Eine besseres und deutlicheres deutsches Nomen für „Wort“ ist die mittlerweile recht unmoderne Bezeichnung „Begriff“. Alle darin fühlbar mitschwingenden Konnotationen zeigen die Nähe jedes Begriffes zum intellektuellen Verstehen des darin Bezeichneten auf. Der Be-Griff ist ein Griff, der begreifen lässt; er macht die Erscheinungen in der Umwelt in einer mentalen Abbildung greifbar. Wenn es für eine Erscheinung keinen griffigen Begriff gibt, ist jegliches Denken über diese Erscheinung erschwert oder unmöglich. Lässt sich hingegen. Etwas. Durch einen Begriff ergreifen. So lässt es sich auch behandeln, vielleicht sogar oft in der individuell gewünschten Form behandeln. In jedem Fall wird eine Abhandlung über dieses Etwas nicht ins Leere greifen.
Das wissen auch jene, die großes Interesse daran haben, dass man ihr Handeln und seine Ziele nicht richtig begreife. So alt wie die Pest der Politik in abstrakten Staatswesen. Ist. Eine abstrakte Sprache, die den Verstand der Menschen ins Leere greifen lässt und auf diese Weise verbirgt, welche Ziele von einer einflussreichen Clique verfolgt werden. Schon „die Römer“ brachten die aufständischen Sklaven nach der Niederschlagung eines Aufstandes nicht etwa durch Erhängen zu einem langsamen und qualvollen Tod, sondern ihre offizielle Redeweise — wörtlich übertragen — „versah sie mit dem Kreuze“. Das klang nicht mehr nach dem rechtlich abgesegneten Unrecht des Mordes mit dem Ziel, eine ungerechte Sklavenhaltung durch die druckvolle Wucht der Todesangst aufrecht zu erhalten, und es machte. Das Reden über solche Gewaltmittel hinreichend abstrakt. Um die konkrete Gewalt vom Denken unbeachtet in der Gesellschaft wirken zu lassen. Tatsächlich hat auch kaum ein Denkender zu jener Zeit die Idee der Sklaverei als ein Resultat ungerechter Gewalt in Frage gestellt, so sehr sich auch zuweilen ein zaghafter Einspruch gegen gewisse Exzesse regte.
Diese Form des zielvollen Sprachmissbrauches ist seit jeher und bis heute fester Bestandteil jeder politischen Agitation und Propaganda.
Und.
Die Situation ist heute noch schlimmer geworden. Denn heute wird die gezielte Veränderung der Sprache von einem sprachnormenden Apparat zentral organisierter Massenmedien vorangetrieben. Dessen Wirksamkeit sich vielleicht am deutlichsten darin zeigt, dass die einst so starken und lebendigen deutschen Mundarten nach nur drei Generationen eines immer mehr von der Allgegenwart des unentwegt hochdeutsch labernden großen Bruders im Rundfunk geprägten Lebens allesamt im Verstummen begriffen sind. Reichte der Sprachraum des Niederdeutschen noch in meiner Kindheit, vor nicht einmal dreißig Jahren, noch fast bis Hannover herunter, so erstreckt er sich heute nur noch auf einige dörfliche Inseln im Binnenlande und auf einen recht schmalen Streifen an der Nordseeküste. (Von Redewendungen sei hier einmal abgesehen, aber schon der Begriff „stehendes Wort“ sagt ja, dass es sich nicht mehr um Sprache in Bewegung und damit auch in Lebendigkeit handelt.)
Das ist auch deshalb erstaunlich, weil die heutige „hochdeutsche“ Sprache ein recht künstliches Produkt ist. Wohl das prägendste Ereignis für die Gestaltwerdung einer deutschen Schriftsprache war die Bibelübersetzung Martin Luthers mit ihrem kraftvollen Ton. Da Luther bei seinem Übersetzungswerk nicht auf eine im Volke lebendige Schriftlichkeit aufsetzen konnte, bediente er sich selbst einer eher künstlichen Sprache, nämlich der damaligen sächsischen Rechts- und Verwaltungssprache. Diese war — wie wohl jede Sprache von Juristen und anderen sich vom „gemeinen Volke“ abgrenzenden gesellschaftlichen Klassen — von urtümlichen und veralteten Formen geprägt und wies ein Maß an grammatikalischer Kompliziertheit und Unregelmäßigkeit auf, das heute noch eine große Hürde für jeden Deutsch lernenden Menschen ist. Doch. Selbst dieses Maß an Künstlichkeit sollte noch durch die spätere Entwicklung übertroffen werden. Als. Sich die Reformation im Norden Deutschlands ausbreitete und der eigentlich süddeutschen Sprache der Lutherschen Bibel. Eine niederdeutsche Aussprache gab. Die sich dann zum heutigen Hochdeutsch verfestigte.
Angesichts dieser viel zu schnell erzählten Geschichte des Hochdeutschen — es wäre darin doch noch so vieles zu erwähnen! — ist es gar nicht erstaunlich, dass die deutschen Mundarten durch die Jahrhunderte ihre Lebendigkeit behielten. Und. Es ist ebenso ein Zeichen einer sehr bedeutsamen Entwicklung, dass sie nun sterben und zu bloßen lautlichen Einfärbungen einer in ihrem Ursprung völlig künstlichen hochdeutschen Sprache verblassen. Bei dieser sehr bedeutsamen Entwicklung, die eine Erscheinung der jüngeren Zeit ist. Handelt es sich. Um die erfolgreiche sprachliche Normung breiter Bevölkerungsschichten durch zentral organisierte Massenmedien.
Zusammen mit dieser Normung des deutschen Sprachraumes. Lässt sich eine weitere Entwicklung beobachten. Die. Alarmiert.
Es ist die Verdrängung des eigentlichen deutschen Wort-Schatzes durch eine abstrakte, künstliche und unfühlsame Gattung von Wörtern. Die eben keine Be-Griffe mehr sind. Und es auch nicht sein sollen. Es handelt sich hierbei um die Bezeichnungsweisen, mit denen verhindert werden soll, dass man den gegenwärtig über die Gesellschaft ablaufenden Prozess begreife. Indem es gelungen ist, diese Wörter — die Bezeichnung Begriff wäre völlig fehl am Platze — durch die sprachnormende Gewaltung zentral gesteuerter Medien in die Sprache einzupflanzen und im gleichen Zuge. Die klaren Begriffe zu verdrängen. Ist es auch gelungen, den gesellschaftlichen Prozess für die davon betroffenen Menschen unbegreiflich zu machen und damit jeden Widerstandgeist zu ersticken, der sich gegen eine kleine Clique von Menschen richten könnte, die ihre Ziele gegen den Rest der Menschen in Deutschland durchzusetzen suchen. Nur mit dieser planvoll wirkenden Spracharbeit war es möglich, das Elend der Elenden zu vergrößern, Armut zu einem breiten Zustand in Deutschland zu machen, das Leben vieler Menschen von einem Grundzustand existenzieller Angst beherrschen zu lassen, unterbezahlte und unbezahlte Arbeit wie eine Gnade anzubieten und die auf diesem Wege erwirtschafteten Profite zum exklusiven Genuss einer gesellschaftlichen Minderheit zu machen — um dies alles zum Hohn für die Betroffenen auch noch als „Erfolg“ solchen Vorgehens zu verkaufen.
Man hat im alten Rom die Aufständischen eben nicht getötet, sondern „mit dem Kreuze versehen“, und im gegenwärtigen Deutschland ist eben „sozial, was Arbeit schafft“.
Unglücklicherweise. Nehmen auch kritische und nachdenkliche Menschen diesen frisch implantierten und mit dem Schein der Modernität derherkommenden Apparat von Blendwörtern auf und verwenden ihn noch in ihrer Kritik. Und. Arbeiten auf diese Weise den Zuständen zu, die sie doch mit ihrer Kritik zu verhindern oder wenigstens zu mildern trachten.
Leider ist es schwierig, eine vollständige Liste dieser Bullshit-Wörter zu geben, die folgende Aufzählung ist fragmentarisch und die Anmerkungen sind als Würdigung dieses Sprachgebrauches eher zu zahm geraten, als dass sie den vollständigen Zynismus dieser Sprache deutlich machten.
Rechts, Links — Diese beiden Wörter werden zur Bezeichnung einer politischen Ausrichtung verwendet. In ihrem Ursprung bezeichnen sie die Sitzordnung im Parlament, und sie sind damit eine sehr relative Angelegenheit, frei von jedem Inhalt. Und. Damit auch mit jedem Inhalt befüllbar, wenn dies politisch nützlich erscheint. Dass sich eine bei Wahlen zurzeit erfolgreiche, doch im Parlamentsbetrieb eher einflusslose politische Partei als „Die Linke“ verkauft, nimmt jetzt schon den Opportunismus vorweg, der wohl demnächst das politische Agieren dieser Partei prägen wird.
Sozial — Ursprünglich meinte dieses griffige Adjektiv so etwas wie „die menschlichen Beziehungen betreffend“. Da es ein Fremdkörper ist, hat es sich gut für den Sprachmissbrauch geeignet. Unter Bismarck wurde unter diesem Begriff ein System von staatlichen Zwangsversicherungen eingeführt, mit deren Hilfe die grellste Menschenverachtung des damaligen Kapitalismus abgemildert werden sollte. Es. Handelte sich um ein politisches Instrument zur Verhinderung einer kommunistischen Revolution. In dem Maße, in dem ein für die Revolution erforderliches Klassenbewusstsein durch mediale Verdummung erstickt wurde, erwies sich dieses System der individuellen Existenzsicherung als immer entbehrlicher für den Aufrechterhalt eines Systemes der Ausbeutung menschlicher Schaffenskraft durch Wenige. Deshalb wird es seit Jahren zurückgebaut. Diesen Vorgang bezeichnet man aber nicht klar und deutlich als „Abbau“, sondern als „Reform“.
Soziale Marktwirtschaft — Ein Widerspruch in sich selbst. Wenn das Sein der Menschen vom totalen Kampf einer allumfassenden Vermarktung jeden menschlichen Strebens geprägt ist, denn sind alle Angelegenheiten der zwischenmenschlichen Beziehungen unrettbar beschädigt.
Wettbewerb — Keine harmlose und verspielte Angelegenheit wie ein Pferderennen, auf dem eine Wette abgeschlossen wird, sondern ein erbarmungsloser Kampf eines Jeden gegen Jeden, der auch noch als Selbstzweck auf einem Schlachtfeld voller Überfluss durchgeführt werden soll.
Reform — Eigentliche Wortbedeutung ist etwa „Neuordnung“, hinter diesem Wort versteckt sich allerdings meist eine Abschaffung zivilisatorischer Errungenschaften oder eine Verschlechterung des Lebens für viele Menschen. Dabei wird nicht etwa neu geordnet, sondern die bestehende Ordnung mit der Peitsche existenzieller Angst gefestigt.
Globalisierung — Dieses Wort klingt fast wie eine unaufhaltsame Naturgewalt oder ein Unwetter, bezeichnet aber die Gewalt von Menschen und ist damit durchaus aufzuhalten. Gemeint ist hiermit die Aufgabe klassischer, an Staatsgrenzen gebundener politischer Regeln, um immer mehr Regeln von international agierenden, angesammelten Kapital bestimmen und durchsetzen zu lassen.
Privatisierung — Übertragung von allgemeinen Besitz in die exklusive Verfügungsgewalt weniger Menschen, die sich diesen Besitz mit ihrem angesammelten Kapital unterm Nagel reißen können.
Verantwortung — An sich ist Verantwortung eine Bedingung individueller Würde, aber in der heutigen Propaganda wird unter Verwantwortung nur noch verstanden, dass ein Mensch seine eh schon gering gewordenen finanziellen Mittel noch für die Absicherung seines eigenen Lebensrechtes im Krankheits- oder Rentenfall aufwänden soll. Natürlich soll das Geld dabei den Banken langfristig zur Verfügung gestellt werden, als ob sich dort noch nicht genügend Kapital gesammelt hätte. Immerhin wird bei dieser Betrachtung jedem klar, wer die zugehörige Politik wohl durch Zuwendungen aller Art hervorruft.
Markt — Der Markt soll alles richten. Das funktioniert nicht, weil es keinen Markt gibt. Den ein Markt ist nichts weiter als ein (auch abstrakter) Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage begegnen und aus ihnen eine preisbildende Dynamik entsteht. Die heutigen Märkte sind von der Erscheinung geprägt, dass keine ausreichende Nachfrage existiert, deshalb muss Nachfrage künstlich durch das psychologische Gewaltmittel der Reklame erzeugt werden.
Arbeitsmarkt — Ein Markt, auf dem sich Menschen um jeden erzielbaren Preis selbst verkaufen sollen, obwohl fast keine Nachfrage besteht. Damit nicht dennoch zu hohe Preise entstehen, wird durch staatliche Subventionen ein zusätzlicher Markt für billige Arbeit geschaffen, dies ist Bestandteil der „Reformen“ der letzten Jahre. Auch hier kann also von einem Markt nicht die Rede sein, das Wort ist pure Propaganda.
Flexibilität — Ursprüngliche Bedeutung ist so etwas wie „Biegsamkeit“, und wenn diese mit Gewalt von den Menschen gefordert wird, die sich auf dem Fleischmarkt für Arbeit verkaufen sollen, ist das nur unter dem unfühlsamen Fremdwortcharakter dieses Wortes verborgen und kann dehalb nicht unmittelbar begriffen werden.
Arbeitsmarktpolitik — Ausübung von Staatsgewalt, damit Menschen auch unterbezahlte oder unbezahlte Arbeit annehmen. Auf diese Weise sollen die Preise auf dem Arbeitsmarkt gedrückt werden.
Sicherheit — Möglichkeit, einen angesichts der gegenwärtigen Zuspitzung denkbaren Volksaufstand im weitgehend rechtslosen Raum mit Gewehren erschießen zu können, wenn er sich nicht vorher im weitgehend rechtslosen Raum durch innerstaatliche geheimdienstliche Tätigkeit abwehren ließ.
Familienpolitik — Staatliche Maßnahmen, um die Kinder weitgehend von ihren Eltern zu entfremden und über einen weiten Zeitraum ihrer Kindheit in staatlichen Institutionen zu dressieren. Eine weitere, unter dem Begriff der „Flexibilität“ erwünschte Wirkung ist, dass sich auch Familien untereinander entfremden, da schon die kleinsten Zellen der Solidarität eine Gefahr für die Ziele der Profiteure des über die Gesellschaft ablaufenden Prozesses sind.
Sparen — In seinem Ursprung war diese Tätigkeit eine Haltung, in Zeiten des Überflusses für eventuelle Notlagen etwas vom Überfluss beiseite zu legen. Heute ist mit dem „Sparen“ gemeint, dass sich Menschen um die existenzielle Bedingung einer wachsenden Armut herumwurschteln sollen.
Freiheit — Ist zur Bezeichnung für ein System von Zuständen verkommen, unter denen eine Minderheit von Menschen auf Kosten der Mehrheit der Menschen profitiert und die mit immer weiter gehender Einschränkung der Freiheit aufrecht erhalten werden sollen.
Politik — Eine medial transportierte Show mit so genannten Politikern.
Jeder Bloggende in Deutschland fühle sich von mir aufgefordert, die Bullshit-Sprache der Politikshow, der zentral organisierten Massenmedien und wirtschaftlicher Propagandastellen völlig abzustreifen und wieder klare deutsche Begriffe zu verwenden, auf dass viele Menschen begreifen, was hier mit ihnen geschieht. Auch, wenn dieser Stil dem ehemaligen Nachrichtenmagazin nicht gefallen kann.