Archive for September, 2011
Ewige Erinnerung? Ein im flugs abgeworfener Kranz neben der vorbeirauschenden Straße, ein paar wehrlose, frechrote Blütenköpfe in den Herbst. In die verkürzte Sonne, in die erbrauenden Blätter, mit Schleiflein vom DGB. Und kein Mensch. Die Menschen sind auf der anderen Seite, am Nordufer des Maschsees beim „Willen zum Aufbau“ als frühen Vorläufer des heutigen „Sozial ist, was Arbeit schafft“ und des heutigen Hartz-IV-Staates. Dort gibts ja auch Attraktives, dort gibts Tretboote, Pommes und Bratwurst. Der ranzige Duft des Öles aus dem Schnellimbiss beißt auch auf dem Friedhof noch in die Nase.
Europa ist eine wunderbare Idee, nur sind die Völker längst nicht so weit. Sie werden eifersüchtig in die Töpfe der Nachbarn sehen und sich übervorteilt fühlen. Aus einem Europa befreundeter Staaten wird eine zänkische, mißgünstige Großfamilie werden.
Victor von Bülow (bekannt als Loriot)
Wenn ein Landesvorsitzender der FDP nach einem für seine Partei wirklich bitteren Wahlabend allen Ernstes vor den Kameras und Mikrofonen der Journaille davon sprechen kann, dass der Markenkern der FDP beschädigt sei, ohne dass diese Wortwahl bei einem Anwesenden für sichtbare Erheiterung, Verwunderung, geschweige denn für Entsetzen sorgen würde, dann zeigt sich deutlich, dass alle Beteiligten an diesem Theater ganz genau wissen, dass politische Produkte mit den gleichen verlogenen und manipulativen Methoden der Reklame an die Menschen gebracht werden sollen wie etwa eine Marke Hundefutter, deren objektiver Gehalt auch nicht anders ist als die gleichen Fleisch- und Gemüseabfälle in einer anders bestempelten Verpackung. Vermutlich sitzen schon jetzt die Lugarbeiter aus der PR zusammen und analysieren den mit vergleichsweise lächerlichen Kosten verbundenen Auftritt der so erfolgreichen Piratenpartei, um das darin transportierte image bei den nächsten Wahlen mit ihren Werbelügen so gut wie möglich nachzuahmen.
Viele Menschen wollen wieder von normalen Menschen in der Politik vertreten werden — und nicht von PR-Profis.
Der Vorübergehende kam an einem Auto vorbei. Auf dem Heck, nur wenige Zentimeter oberhalb des Auspuffs, war rot und gelb und frech der Aufkleber geklebt, „Atomkraft nein danke“. Und der Vorübergehende sagte zu seinem Begleiter: So sehen Egoismus und Dummheit aus, wenn sie sich in einem Menschen vereinigen.
Dem Begleiter freilich. Fiel es dann zum ersten Male auf, an wievielen Autos diese realsatirische Verzierung angebracht ist.
Was für ein schöner und lichtvoller Ort doch die Erde sein könnte, wenn es nur keine Religion gäbe.
Nachtrag: Mir wurde eben (24. September 2011) mitgeteilt, dass der „Fehler“ inzwischen behoben ist und dass man die so genannten „Datenverwendungsrichtlinien“ jetzt auch einsehen kann, bevor man sich registriert. Ich habe mir das angeschaut, und die hier in Screenshots dokumentierte Verachtung der Menschen mit Interesse am Datenschutz ist inzwischen wirklich behoben. Das ändert freilich nichts daran, dass der vorherige Zustand eine Unverschämtheit war.
So sieht es aus, wenn man sich bei Facebook registrieren will:
Hieran „entzückt“ nicht nur die Formulierung, dass man Facebook beitreten soll, um sich mit seinen Freunden zu verbinden — ganz so, als wäre man mit Freunden nicht schon irgendwie verbunden. Es ist bei der Anmeldung auch erforderlich, dass ein Geburtstag angegeben wird. Nun ist so ein echter Name zusammen mit einem Geburtstag genug, um schon sehr viele Menschen eindeutig zu identifizieren, da ist es doch um so erfreulicher, dass sich zu dieser Eingabe ein Link „Warum muss ich meinen Geburtstag angeben“ befindet.
Klickt man auf diesen Link, so wird ein Layer mit der folgenden Erklärung eingeblendet:
Aha, es geht also um die „Authentizität der Seite“ — also Bullshit. Und um den Zugang zu altersgerechten Inhalten — also um Jugendschutz in einer imaginären Welt, in der ein intellektuell normal ausgestatteter Jugendlicher niemals auf die Idee käme, sich für Facebook mit einem nicht ganz wahrheitsgemäßen Klick in der Jahresauswahl erwachsen zu machen, also noch einmal Bullshit. Was hinter diesem recht offenkundigen Bullshit in Wirklichkeit steht, würde sich vielleicht beim Klick auf den Link „Facebook-Datenschutzrichtlinien“ klären.
Aber dieser Klick bringt folgende Seite zutage:
Eine Realsatire, die völlig klar macht, wie sehr Facebook die Menschen verachet.
Es wird die Zeit kommen, wo es als Schande gilt, krank zu sein, wo man Krankheiten als Wirkung verkehrter Gedanken erkennen wird.
Wilhelm von Humboldt (1767-1835)
Hinzu kam, dass Herr Yamashita am 19. März in Fukushima erklärte, es sei alles Bestens und es bestünde keine Gefahr für die Kinder. Er hat dies allen Ernstes damit begründet, dass nur Menschen, die unglücklich sind und zu wenig lachen, von Radioaktivität bedroht seien und dass selbst Strahlendosen von 100 Mikrosievert pro Stunde hinnehmbar wären.
Seiichi Nakate im Telepolis-Interview
Der gegenwärtige Bullshit erblüht auf einem Boden, der vom älteren Bullshit gedüngt wurde.
Der im Strome Treibende hat mir so aufgewühlt und angeekelt über die schrecklichen Zustände in der kommerziellen Haltung von Puten zur Fleischgewinnung erzählt, die er jetzt eben erst ganz frisch im Fernsehen gesehen hat, dass ich beinahe glauben musste, er hätte vorher…
…allen Ernstes an das märchenhafte bäuerliche Idyll geglaubt, das ihm die Werbung auf der Fleischpackung, auf jeder Fleischpackung erzählte.
Und morgen schaut der im Strome Treibende einen anderen Sender, sieht im Strom der Bilder andere Schrecken und ekle Zustände und vergisst die so flüchtige Nachricht von heute. Ja, dann isst er auch wieder seine Putenwurst, lecker lecker, bevor er aufgewühlt und empört über die anderen schrecklichen Zustände berichtet, die ihm berichtet wurden.
Denn er ist ja der im Strome Treibende.