Archive for Juni, 2017


Eine Geburt der Psyche

Die gesamte Selbstgewissheit der Classe politique ist — ebenso wie die Tatsache, dass es sich um eine skurrile Parallelgesellschaft handelt, deren Blick auf gesellschaftliche Prozesse verzerrt und zuweilen gar ohne jeden Realitätsbezug und damit jenseits jedes Zweifels wahnhaft ist — das Ergebnis einer Kontrollillusion. Und das, was diese Menschen mit ihrem Realitätsverlust in Herrschaftspositionen belässt, ist die Kontrollillusion, der die Wahlberechtigten unterliegen. Es ist keine Demokratie, es ist eine Psychokratie, eine kollektive Psychopathie.

Diese „Ehe für alle“ gefiele mir viel besser, wenn ich mich — mit allen steuerlichen Vorteilen und Möglichkeiten — einfach selbst heiraten könnte. Das Beste daran: Die eheliche Treue und das angenehme Miteinander im Alltage wären niemals in Gefahr, meine gemeinsame Zeit mit mir selbst frei von jeglicher Heuchelei und Lüge und an das erfüllende und beglückende Sexualleben mit meiner linken und meiner rechten Hand habe ich mich in den letzten 35 Jahren schon sehr gewöhnt, ohne dass es seinen Reiz verloren hätte.

Wie man es übersteht…

Wie man es schaffe, in einer Welt voller dummer Idioten zu überleben, ohne selbst vollständig zu verblöden, wurde der Vorübergehende gefragt, und er antwortete: „Mit einer Halbe-halbe-Mischung aus stoischer Gelassenheit und einem Humor, der für dem Geschmack der Empörungsbereiten ein bisschen stark mit Zynismus gewürzt ist, aber dabei niemals die Menschen verachtet, sondern nur ihre so genannten ‚Werte‘. Aber es bleibt dabei ein Fluchtgepäck, eine Last beim Vorübergehen. Wo Zynismus benötigt wird, den Humor zu bewahren, ist der Geist in Bedrängnis“.

Bedrohlich und bedenklich

Die jeweilige Situation wird medial-journalistisch stets als bedrohlich (also die psychische Deutung der Angst und Machtlosigkeit anreizend) und nicht als bedenklich (also die Verstandesfunktionen anreizend) dargestellt, denn Menschen, die sich bedroht fühlen, reagieren mit ihrem psychischen Affenprogramm, als müssten sie vorm Tiger fliehen — und sind dementsprechend anfällig für alle Richtungsweisung und für jedes Angebot, dass ihnen das starke Unlustgefühl ihrer Angst zu nehmen verspricht. Würde die jeweilge Situation als bedenklich dargestellt, also als etwas, was von jedem betroffenen Menschen bedacht werden muss, um eine reflektierte, bewusste und selbstverantwortliche Entscheidung zu treffen, dann würden viel häufiger viel mehr Menschen ihre Entscheidungen nicht mit der Psyche, sondern mit ihren vernünftigeren und einem durch die Zivilisation deutlich gesicherterem Leben angemesseneren Geistesfunktionen treffen. Ein Mensch, der seine Entscheidungen bedenkt, statt sie aus bestenfalls vorbewussten und kaum noch verbalisierbaren Regungen zu treffen, ist freilich eine schlechte „Zielgruppe“ im Sinne der intelligenzverachtenden Sprache der Werber; und der Transport von Reklame ist leider das eigentliche und einzige Geschäftsmodell der Contentindustrie, so dass in den Produkten der Contentindustrie aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen ein für den Reklametransport passendes Umfeld geschaffen werden muss. Der medial-journalistische Apparat der Contentindustrie ist Hauptbefeuerer der mörderischen Irrationalität in den gegenwärtigen Gesellschaften, er hat darin die Religion der mittelalterlichen Gesellschaften beerbt. Da nimmt es nicht Wunders, dass diese übernommene Rolle bedrohlicher- und bedenklicherweise mit dem gleichen Absolutheits- und Wahrheitsanspruch eingenommen wird.

Urban

Stillleben aus Bauzaun mit Graffiti und Müll am Ihmezentrum in Hannover-Linden

Emotionskriminalisierung

Als der Vorübergehende im Vorübergehen die Worte „Die Polizei ist in mehreren Bundesländern gegen Hasskriminalität im Netz vorgegangen“ aus dem Staatsfernsehempfänger vernahm¹, dachte er sich: „Das klingt ja schon wie Gedankenverbrechen, die von der Polizei verfolgt werden“. Und dann fragte er sich mit getrübter Heiterkeit und mit aufkommenden… ja… Hass, wie wohl die Reden des werten Herrn Justizministers und die PResseerklärungen der Polizei im nächsten oder übernächsten Jahre klingen mögen und formulierte in sein in Kürze schon illegal werdendes Notizbuch: „Das unvermindert hohe Aufkommen rechtswidrigen Gedankengutes fordert weiterhin zu entschiedenem staatlichen Handeln auf. Unsere freie, demokratische Gesellschaft darf sich ein Klima von Angst, Bedrohung, rechtswidriger Hetze und Gewalt weder auf der Straße noch in den Gedanken der Menschen gefallen lassen. Der Kopf darf kein rechtsfreier Raum sein. Polizei und Justiz gehen daher heute erneut entschlossen und gemeinsam gegen Gedankenverbrecher vor, ganz gleich, ob die dahinter stehenden Gedanken links, rechts oder sonstig motiviert waren. Die Ausweitung des letztjährigen Aktionstages gegen Hassverbrechen auf Gedankenverbrechen begrüße ich. Die Bekämpfung der Wurzeln von Hass und Hetze in den Gedanken ist eine große, gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich niemand entziehen darf. Nahezu jeder kann als Helfer der Gedankenpolizei einen Beitrag dazu leisten. Unterstützen Sie die Bekämpfung rechtswidriger Gedanken und Emotionen, indem Sie ihren Verdacht auf einer Gedankenwache der Polizei mitteilen. Die Dringlichkeit und die Aufforderung an die Politik, das gegenwärtig sehr erfolgreiche Verfahren auf weitere gesellschaftsschädliche Emotionen auszuweiten, sei hier allerdings noch einmal in aller Deutlichkeit betont“.

¹Dauerhaft archivierte Version der Quelle gegen die von Presseverlegern lobbyistisch durchgesetzte Depublizierung von Inhalten des BRD-Staatsfernsehens.

Gesternwurzel

Das Wissen, Verstehen und Können von heute besteht aus den Irrtümern von gestern, die überprüft, verworfen und neu geformt wurden, um besser zur beobachteten Wirklichkeit zu passen. Die Dummheit von heute besteht darin, die Irrtümer von gestern unter Ausblendung widersprechender Beobachtungen für eine „Wahrheit“ zu halten und zu wiederholen — oder gar: sie anderen Menschen mit Gewalt aufzuzwingen. Die heute für jeden Menschen erforderliche Weisheit besteht darin, die wissende, verstehende und könnende Haltung sicher von der dummen unterscheiden zu können, ohne in die Falle eigener Vorurteile zu fallen. Noch niemand hat Wahres gesprochen, ohne das Bestehende in Frage zu stellen, aber viele sprachen in dieser Haltung Falsches.

Bildungsangebot

Zufälliges Baustellen-Stillleben mit Bücherschrank und Bauwagen im Beton beim Ihmezentrum in Hannover-Linden

Obszön

Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist obszön, sondern das eines Generals in vollem Wichs, der seine in einem Aggressionskrieg verdienten Orden zur Schau stellt

Herbert Marcuse

Alltag

„Alltag“, sagte der Vorübergehende zu seinem von Arbeit gebeugten Zeitgenossen, „ist die Bezeichnung für alle diese scheußlichen Tage, an denen das Drängende und Dringende über das Werte und Wichtige obsiegt. Wohl dem, der nicht nur Alltag hat“.

„Coffee to go“ war gestern…

Kiosk in der Kochstraße in Hannover Linden mit Werbung: Herrenhäuser (hannöversche Biermarke) frisch gezapft & to go

Gewerkschaften

Die Gewerkschaften in der BRD wären viel erfreulicher, wenn sie die Interessen der Arbeitenden verträten und nicht die Interessen der rechtspopulistischen SPD und ihrer kryptokratisch-lobbyistischen Parteiführung durch Korruption. Gewerkschaften, mit denen Lohndumping-Regelungen wie Hartz IV und Ein-Euro-Jobs und die flächendeckende Einführung der als „Zeitarbeit“ verlarvten modernen Sklaverei nebst scheibchenweiser Abschaffung des Sozialversicherungsprinzips in Renten- und Krankenversicherung möglich waren, ohne dass es in den letzten rd. anderthalb Jahrzehnten auch nur einmal zu einem spür- und nennenswerten Widerstand gekommen wäre, der diese politischen Gestaltungsideen in dieser Form politisch unmöglich gemacht hätte, sind nicht wohlorganisierte Interessensverbände und Freunde der Arbeitenden, sondern Unterdrückungsverbände und Feinde der Arbeitenden — und darüber hinaus wirk- und würgsame Feinde des größeren Teils der Menschen in der BRD.