Menschen schreiben Geschichtsbücher, um sich das Vergangene besser durch Verdrängung vom Halse schaffen zu können. Und. Sie geben Geschichtsunterricht an den staatlichen Schulen, damit die erzwungene Beschäftigung mit den immer noch gegenwärtigen Strukturen, die schon einmal das Vergangene mit hervorgebracht haben, als eine rückwärtsgewandte Beschäftigung mit der Vergangenheit erscheint, nicht als eine Beschäftigung mit der Gegenwart. Die „Lehren“, die dabei hochnotfeierlich aus der „Vergangenheit“ gezogen werden, bleiben größtenteils im Symbolischen und Anscheinbaren stecken, im psychischen Sumpf neben dem monumentalen Mahnmal mit seinen gleichermaßen lieblos und hoch ritualisiert im Jahreslauf abgeworfenen Kränzen.
Tag Archive: Hirnfick
„Nein“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „wer schweigt, stimmt damit nicht zu, sondern schweigt einfach. Oft hat ein Mensch einfach nur keine Motivation, seine begrenzte Kraft und Lebenszeit in sinnlosen Diskussionen zu verbrennen. Wer aus dem bloßen Schweigen eines anderen Menschen eine Zustimmung oder gar Mittäterschaft herbeideutelt, macht damit aber immer völlig klar, dass er in seiner Richter- und Henkerhaltung an einem wirklichen Gespräch nicht das geringste Interesse hat, sondern nur an einer Verurteilung. Das gleiche gilt fürs Wählen und für die Verweigerung des Mitwählens“.
„Die Antwort liegt in dir, tief in dir“, sagt der Vergewaltiger zu seinem Opfer.
Politiker sind die Menschen, denen es egal ist, ob etwas für die beherrschten Menschen richtig oder falsch ist, wenn sie nur Worte finden, mit denen sie es richtig erscheinen lassen können. Und Journalisten sind die Menschen, die ihnen dabei durch schlichtes Weitertragen dieser Sprechakte helfen, statt diese Verblendungsversuche mit der kombinierten Macht der Logik und des Archives zu zerlegen und mit dieser Tun die beherrschten Menschen zum Denken zu ermächtigen, zu Beherrschern ihres Denkens und Wollens zu machen. An den Taten wird Vernunft, Plan und Ziel erkannt, am Getue das Geschmeiß.
Postdemokratie: Der Begriff bezeichnet ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, […] in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. […] Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.
Colin Crouch, 2004
Hinter jedem Schlagbaum neben dem Hoheitszeichen eines Staates versteht man unter dem Begriff „Freiheit“ etwas anderes.
„In der englischsprachigen Welt haben die Werber es schon längst geschafft, das Erdgas heißt dort normalsprachlich natural gas, genau so in der französischsprachigen Welt, wo vom gaz naturel die Rede ist“, sagte der Vorübergehende zu seiner Gefährtin im dunklen kapitalistischen Lügenwald aus Reklame, „aber ich finde, das geht noch nicht weit genug. Wenn man nur ein bisschen Geduld hat, bilden sich doch Erdgas, Erdöl und Kohle wieder von allein und ganz natürlich aus dem atmosphärischem Kohlendioxid. Von daher warte ich noch auf den ersten Werber, der von Erdgas, Erdöl und Kohle als natürlichen regenerativen Energiequellen spricht, begleitet von Bildern des synthetischen Photoshop-Paradieses aus blauem Himmel, grünen Bäumen und süßen Tieren, plakatiert an jeder stinkenden Straße“.
„Ich mag ein Verschwörungstheoretiker sein“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „aber der staatsfromme Journalist, der die Wirklichkeit in hübschen Phrasen einkleidet und der Gerechtigkeit durch Neusprech und bizarre Orthografien herstellen will, der ist ein Beschwörungstheoretiker“.
„Es handelt sich übrigens nicht um eine Corona-Krise“, sagte der Vorübergehende zu seinem mediengenießenden Zeitgenossen, „sondern um eine Corona-Seuche. Und wenn du die globale Erwärmung ernst nimmst, handelt es sich dabei auch nicht um eine Klima-Krise, sondern um eine Klima-Katastrophe. Jene Politiker und Journalisten, die in ihren Sprechakten fürchterliche Geschehnisse zur ‚Krise‘ erklären, als handele es sich um eine Situation, die durch ein paar politische Gipfel, Gespräche und Gesetze beendet werden könne, spiegeln in diesem Wort, dass sie ihr eigenes Geschwätz nicht einen Moment lang für wahr halten oder nicht einen Moment lang für wahr halten wollen, dass sie also einfach ungestört wie die Träumenden im brennenden Bette weitermachen wollen, und das färbt auf alles Denken ab, das diese Worte vernimmt und ihnen Glauben schenkt“.
Der neueste Neusprech geht so: Da, wo Krieg ist, also beispielsweise im Nahen Osten oder in Afghansitan, spricht man in den Nachrichten in Presse und Glotze nicht mehr vom Kriege, sondern vom „Friedensprozess“, der leider immer wieder durch „Querelen“ und „Schwierigkeiten“ beeinträchtigt wird. Bei so erfreulichen „Friedensprozessen“ kann man auch gleich wieder in das Kriegsgebiet Afghanistan abschieben.
Diese vorsätzlich manipulative Sprache wird von den gleichen Journalisten präsentiert und druckmaschinenschwarz in den Schädel geätzt, die auch schon seit Jahrzehnten den Neusprech aktiv in jeden Artikel tragen, der die früheren, klar und unmissverständlich benannten Kriegsminister zu „Verteidigungsministern“ machte. Noch zwanzig Jahre dieses vorsätzlich manipulativen Neusprechs, und niemand wird mehr Anstoß an einer Meldung nehmen, dass bei den laufenden „Friedensprozessen“ in irgendeiner für die jeweilige außenpolitische Strategie der USA bedeutsamen Region der Welt mehrere Ortschaften zerstört und zehntausende Zivilisten getötet wurden. Am „Verteidigungsminister“ nimmt ja auch niemand mehr Anstoß.