„Wo mir diese penetrante Fröhlichkeit der gefühlsunfähig gemachten Menschen begegnet“, sagte der Vorübergehende zu seinem Mitmenschen, „da sehe ich zu, dass ich schnell wegkomme. Wo der Geist frisch gezapft oder aus Flaschen eingeschenkt wird, während die immergleiche Musik Gehirne in den Gleichtakt bringt, nur von dumpfesten Witzen unterbrochen, da ist die Gewalt niemals fern“.
Archive for Mai, 2023
Sozialpädagogen und Ideologen haben in der Kultur nichts zu suchen. Sie hören auf Stellen, sie hören nicht das Lied; sie sind in dieser Haltung mit dem Zensor verbrüdert, der immer noch jedes tiefere Empfinden erstickt hat, bevor es auch nur nach Luft schnappen konnte.
Was man unter Journalisten und Politikern, wenn es nach journalistischer Verstärkung bei einem nennenswerten Anteil der Gesellschaft auftritt, als eine „öffentliche Meinung“ bezeichnet, das bezeichnet man als „Vorurteil“, „Verschwörungsmythos“, „gefährlichen Extremismus“ oder „Wahnsinn“, wenn es in Minderheiten oder bei Einzelnen auftritt, ganz egal, wie gut und verständlich nachvollziehbar es auch begründet sein mag.
Geistlose kann man nicht begeistern, aber fanatisieren kann man sie.
Marie von Ebner-Eschenbach, Schriften. Bd. 1, Berlin: Paetel. 1893, S. 9
Die Sonne scheint, und die Finsternis bleibt.
„Ich werde mir angewöhnen, den Namen des gegenwärtigen Verkehrsministers, Volker Wissing, abzukürzen“, sagte der Vorübergehende zum Wähler, „damit ich immer sagen und schreiben kann: Die Verkehrspolitik in der Bundesrepublik Deutschland wird von V.W. gestaltet“.
„Ja, Adorno hatte recht, es gibt kein richtiges Leben im falschen“, sagte der Vorübergehende zum Widerkäuer des Überzeugungs- und Werteapparates seiner sozialen Bezugsgruppe, „aber er hat dabei eines völlig übersehen: Es gibt noch nicht einmal ein richtiges Denken im falschen Leben. Vermutlich hätte ihn diese Einsicht von zu vielen Privilegien und Pfründen abgetrennt, und deshalb kam sie nicht hervor“.
„Das Pack, das in allen journalistischen Medien bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Gewerkschaften ermahnt, es mit den Lohnforderungen ja nicht zu übertreiben“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „sich dann aber in allen journalistischen Medien wortreich darüber beklagt, dass wegen der einbrechenden Binnennachfrage eine Rezession ins Haus steht, wenn hier nicht bald ein bisschen ‚Kauflaune‘ aufkommt, das ist genau das dumme, gierige, menschenverachtende und asoziale Pack, das hier weg muss — und zwar zusammen mit dem widerlichen Schergen von Journalisten, der diesem Pack seine schmerzendlaut verstärkte, überall widerhallende Stimme gibt, in der jede andere Stimme unhörbar werden soll“.
„Um einen Staat wie die Bundesrepublik Deutschland beurteilen zu können“, sagte der Vorübergehende zu seinem vom Journalismus verblendeten Zeitgenossen, „muss man sich Schulen, Gefängnisse, Kinderheime, Altersheime, Obdachlosenunterkünfte, Psychiatrien und vergleichbare Unorte des unfreiwilligen Aufenthaltes lange genug von innen anschauen. Da zeigt sich so deutlich, wie das gewünschte Bild des Staates und die verdrängte Wirklich- und Wirksamkeit des Staates auseinanderfallen, dass man es nie wieder vergisst. Journalisten schauen sich aber lieber Politiker, Sportler, Unternehmer und reiche Menschen an“.
„Früher gab es ganz einfache Regeln, nach denen die meisten Menschen geurteilt und gehandelt haben“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „aber jetzt ist es zum Glück ein bisschen komplizierter geworden“.
So groß ist der Unterschied gar nicht, der Unterschied zwischen einem Ouija-Brett, dessen hervorgebrachte Buchstabenfolge von den unwillkürlich planchetteschiebenden Teilnehmern einer Séance für die Mitteilung eines fremden Bewusstseins gehalten wird, und einem neuronalen Netz, dessen Ausgabe von den Nutzern für die Mitteilung einer „Künstlichen Intelligenz“ gehalten wird. Es ist beides genau die gleiche Illusion im Gespräch mit unsichtbaren Wesenheiten, beides genau die gleiche dumme psychische Tätigkeit in der Deutung einer Wahrnehmung, beides genau das gleiche Unwissen über die Wirklichkeit, in deren Fäden diese beiden Erscheinungen hervorgebracht werden. Der Glaube an die so genannte „Künstliche Intelligenz“ ist in den allermeisten Fällen kein Bewusstsein über neue technische Möglichkeiten, sondern eine im Dünger des digitalen Analphabetismus erblühende Technikesoterik, am lautesten beworben von ausgerechnet denen, die regelmäßig das geringste technische und wissenschaftliche Verständnis haben: Von Journalisten.
Nachdem wir so lange die Menschen waren, vor denen uns unsere Eltern immer gewarnt haben, sind wir endlich zu den Menschen geworden, vor denen unsere Kinder immer warnen.