundamentalistischer Christen besser; etwa die Tatsache, dass man eben so deutlich gegen jede Abtreibung ist, wie man mit großer Selbstverständlichkeit für die Durchführung der barbarischen Todesstrafe ist. Er nimmt auch wahr, dass die großen christlichen „Kirchen“ keine klar und laut vernehmbare Stellung gegen den Kreationismus beziehen, sondern sich im Opportunismus obsoleter Organisationen auch dieses Türchen für eine eventuelle spätere Wiedererlangung gesellschaftlicher Macht offen halten — und deshalb weiß er auch, was er von diesen Vereinen zu halten hat.

Weh euch, ihr Vertreter des religiösen Etablissments. Ihr Heuchler! Ihr verschließt das Himmelreich vor den Menschen. Ihr selbst geht nicht hinein, und die hinein wollen, die lasst ihr nicht hinein gehen“ (nach Jesus aus Nazaret, siehe Mt. 23,13)

Über die soziale Schere

So lange der Luxus nur bei den Großen herrscht, so lange wird die Gier alle Herzen beherrschen.

Jean-Jacques Rousseau

Verwechslung

Recht viele, vor allem jüngere Menschen scheinen Lässigkeit und Nachlässigkeit miteinander zu verwechseln.