Die visuelle Metapher, mit der „Sicherheitssoftware“ für die Internet-Benutzung sich häufig ihrem Nutzer gegenüber darstellt, ist ein bemerkenswertes Spiegelbild der Zustände im derzeitigen Internet. Sehr beliebt bei den Herstellern der Software ist die Metapher des Schildes, die in eine längst vergangene Zeit der Gewalt und Kriegsführung zurückweist; in eine Zeit, in der die Menschen im Kampfe noch mit Schwertern, Streitäxten, Piken, Armbrüsten und dergleichen mehr aufeinander eindroschen, um sich zu ermorden und in der ein Schild Schutz im Kampfe bot, wenn man es richtig und geübt einzusetzen verstand.
In dieser auf das Mittelalter zurückgreifenden optischen Metapher und in ihrer Verbreitung zeigt sich, in welchen Zustand das Internet derzeit geraten ist. Wer durch diesen virtuellen Raum geht, soll auf seinen Wegen jederzeit dafür gewappnet sein, einer ruchlosen Bande von „Räubern“ und „Mordbrennern“ zu begegnen, die jede sichtbare Schwäche als Einladung für ihre Übergriffe betrachtet und ohne Erbarmen aus dem Hinterhalt zuschlägt. Und ich muss sagen, dass das eine durchaus treffende Beschreibung für das gegenwärtige Mittelalter des Internet ist. Es ist auch das Körnchen Wahrheit hinter dem politisch-propagandistischen Geschwafel vom „rechtsfreien Raum“, mit dem die Hirne und Seelen gebeizt werden sollen, um sie bereit zu machen für die staatlichen Überwachungsgelüste, deren Zielsetzung und „argumentative“ Begründung allerdings nur selten Bezug auf die konkrete Wegunsicherheit im Internet nimmt — ein breites Bewusstsein dafür wäre auch schlecht für die breite Kommerzialisierung durch jene Contentindustrie, die viel zu stark mit der classe politique verflochten ist — sondern bevorzugt einige Randerscheinungen des Irrsinnes mit hohem moralischen Empörungspotenzial herauspickt, um mit diesem psychischen Hebel dafür zu werben, die Dystopien eines George Orwell noch übertreffen zu können.
In derzeitigen „Mittelalter des Internet“ sehne ich mich oft nach der von mir ebenfalls erlebten „Steinzeit des Internet“ zurück, die ich glücklicherweise auch erleben durfte. Auch damals gab es die Übergriffe und allerlei Schlechtes, aber es war dünn besiedelt und man begegnete gewissen asozialen Subjekten nur selten, so dass es insgesamt entspannter und fröhlicher zuging. Ja, in mir macht sich ein Überdruss ob der Barbarei des Internet breit, der durch das schöne Sommerwetter eher noch vergrößert wird. Es gibt ja immer noch hübschere Betätigungen als das Führen sinnloser, technischer Kämpfe an Orten, an denen man sich nur etwas Ausdruck verschaffen möchte…
Wenn ich demnächst einige heftig angegriffene meiner Projekte aus dem Internet nehmen sollte, ist dies der Tatsache geschuldet, dass ich die gegenwärtig laufenden Attacken unter den Bedingungen meines Daseins nicht mehr behandeln so kann, wie es erforderlich wäre. Der Hintergrund dieser Attacken lässt sich übrigens an anderer Stelle im Internet nachlesen. Die Barbarei ist allgegenwärtig.