Archive for November, 2007


Innere Lichtlosigkeit

Die Haltung, dass man ausschließlich alles bislang Erlebte und alles Seiende zum Maßstab der Lebensmöglichkeit macht, führt zu einer Verfinsterung des Geistes. Ein Mensch, der niemals etwas anderes als die Dunkelheit erlebt hat, wird sich niemals nach dem Licht umschauen. Er wird es nicht einmal vermissen.

Friedensgespräche in Nahost

Das geradezu monotone Ritual von „Friedensgesprächen“ im Nahen Osten erinnert an Feuerwehr-Übungen. Von. Brandstiftern.

Iss farbenfroh

Was wäre unser aller Leben doch nur ohne die Werber, die sich immer wieder etwas „Neues“ ausdenken, das wir dann alle zu unserem Leben hinzufügen sollen. (Auch für das älteste Produkt denken die sich beständig etwas „Neues“ aus, und wenn es nur „verbessert“ wurde.) Wahrscheinlich wäre unser aller Leben etwas entspannter, weil wir nicht allerorts von Werbung angeplärrt würden und deshalb mehr Zeit fänden, uns auf das zu besinnen, was wir wirklich und gern tun wollen. Aber so ist unser Leben nun einmal nicht, es gibt Werbung und die liefert uns immer wieder die gleichen alten Produkte, die uns mit den neuen Gehirnwäsche-Ideen der Werber angedreht werden.

Tütensuppe ist etwa so ein altes Produkt. An sich ist eine Tütensuppe ein Inbegriff des wertlosen, industriell erstellten junk food; eine völlig denaturierte Nahrung, die man beim besten Willen nicht mehr „Lebensmittel“ nennen mag. Damit Menschen so eine Tütensuppe überhaupt runter kriegen, müssen hoch bezahlte Food-Ingenieure ganze Arbeit leisten, um mit geeigneter chemischer Behandlung der Inhaltsstoffe und mit reichlichem Zusatz diverser Geschmacksstoffe einen sinnlichen Eindruck zu erwecken, welcher der wirklichen „Qualität“ dieses Fraßes widerspricht.

Solche wertfreien Produkte sind das richtige Schlachtfeld für einen Werber in seinem steten Kampf gegen den Verstand. Da können sie sich austoben, die Werber, um den verschiedenen Marken, deren Inhalt gar nicht so verschieden ist, doch wenigstens noch unterschiedliche images zu verpassen. Diese sorgen dann für affektmächtige Eindrücke, die wiederum zum Kauf und anschließend beim Verzehr zur Einbildung eines Genusses führen. Die Werbung für Tütensuppen ist auch meist recht blumig und aufwändig, sie zeigt gern die Ekstase des Genusses, der ohne Mühe zu erlangen ist.

Knorr Iss farbenfroh Suppen, versch. Sorten, jede Packung 1,19Die neueste, kranke Idee der Werber in der Anpreisung einer Tütensuppe heißt jetzt offenbar „Iss farbenfroh“. Wo man im Einerlei der gebieterischen Wirklichkeit mit den geschmacklichen Reizen nicht mehr recht werben kann, da muss doch wenigstens ein bisschen Farbe auf den Teller — gut, dass es auch bewährte Farbstoffe gibt, die ungiftig sind.

Aber der Fühlende und Denkende sieht angesichts dieses Hirnpfluges nur eine Farbe vor Augen, und die ist braun. Und er fragt sich leise, ob das braune Verdauungsendprodukt nicht eine ähnliche Eignung als Nahrungsmittel hätte, wenn man sich mit der geeigneten Technik seiner annähme. Dass die verlogene, einseitige und dumme Kommunikationsform der Werbung Scheiße ist, das weiß er hingegen schon lange. Dafür brauchte er ja nur hinzuschauen.

Quelle des Scans ist eine aktuelle Postwurfsendung von real.

Gehackter Klimawandel

Die Klimawandel-Website von Al Gore ist einer Meldung von „The Register“ zu Folge gehackt worden. Angesichts der Tatsache, dass dort eine WordPress-Version 2.0.4 installiert ist, die gut anderthalb Jahre alt ist und etliche bekannte und gut ausnutzbare Sicherheitslücken hat, ist eine solche Meldung auch nicht weiter überraschend. Nur die Tatsache, dass der Angriff erst jetzt erfolgt ist, verwundert ein bisschen. Wenn ich einen Angriff auf die Site durchgeführt hätte, denn hätte ich mich eines solchen Scheunentores bedient.

Überraschend ist aber immer wieder das Gleiche. Nämlich. Wie viele Menschen, Firmen und Organisationen der Meinung sind, dass man alle Meldungen über Sicherheitsprobleme in den Wind schlagen kann, und dass man auch getrost das Geld sparen kann, das als Lohn dafür ausgegeben werden müsste, wenn sich fachkundige Menschen um die erforderliche, ständige Pflege einer Website kümmern würden. Und. Belustigend finde ich es auch. Die allgemein gepflegte „Geiz ist geil“-Mentalität führt doch immer wieder zu recht „ungeilen“ Erlebnissen bei den Geizhälsen. Wer — wie Al Gore — über einen so fetten und kostenintensiven Apprat für Werbung und Propaganda verfügt, der macht sich durch Geiz bei solchen relativen „Pfennigbeträgen“ sogar richtig lächerlich. Und zwar. Vor der ganzen im Internet zuschauenden Welt.

Die Zeugen Jehovas

Der Fühlende und Denkende verhält sich anders als der Stumpfe und von vorgefassten Meinungen Verblendete. Er kann hassen, aber er sucht danach, nicht vor Hass blind zu werden, sondern die Menschen, wo sie ihm in Menschlichkeit gegenüber treten, in ihrer Bedingtheit zu verstehen. Manchmal gelingt es ihm, öfter gelingt es nicht — denn es ist nur mit jenen Menschen Frieden möglich, die den Frieden schätzen.

Das gilt ihm auch für religiöse Fundamentalisten, derer es ja in kalten, armen und unsicheren Zeiten stets viele gibt. Der Fühlende und Denkende sieht das Infantile in der Haltung, er weiß um die trotzige Uneinsichtigkeit eines Kindes in der körperlichen Packung eines Erwachsenen, und er kann diesen jeder menschlichen Möglichkeit entgegen gerichteten Trotz wirklich hassen, weil er eine unnütze, öde Sackgasse ist. Er bleibt dennoch zunächst freundlich und zart im Humor, und er verweigert sich nur darin, sich mit Angst und affektmächtigen Bildern in solche Sackgassen treiben zu lassen. Auch versucht er, nicht einen Moment lang zu vergessen, dass die meisten religiösen Menschen immer noch besser als ihre Religion sind.

Das können jene Kleinkinder in der Larve eines erwachsenen Körpers oft nicht fassen, und sie sind erstaunt über die Kraft des Widerstandes, die ihrem Bemühen entgegen gesetzt wird. Sie wollen jemandem, der sichtlich nichts mehr zu verlieren und nichts mehr zu gewinnen hat, mit ihrem wohl gesetzten Heimbibelkurs einspinnen; übersehen dabei sogar, dass ihr entwurzeltes Gegenüber gar kein Heim hat. Sie reden gern, und sie sind wirklich tief religiös, was sich deutlich in der unverberglichen Angst im Zittern der Stimme zeigt. Sie müssen ihre Arbeit für jemanden tun, den sie als ihren „Gott“ empfinden, und darüber vergessen sie den Blick auf ihren Bruder, an dem sie sich abarbeiten müssen. Für das genaue Auge sind sie ein guter Beleg für das Gemeinsame von Religion und Zwangsneurose.

Und so spricht man. Auch. Viel aneinander vorbei. In die Flammen, in das Nichts, im Mund verdorrte Worte. Ohne. Bosheit.

Ein Scan aus Erwachet!Zum Abschied ein gedrucktes Heftchen, es heißt „Erwachet!“, und es wird von Menschen überreicht, die dem gesellschaftlichen Prozess mit einer eigentümlichen und provozierend trotzigen Schläfrigkeit gegenüber treten. Ihr „Gott“ ist ein gutes Sedativum. Und. Scheint eine ähnliche psychische Abhängigkeit auszulösen. Von solchem Stoff gibt man gerne weiter, wenn man davon überzeugt ist. Deshalb zum Schluss in auffällig routinierter Geste dieser Griff in die Tasche mit den Heften, von Rotationsmaschinen gestanzter Trost für bescheidene Seelen. Schon die Bilder verraten dem ausgestoßenen Fühlenden und Denkenden, dass er dort an der falschen Stelle wäre. Man hat ein Heim und trägt Krawatte dort, das Kleidungsstück der Tandverkäufer und Betrüger.

Scan aus Erwachet: Kitschige Familie bei der BibellektüreUnd stets ist man gut gelaunt dort! Alle Menschen haben dieses gezwungen wirkende Lachen, dass der Wache sonst nur aus der Reklame kennt und deshalb als genau so künstlich erkennen muss. Eine eigentümliche Mischung aus Kitsch, Comic und spießbürgerlichem Idyll ist es, was die Bilder zur Reklame für einen „Gott“ prägt, der jegliches Bildnis verboten haben soll. Natürlich haben alle diese Images, die dort auf Papier gebannt wurden, eine Heimat, ein Dach über dem Kopf und intakte Familienstrukturen. Die Sanftmütigen und Zerschlagenen neben der unvermeidlichen Mülltonne im Lande Überfluss kommen in diesen Heftchen nicht vor.

Aber trotz allem: Dem Fühlenden und Denkenden sind die Zeugen Jehovas allemal sympathischer als etwa die Mormonen. Diese gehen zwar auch in ihrer zwangskasernierten „Mission“ von Tür zu Tür, aber sie verachten die Bruderschaft des Drecks, das Herz der Straße, da sie der US-amerikanischen Ideologie der Befreiung durch Geldzauber anhängen. Die Zeugen Jehovas sind um vieles besser als die institutionalisierte Verdrängung der wirklichen Zustände, der sie anhängen, da die meisten von ihnen in allem ihrem Streben das menschliche Gegenüber zu erreichen suchen. Und. Dabei auch menschliche Worte sprechen, an denen unter unmenschlichen Zuständen erbärmlicher Mangel besteht. Vermutlich haben keine Anhänger einer andereb Religionsgemeinschaft durch rühriges Klingeln an Haustüren und duldsames Ertragen der allgemeinen Verachtung so viele Selbstmorde verhindert — leider immer im Bestreben, eine dumme und hassenswerte Haltung zu verbreiten.

Fröhliche Grüße an I. und M. — wenn ich auch eurer Meinung nach den zweiten Tod sterben werde. Euer „zweites Leben“ erscheint mir als Gefängnis.

Richtung und Garheit (7)

Das Monopol — Ein Staat ist nichts weiter als eine zu geltendem Recht erklärte Monopolisierung der Gewalt, des Verbrechens und der Ungerechtigkeit. Und. Er ist niemals etwas anderes gewesen. Und. Er wird auch nichts anderes mehr werden, er wird jede Veränderung dieser seiner wirklichen und einzig wirksamen Verfassung durch Anwendung von Gewalt, Verbrechen und Ungerechtigkeit zu verhindern trachten. Und. Dabei werden ihnen alle unterdrückten Menschen zuarbeiten, die aus lauter Angst vor der Gewalt nach persönlicher Sicherheit und nicht nach der persönlichen Freiheit streben.

Die Mafia — Wer der modernen Priesterschaft der Journaille glaubt, der verfällt leicht dem Glauben, dass die Korruption so vieler Amtsträger eine Gefahr für den Staat sei. In Wirklichkeit. Ist es jedoch so. Dass ein Staat durch Korruption erhalten wird, dass er in seiner Substanz auf einem Netz niemals kodifizierter Verpflichtungen und Gefälligkeiten aufgebaut ist, die sich am zutreffendsten und grellsten im organisierten Verbrechen widerspiegeln. Das. Ja. Oft. Eine besondere Nähe zu den staatlichen Organen zeigt, da ähnliche Absichten leicht zu Zweckbündnissen führen.

Das Gefängnis — In einer Zeit, in der Verbrecher und antisoziale Menschen zu Reichtum, Ansehen, Ruhm, Amt und Würde kommen, kann es für einen denkenden Menschen durchaus ehrenhaft sein, wenn ihn sein eigener Weg in ein Gefängnis führt. Erfreulich. Wird es dadurch aber niemals.

Die Talkshow — Sie sagte, sie schaue politische Talkshows, weil ihr dort immer wieder Menschen aus dem Herzen und aus dem Munde sprächen. Und. Sie räumte damit ein, dass sie ihr Herz und ihren Mund schon längst anderen zur freien Benutzung übergeben hat. Und. Dass sie davon keinen eigenen Gebrauch mehr machen könne. Kein Wunder. Dass. Sie sich einsam und leer fühlt, wenn kein Radio und kein Fernseher plärrend im Hintergrunde läuft.

Die Schlechtmacher — Es lässt tief blicken, dass „Weltverbesserer“ ein Wort des Schimpfes und der Abwertung geworden ist. Es. Spiegelt wider, dass die Verschlechterung der Welt längst die sozial gewünschte Haltung geworden ist. Und. Dass schon das Denken über eine Linderung der Zustände unerwünscht ist, so es laut und vernehmbar wird. Meist. Wird der Denkende schon vor jeder Tat gestoppt, indem man ihm nur leicht verklausuliert zuruft: „Mach es selbst, verbessere nur die Welt und zeig ruhig, was du drauf hast! Aber lass uns in Ruhe damit! Wir werden dir schon entgegen arbeiten!“

Die Religion — Das Lied, das der Denkende in jedem Gesangbuch jeder Religion vermisst, das ist der Dankgesang für die Vernunft. Dieses „Lied“ fehlt auch in der Phrasologie der modernen Religionen, die von der Erlösung durch Wirtschaft, Wachstum, Wettbewerb und weiterem Konsum sprechen und damit ihr parareligiöses Gepräge deutlich machen. In beiden Fällen ist man auf den Glauben zurückgeworfen, und je unreflektierter und fatalistischer und damit dümmer dieser Glaube ist, desto besser ist es für die jeweilige Priesterschaft der Religion.

Das Wetter — Wie weit die unreflektierte und dumme Gläubigkeit in den modernen Parareligionen der Wirtschafts-Priester geht, zeigt sich am deutlichsten in der medial geprägten Redensart vom „Konjunkturklima“. Wenn der ganze Zauber dieser unheiligen Priester gescheitert ist, müssen sich sich doch wieder verbal darin flüchten, dass sie von übergeordneten, kaum beeinflussbaren Mächten sprechen, denen sie durch das Wort „Klima“ den propagandistischen Glanz eines Naturereignisses geben. Diese Ergebenheit in das Unvermeidliche wäre wohl auch ohne den als „Wissenschaft“ getarnten Aberglauben möglich gewesen, und zwar zum Vorteil des größeren Teiles der betroffenen Menschen. Aber. Das wäre nicht so ein gutes Geschäft. Für. Diese. Falschprofeten.

Das Brot und die Spiele — Nachdem es sich jahrhundertelang bewährt hat, die weniger bemittelten Menschen nicht nur mit Gewalt zu unterdrücken, sondern auch mit Brot und Spielen ruhig zu stellen, versucht man inzwischen aus lauter Gier einmal etwas Neues: Man gibt ihnen mit aller medialer Wucht immer mehr Spiele, aber nicht mehr genug Brot. Ob das funktioniert. Wird man in einigen Jahrzehnten in den Geschichtsbüchern lesen können. Fremd genug. Sind sich die meisten Menschen inzwischen geworden. Dass. Es funktionieren könnte.

Strandleben

Hannover, Zusammenfluss von Ihme und Leine bei Linden, Strand, November

Da, wo in Hannover die trüben, braunen Fluten der Ihme in die trüben, braunen Fluten der Leine fließen, haben sich des Sommers immer schon Menschen an das trübe, braune Wasser ins Gras gesetzt, um dort zu grillen, zu liegen oder einfach nur ihre Zeit miteinander zu verbringen. In der heutigen Zeit ist so etwas ein Ansporn für gewisse Geschäftemacher, gewisse Geschäfte zu machen, und seien sie auch noch so trübe. Und da sagten diese trüben Macher sich, dass dort, wo sich einst eine gewisse Szene traf, nun ein „Szene-Treff“ hinmüsste — kann ja nicht sein, dass da nicht noch ein wenig Gewinnschöpfung betrieben wird. Die Kreativität dieser trüben Macher war immens, sie sagten sich, dass dort, wo Wasser sei, ja der Gedanke an einen Strand aufkomme, egal, wie trüb und braun und wesig duftend das Wasser auch sein mag. Und wo der Gedanke an einen Strand aufkommt, da denkt Mitmensch Konsumtrottel nicht nur an eimerweis Sangria, sondern auch an Sand. Also flugs etwas Sand auf das unschuldige Gras gekippt, und schon ist der „Stand“ fertig und man kann hier etwas Gewinnschöpfung treiben, wo allerlei Treibgut vorbeitreibt. Und das ganze menschliche „Treibgut“, das da sonst einfach nur herumsaß und das nahm, was es bei schönem Wetter überreich und kostenlos gibt, das kann sich auch andernorts herumtreiben. Eine ganz tolle Idee, und den Rest besorgte die Journaille, die lobend und schönklingend und mit bunten Bildern darüber berichtete, bis sich auch wirklich eine gewisse „Szene“ im so geschaffenen „Szene-Treff“ einfand — und zwar eine andere als vorher.

Am sympathischsten finde ich den Anblick dieser merkantil gewiss lohnenden Verwüstung noch im November. Da wirkt der Container mit der Aufschrift „Strandleben“ so surreal traurig, wie er es eigentlich das ganze Jahr über ist, wie es aber nie wahr genommen wird, da der Wahrnehmungsapparat mit Bier und Lärmmusik und Grillgut beschäftigt wird. Der Sand mit dem rot getünchten Kasten zeigt sich im Mangel ablenkender Eindrücke durch einfaches Hinschauen als synthetisches „Paradies“, als geradezu typische Wüste des Konsumismus. Und — vielleicht geht es nur mir so — der prolle rote Container erinnert in seiner plastikhaften Künstlichkeit aufdringlich an ein Behältnis für Abfall, an eine überdimensionierte Mülltonne. Und. Zeigt damit klar, welche Art von „Gütern“ durch den Prozess, der gegenwärtig über den Gesellschaften abläuft, letztlich erzeugt werden. Auch. Da. Wo sie niemals hingehörten. Auch. Noch. In den letzten Winkel. Alles. Voller. Müll.

Ein Dank für das Foto an Frank. Fröhliche Grüße an Claudia.

[…] Es ist vielmehr ein fundamentaler Bestandteil des Kapitalismus, dass er dazu tendiert, Gewinne zu privatisieren und Kosten zu sozialisieren. […]

Rasmus Karsson im Telepolis-Interview

Die Euro-Banknoten

Die Euro-Banknoten sind alle gleich gestaltet. Sie zeigen auf ihrer Vorderseite ein Tor und auf ihrer Rückseite eine Brücke. Damit spiegelt jede Euro-Banknote das radikal ökonomische Denken der Menschen wider, die diesen Entwurf zum Zahlungsmittel für Europa gemacht haben. Das, was Tore öffnet und Brücken baut, das soll nur noch Geld sein.

Die Angst

Zeitgenossin: Und was ist mit der Angst?

Nachtwächter: Ich kenne kein Mittel gegen die Angst. Dieses starke Gefühl von Unlust und Lähmung gehört zu den Bedingungen des Menschseins. Du hast schon viel gewonnen, wenn du es schaffst, dich nicht von der Angst beherrschen zu lassen — oder, was auf das Gleiche hinaus läuft, wenn du es schaffst, die Angst so zu lassen, wie sie ist, ohne dass du sie vermeidest oder zu verdrängen versuchst. So kannst du es wenigstens oft vermeiden, dass dich andere Menschen kontrollieren und unterdrücken können, indem sie sich dazu deiner Angst bedienen.

Zeitgenossin: Aber wer macht denn so etwas? Mich durch meine Angst kontrollieren?

Nachtwächter: Der Polizist, der Pfaffe, der Werber, der Politiker, der Betrüger, der Verkäufer, der Geheimdienstler, der Sektierer, der Versicherer, der Arzt, der Kollege und der harmlos scheinende Nachbar, der neben dir vegetiert.

Gehirnveränderung durch Werbung

Manchmal findet sich sogar ein dürrer Funken Aufklärung in so einem Werbeblatt wie der überreich beworbenen „Apotheken Umschau“, und manchmal sogar etwas Aufklärung über die Werbung, die mit ihrer Allgegenwart jedes Menschen Sinn verzerrt — natürlich nur als kleine Randbemerkung im „redaktionellen“ Teil:

Wie Werbung wirkt - Steht das Emblem einer Fast-Food-Kette auf der Packung, mögen Kinder das Essen lieber, als wenn es neutral verpackt ist. Wissenschaftler der Stanford-Universität (USA) ließen Kinder zwischen drei und fünf Jahren sechs verschiedene Nahrungsmittel testen. Diese waren gleich zubereitet, aber unterschiedlich verpackt. Dass den meisten das Essen mit dem bekannten Aufdruck besser schmeckte, werten die Forscher als Beweis, dass Werbung die Geschmackswahrnehmung beeinflusst.

Um die hier beschriebene Erscheinung auf den Punkt zu bringen: Die ununterbrochene Konfrontation der Menschen mit Werbung führt zu einer Veränderung der Verarbeitung von Sinneseindrücken durch das Gehirn. Dies lässt sich durch ein vergleichsweise einfaches Experiment schon bei Kindern nachweisen.

Es handelt sich bei Werbung also um einen Umwelteinfluss, der auch elementare Wahrnehmungen zu verändern vermag und in dieser Wirkung mit einer halluzinogenen Droge vergleichbar ist.

Der Unterschied zur halluzinogenen Droge liegt allerdings in zwei Punkten.

Erstens handelt es sich nicht um ein innerpsychisches und damit individuelles Phänomen, das durch externe Faktoren anders wahrgenommen wird, sondern um einen gesteuerten und zielstrebigen externen Eingriff in psychische Mechanismen, der zu einer wahnhaften Veränderung der Wahrnehmung in der Massenkultur führt. Der allgemeine Charakter dieses von Werbung induzierten Wahnes gibt den Inhalten des Wahnes zusätzliche Glaubwürdigkeit und erhöht sie zum normativen Maß.

Und zweitens kann diese zwangshypnotisch vermittelte Halluzination im Gegensatz zu gewissen Drogenräuschen niemals dazu führen, dass ein Mensch die Schemata seines eigenen Wahrnehmens besser kennen- und verstehen-lernt, sondern sie führt zur immer weiter gehenden Entfremdung jedes Einzelnen von sich selbst. Damit ist Werbung ein wichtiger Beitrag zu einer konsumistischen Gesellschaft, in der die Menschen nicht einmal mehr die menschliche Grunderfahrung machen, dass sie überhaupt etwas tun können.

Wer gegen die Werbung kämpft, der kämpft für sein eigenes Gehirn — und damit für etwas, was den Menschen zu mehr als einem nackten Affen machen kann.

Quelle des Scans: Apotheken-Umschau November 2007 A

Der offene (oder doch wenigstens veröffentlichte) Brief von Stefan Niggemeier an den Greenpeace e.V. gefällt mir so gut, dass ich gar nicht erst ein kleines Zitat herausreißen möchte. Nein, den sollte man schon ganz lesen, und zwar dort, wo er veröffentlicht wurde.