Archive for Juli, 2008


Der Fetisch der Marke

Die Menschen bevorzugen Markenprodukte. Nur. Wegen der Werbung für die entsprechende Marke. Die Marke an sich. Ist ein ebenso leeres Stück Sprache wie das Kunstwort „Gnirrtsch“; ein vorsätzlich erstelltes Sprachbild, das nur über das manipulative Mittel der massenhaften Reklame mit einem beliebigen Inhalt gefüllt werden kann.

Es gibt. Keine andere Eigenschaft der Marke an sich. Jede Eigenschaft, die Menschen von einer Marke zugesprochen wird, ist nur ein psychisches Ergebnis der Werbung, ein Abgeben der eigenen Urteilsfähigkeit an die künstlich erzeugten und affektmächtigen Bilder eines monströs gewordenen Marketings. Der oft von manipulierten Zeitgenossen angeführten eigenen Erfahrung mit den Produkten einer bestimmten Marke geht die künstliche Errichtung einer Marke in ihrer Psyche immer voraus; die Marke an sich hat keine andere Existenz als ihre gezielte, psychische Errichtung durch die einseitige Kommunikation der Reklame. Dabei. Ist es gleich, ob die Marke Macintosh, Sony, Puma, Microsoft, Nike, Bosch, Marlboro, Deutsche Bank, Lifetec, Onko, Iglu, Grundig, IBM, Bahlsen, Pepsi oder irgendwie anders heißt, dies alles sind nur leere, klangliche Gefäße, denen allein durch Reklame eine scheinbare Bedeutung für das Affektleben ihrer Benutzer gegeben wird.

In dieser Eigenschaft. Hat die Marke. Durchaus eine Nähe zu religiösen oder esoterischen Konzepten. Der mit hohem missionarischen Aufwand gestreute Glaube an die Verheißungen der Marke, der sich selbst noch im ebenso unsinnigen Unglauben in eine Marke spiegelt, ist eine nur scheinbar materialistische Form der Religion. Und. Führt zu ähnlichen Irrationalitäten wie diese.

Jeder Mensch bedarf gewisser Dinge, die Marke ist eine mit hohem Aufwand erstellte, künstliche Hinzufügung, um das Streben nach diesen Dingen mit einer ebenso künstlichen Ergebenheit gegenüber der Marke anzureichern. Selbst die alte religiöse Idee des Opfers findet noch ihren modernen Zerrspiegel in den höheren Kosten, die für ein „Markenprodukt“ fällig werden. Und von den Gläubigen. Willig bezahlt werden.

Die Marke hat die Funktion eines. Abwehrzaubers. Sie. Soll vor schlechten Käufen und damit verbundenen schlechten Erfahrungen schützen. Sie ist — so sie erst einmal errichtet ist — das von Mana und Aberglauben gestützte Sakrament, das noch auf billigsten und nutzlosesten Tinnef gestempelt werden kann, um daraus teure Produkte zu machen. Die dann auch. Gekauft. Werden.

Wie jedes andere abstrakte Sakrament (Taufe, Abendmahl, Segensformel) lässt sich die Marke, wenn der Glaube an ihre Kraft erst wie ein erstickendes Unkraut in den Seelen erblüht ist, billig erstellen. Das recht deutliche englische Wort „brand“ heißt auch heute noch Brandzeichen und spiegelt in genau dieser Benennung den leicht mechanisierbaren Stempelchrakter aller Marken wider. Wie billig solch Stempeln durchzuführen ist, zeigt die so genannte „Produktpiraterie“. Es. Gibt einen ganzen Markt mit nachgemachten Markenartikeln, der in schelmischer und geschäftstüchtiger Häresie auf dem psychischen Mechanismus hinter der Marke aufsetzt und damit deutlich aufzeigt, wie wenig außerpsychische Substanz wirklich in einer Marke steckt. Klar, dass die Priesterkaste der Markenrechte nicht müde wird, für diese vergleichsweise harmlose und gesellschaftlich unschädliche Form der Kriminalität unangemessen hohe Bestrafungen von den Staaten einzufordern — auch dies ist ein Spiegel. Der ans Religiöse gemahnenden. Irrationalität im Glauben an die Marke.

Die „Profetie“ einer Marke erfüllt sich selbst. In der Psyche des glaubenden Menschen. Die zunächst aufwändige mediale Implantation des Markenbegriffes in die Sprache fügt dem Denken über die Dinge einen neuen — nur psychisch existenten, aber doch wirkmächtigen — Begriff hinzu, den der Marke. Dort. Im Denken. Sorgt er für eine Filterung der Erfahrung und Wahrnehmung. Das ist alles. Mehr ist die Marke nicht. Als ein moderner Fetisch.

Wer dem Glauben an eine Marke verfallen ist, ist also ein Fetischist. (Nicht. Im sexuellen Sinne dieses Wortes.)

Er ist dazu geworden, weil er seiner eigenen Urteilsfähigkeit misstraut. Und deshalb sein ganzes Vertrauen in die Parareligion des Markenunfugs setzt. Damit dokumentiert der hoffnungslos Gläubige auch schon, dass er von schwachem und damit leicht manipulierbarem Charakter ist; im Grunde seiner Psyche zerfressen von Selbstzweifel und unnützer Angst vor eigenen Entscheidungen. Daran zu denken. Hilft immens. Wenn man mit „markenbewussten“ Menschen zu tun hat, denn es bereitet auf die anderen Irrationalitäten dieser Menschen vor. Noch bevor. Man sich allzu nahe kennengelernt hat.

Der Fetisch der Marken hat im gegenwärtigen Prozess nach fast allem als Markt Betrachteten gegriffen, auch noch nach dem fernliegendsten. Die bloße programmatische und praktische Ähnlichkeit der politischen Parteien in der BR Deutschland entlarvt etwa die Unterschiede zwischen ihnen als durch Reklame errichteten Stempel der Marke. Frei. Von jedem Inhalt und damit beliebig füllbar. Das Irrationale in den Heilsversprechen der Politik fand hier sein geeigenetes Mittel, und gern wurde es von einem nennenswerten Anteil der Menschen angenommen.

Das einzige. Was angesichts des gegenwärtig ablaufenden Prozesses dem Denkenden beim Blick in die Zukunft noch vom Verfall in die Depression abhält. Ist. Die Tatsache, dass zumindest bei den politischen Marken inzwischen viele Menschen den psychisch so wirksamen Schwindel durchschauen. Und. Ihre Mitwirkung beim Aufrechterhalt dieses Schwindels verweigern. Dieser passive Widerstand. Wird jedoch folgenlos bleiben, wenn er sich nicht in aktiven und konstruktiven Widerstand wandelt.

Zeitgenossin: „Du schreibst in deinem Blog manchmal, dass es ‚eine größtenteils harmlose Website‘ sei. Was meinst du mit diesem understatement?“

Nachtwächter: „Ich meine damit, dass ich mich nicht um das Theater des ‚politischen‘ Tagesgeschehens kümmere, dass ich in der Regel keine Texte aus Zeitungen abschreibe oder politische Stellung beziehe. Dass. Ich sogar jedes Thema meide, an dem sich so viele bekanntere Blogger abarbeiten. Man könnte sagen, dass ich. ‚Unpolitisch‘ schreibe. Und das. Beschränken auf die Objektivität subjektiven Erlebens. Gilt als ‚harmlos‘.“

Zeitgenossin: „Aber deine Texte sind oft gar nicht unpolitisch.“

Nachtwächter: „Das kann sein. Aber sie kümmern sich nicht um das, was Medien und Show-Politiker als den Inbegriff der Politik gesehen haben möchten. Denn das. Ist zwar nicht ‚harmlos‘. Für die davon betroffenen Menschen. Aber es. Geht an allem vorbei…“

Zeitgenossin: (nach einer etwas längeren Pause, in der sie wohl glaubte, es käme noch etwas) „An allem… was?“

Nachtwächter: „An allem!“

Nacht Lid

Mond Krähe
Mond Taube
Mond Pinguin
Nordpol Loch.

Schwarze Grab Brötchen
…eine Speise für die Toten.

Grüne Grab Brötchen
…eine Speise für den Schimmel.

Mond Schwalbe
Mond Amsel
Mond Nachtigall
Südpol kalt.

Zu viele Menschen wissen heute von fast jedem Ding zu sagen, was es wohl kostet. Und. Wissen dennoch nicht mehr, was die Dinge wert sind.

Die gescheiterte Flucht

In ihrem haltlosen Bedürfnis, unter den Bedingungen eines unmenschlichen und abstrakten Prozesses. Noch ein wenig würdevolles und menschliches Sein und Fühlen zu ergattern. Fliehen. Recht viele Menschen in die offene Irrationalität. Dies wiederum wird unter den Bedingungen des gleichen Prozesses ein ertragreiches Geschäft, ein recht exoterischer Markt mit seelischem fast-food unter dem Irre-führenden Oberbegriff der „Esoterik“. Und. Damit ebenso abstrakt und inhaltlich beliebig wie die Zustände, denen die auf diesem Wege zur Zielgruppe gewordenen Menschen doch eigentlich entkommen wollten.

Astrologie -- EFT, Klopf-Akupressur - Heiler-Abend

Die Reklame, mit der parawissenschaftliche Produkte für diese Zielgruppe überall im öffentlichen Blickraum angeboten werden, ist deutlicher Spiegel dieser Dynamik, die übrigens besonders viele Kunden unter jenen Menschen erzeugt, die in so genannten „Sozialberufen“ ihr Geld aus der Entsozialisierung anderer Menschen erwirtschaften — und sich für ihr ach so alternatives „Engagement“ gar nicht genug die eigene Schulter wundklopfen können.

Bei allem alternativtümelnden Getue derer, die in solche Fallen tappsen: Für die Überwindung des gegenwärtig über die Gesellschaft ablaufenden Prozesses führt kein Weg daran vorbei, dass sich Menschen zusammentun und damit enteinzeln, um gemeinsam zunächst im Kleinen und hoffentlich irgendwann auch einmal im Großen bessere Bedingungen für ihr Dasein zu errichten. Leider sind es Wenige, die diesen Weg gehen, und viele sinds, die in die Vermarktung ihres Mangels gegangen werden. Vielleicht auch. Weil sie sich gehen lassen.

Um die kalte, jedes menschliche Leben erstickende Monströsität der städtischen Wohnhöllen richtig fühlen zu können, ist es hilfreich, einen Schritt abseits zu tun, heraus. Aus dem dröhnenden und stinkenden Moloch. Laatzen bei Hannover sieht aus einiger Entfernung, an einem schönen Abend vom Kronsberge aus betrachtet, so aus:

Laatzen

Übrigens „lebt“ mehr als die Hälfte der gesamten Menschheit in Städten.

Sie ist über dreißig Jahre alt. In ihrer kleinen Wohnung wurden Jahre eines improvisierten und beschädigten Daseins fühlbar, wenn man nur hinschaute. Irgendwo hin. Auf ihrem etwas unordentlichen Arbeitsplatz lag neben vielen Stapeln Papier und kalten Briefen von Inkassoabzockern ein Taschenrechner. Es mag daran liegen, dass dieses Gerät in der öden Ansammlung der einzige Trost für das Auge war. Dass. Ich danach griff und es mir. Etwas genauer anschaute. Und. Sie sagte daraufhin: „Ich habe den nicht mehr benutzt, seit ich aus der Schule bin. Wenn man arm ist. Hat man nichts mehr zu rechnen. Man schlägt sich nur noch durch.“

Wir lieben Lebensmittel

Wenn eine Einkaufstüte aus Papier — selbstverständlich ist sie mit einer Werbung bedruckt, es darf ja im Auge des Werbers keine leere Fläche geben — dazu dient, über die Woche hinweg das ganze Altpapier und den leidigen Reklameüberquell aus dem Briefkasten aufzunehmen und schließlich zum Abholtermin zusammen mit dem ganzen anderen Müll an die Straße gestellt wird…

Foto mit einer Papier-Einkaufstüte am Müll, Aufdruck auf der Tüte ist Wir lieben Lebensmittel.

…denn empfindet der Vorüberschreitende dies manchmal als wirklich passenden Kommentar zur Qualität der Lebensmittel.

Gesehen in Linden bei Hannover. Fröhliche Grüße an C. Ich komme demnächst mal wieder kurz vorbei.

Es macht dich nicht schon frei
Wenn du der Ketten spottest —
Dein Spaß geht schnell vorbei
Wenn lebend du verrottest.

Stabilisierende Lachlust — Der Witz ist eine lustvolle soziale Tätigkeit, er wird von einem Menschen erzählt, um einen anderen Menschen damit zum Lachen zu reizen, damit dieses Lachen auf den Erzähler rückwirkt, ihn ansteckt, ihm die Lust am Lachen vermittelt. Um witzig zu sein, muss er erzählt sein. Die Zustände, denen. Auf diese Weise. Eine darbende, kurze Lust abgewonnen wird, verbleiben jedoch lusttötend. Und. Unverändert.

Triumphzug — Der römische General Julius Cäsar soll „seinen“ Legionären ausdrücklich gestattet haben, Spottlieder auf ihn zu singen. Auch. Noch bei den feierlichsten und deshalb scheinbar unpassensten Anlässen. Man muss sich diese Skurillität einmal vorstellen. Im Triumphzug zieht die siegreiche Legion durch Rom. Ganz vorn. Von edlen Pferden gezogen. Im goldbeschlagenen Prachtwagen der siegreiche General, hinter ihm steht auf gleichem Wagen ein auserwählter Getreuer, der in feierlicher Geste und mit sicherlich bald schmerzenden Arm den Lorbeerkranz über dem geehrten Haupte hält. Dahinter ziehen Sklaven die geschmückten Wagen mit der Kriegsbeute, ein Überquell der funkelnden Kleinode und des Goldes. Und. Dahinter in feierlicher Marschordnung das siegreiche Heer; Männer, denen man an ihren Narben noch den Kampf ansieht. Und diese singen ihrem Anführer Spottgesänge. Was für eine Erleichterung! Ganz gewiss zogen sie frohgemut, vielleicht sogar mit viel Lachen in die nächste Schlacht. Von dieser skurillen Szene. Führt ein direkter, gerader Weg. Der gleichsinnigen Zielsetzung zu den Kabarettsendungen im quasi staatlichen Fernsehen der gegenwärtigen deutschen Republik.

Kabarett — Es ist verhältnismäßig leicht, im Stile des politischen Kabaretts der Jetztzeit ein paar kleine Witzchen und Anspielungen über die mediale Berliner Politshow zu reißen: „Ich weiß ja nicht, ob es jeder merkelt, aber wo wir früher verkohlt wurden, da werden wir heute verköhlert. Die Partein, die Partein, die habn immer recht. Und. Wo früher das Ministerium für Staatssicherheit nach den Rechten schaute, da will man heute nicht schauen, da will man gar schäublen. Eine freie Presse gibt dieser deutschen, demokratischen Republik eine freie Stimme, frei von jedem Widerspruch, und wenn Anne will, denn klatschen alle dazu. Die Mauer freilich, sie ist eine andere geworden, hochgezogen aus Becksteinen. Und die Vollbeschäftigung, sie kommt. Immer mehr Menschen sind voll damit beschäftigt, für den Nutzen immer weniger Menschen zu arbeiten. Das lohnt sich doch! Viele schaffen, bis sie geschafft sind, und wenige scheffeln.“ — ganz gewiss wird durch eine solche Ansprache eine gewisse Lust ausgelöst, zieht sie doch den hoch gepriesenen und mit Ehrung überhäuften Apparat zur Ausübung der täglichen Gewalt mit jovialem Wortfall in das Kleine, Niedrige, Schmutzige. Aber. Eben nur verbal, und die Gewalt bleibt unbeeindruckt von den ohn-mächtigen Witzeleien bestehen. Kleingeistig. Mit niedrigen Motiven. Und. In aller ihrer Ausführhung sehr schmutzig. Aber. Dabei wuchtig, würgend und wirkmächtig.

Das ausgewechselte Wischblatt — Früher hat der Bayerische Rundfunk in seinem Sendegebiet die Ausstrahlung der Kabarettsendung „Scheibenwischer“ boykottiert. Und heute wird der „Scheibenwischer“ vom Bayerischen Rundfunkt produziert.

Schluss mit lustig — Es ist die Zeit gekommen, dass man mit dem gezwungenen Lachen über Personen, Prozesse und Zustände aufhört. Und. Es ist die Zeit gekommen, dass man Personen, Prozesse und Zustände ändert. Damit man vielleicht wieder befreit lachenkann.

Der Griff nach den Begriffen

Eine besseres und deutlicheres deutsches Nomen für „Wort“ ist die mittlerweile recht unmoderne Bezeichnung „Begriff“. Alle darin fühlbar mitschwingenden Konnotationen zeigen die Nähe jedes Begriffes zum intellektuellen Verstehen des darin Bezeichneten auf. Der Be-Griff ist ein Griff, der begreifen lässt; er macht die Erscheinungen in der Umwelt in einer mentalen Abbildung greifbar. Wenn es für eine Erscheinung keinen griffigen Begriff gibt, ist jegliches Denken über diese Erscheinung erschwert oder unmöglich. Lässt sich hingegen. Etwas. Durch einen Begriff ergreifen. So lässt es sich auch behandeln, vielleicht sogar oft in der individuell gewünschten Form behandeln. In jedem Fall wird eine Abhandlung über dieses Etwas nicht ins Leere greifen.

Das wissen auch jene, die großes Interesse daran haben, dass man ihr Handeln und seine Ziele nicht richtig begreife. So alt wie die Pest der Politik in abstrakten Staatswesen. Ist. Eine abstrakte Sprache, die den Verstand der Menschen ins Leere greifen lässt und auf diese Weise verbirgt, welche Ziele von einer einflussreichen Clique verfolgt werden. Schon „die Römer“ brachten die aufständischen Sklaven nach der Niederschlagung eines Aufstandes nicht etwa durch Erhängen zu einem langsamen und qualvollen Tod, sondern ihre offizielle Redeweise — wörtlich übertragen — „versah sie mit dem Kreuze“. Das klang nicht mehr nach dem rechtlich abgesegneten Unrecht des Mordes mit dem Ziel, eine ungerechte Sklavenhaltung durch die druckvolle Wucht der Todesangst aufrecht zu erhalten, und es machte. Das Reden über solche Gewaltmittel hinreichend abstrakt. Um die konkrete Gewalt vom Denken unbeachtet in der Gesellschaft wirken zu lassen. Tatsächlich hat auch kaum ein Denkender zu jener Zeit die Idee der Sklaverei als ein Resultat ungerechter Gewalt in Frage gestellt, so sehr sich auch zuweilen ein zaghafter Einspruch gegen gewisse Exzesse regte.

Diese Form des zielvollen Sprachmissbrauches ist seit jeher und bis heute fester Bestandteil jeder politischen Agitation und Propaganda.

Und.

Die Situation ist heute noch schlimmer geworden. Denn heute wird die gezielte Veränderung der Sprache von einem sprachnormenden Apparat zentral organisierter Massenmedien vorangetrieben. Dessen Wirksamkeit sich vielleicht am deutlichsten darin zeigt, dass die einst so starken und lebendigen deutschen Mundarten nach nur drei Generationen eines immer mehr von der Allgegenwart des unentwegt hochdeutsch labernden großen Bruders im Rundfunk geprägten Lebens allesamt im Verstummen begriffen sind. Reichte der Sprachraum des Niederdeutschen noch in meiner Kindheit, vor nicht einmal dreißig Jahren, noch fast bis Hannover herunter, so erstreckt er sich heute nur noch auf einige dörfliche Inseln im Binnenlande und auf einen recht schmalen Streifen an der Nordseeküste. (Von Redewendungen sei hier einmal abgesehen, aber schon der Begriff „stehendes Wort“ sagt ja, dass es sich nicht mehr um Sprache in Bewegung und damit auch in Lebendigkeit handelt.)

Das ist auch deshalb erstaunlich, weil die heutige „hochdeutsche“ Sprache ein recht künstliches Produkt ist. Wohl das prägendste Ereignis für die Gestaltwerdung einer deutschen Schriftsprache war die Bibelübersetzung Martin Luthers mit ihrem kraftvollen Ton. Da Luther bei seinem Übersetzungswerk nicht auf eine im Volke lebendige Schriftlichkeit aufsetzen konnte, bediente er sich selbst einer eher künstlichen Sprache, nämlich der damaligen sächsischen Rechts- und Verwaltungssprache. Diese war — wie wohl jede Sprache von Juristen und anderen sich vom „gemeinen Volke“ abgrenzenden gesellschaftlichen Klassen — von urtümlichen und veralteten Formen geprägt und wies ein Maß an grammatikalischer Kompliziertheit und Unregelmäßigkeit auf, das heute noch eine große Hürde für jeden Deutsch lernenden Menschen ist. Doch. Selbst dieses Maß an Künstlichkeit sollte noch durch die spätere Entwicklung übertroffen werden. Als. Sich die Reformation im Norden Deutschlands ausbreitete und der eigentlich süddeutschen Sprache der Lutherschen Bibel. Eine niederdeutsche Aussprache gab. Die sich dann zum heutigen Hochdeutsch verfestigte.

Angesichts dieser viel zu schnell erzählten Geschichte des Hochdeutschen — es wäre darin doch noch so vieles zu erwähnen! — ist es gar nicht erstaunlich, dass die deutschen Mundarten durch die Jahrhunderte ihre Lebendigkeit behielten. Und. Es ist ebenso ein Zeichen einer sehr bedeutsamen Entwicklung, dass sie nun sterben und zu bloßen lautlichen Einfärbungen einer in ihrem Ursprung völlig künstlichen hochdeutschen Sprache verblassen. Bei dieser sehr bedeutsamen Entwicklung, die eine Erscheinung der jüngeren Zeit ist. Handelt es sich. Um die erfolgreiche sprachliche Normung breiter Bevölkerungsschichten durch zentral organisierte Massenmedien.

Zusammen mit dieser Normung des deutschen Sprachraumes. Lässt sich eine weitere Entwicklung beobachten. Die. Alarmiert.

Es ist die Verdrängung des eigentlichen deutschen Wort-Schatzes durch eine abstrakte, künstliche und unfühlsame Gattung von Wörtern. Die eben keine Be-Griffe mehr sind. Und es auch nicht sein sollen. Es handelt sich hierbei um die Bezeichnungsweisen, mit denen verhindert werden soll, dass man den gegenwärtig über die Gesellschaft ablaufenden Prozess begreife. Indem es gelungen ist, diese Wörter — die Bezeichnung Begriff wäre völlig fehl am Platze — durch die sprachnormende Gewaltung zentral gesteuerter Medien in die Sprache einzupflanzen und im gleichen Zuge. Die klaren Begriffe zu verdrängen. Ist es auch gelungen, den gesellschaftlichen Prozess für die davon betroffenen Menschen unbegreiflich zu machen und damit jeden Widerstandgeist zu ersticken, der sich gegen eine kleine Clique von Menschen richten könnte, die ihre Ziele gegen den Rest der Menschen in Deutschland durchzusetzen suchen. Nur mit dieser planvoll wirkenden Spracharbeit war es möglich, das Elend der Elenden zu vergrößern, Armut zu einem breiten Zustand in Deutschland zu machen, das Leben vieler Menschen von einem Grundzustand existenzieller Angst beherrschen zu lassen, unterbezahlte und unbezahlte Arbeit wie eine Gnade anzubieten und die auf diesem Wege erwirtschafteten Profite zum exklusiven Genuss einer gesellschaftlichen Minderheit zu machen — um dies alles zum Hohn für die Betroffenen auch noch als „Erfolg“ solchen Vorgehens zu verkaufen.

Man hat im alten Rom die Aufständischen eben nicht getötet, sondern „mit dem Kreuze versehen“, und im gegenwärtigen Deutschland ist eben „sozial, was Arbeit schafft“.

Unglücklicherweise. Nehmen auch kritische und nachdenkliche Menschen diesen frisch implantierten und mit dem Schein der Modernität derherkommenden Apparat von Blendwörtern auf und verwenden ihn noch in ihrer Kritik. Und. Arbeiten auf diese Weise den Zuständen zu, die sie doch mit ihrer Kritik zu verhindern oder wenigstens zu mildern trachten.

Leider ist es schwierig, eine vollständige Liste dieser Bullshit-Wörter zu geben, die folgende Aufzählung ist fragmentarisch und die Anmerkungen sind als Würdigung dieses Sprachgebrauches eher zu zahm geraten, als dass sie den vollständigen Zynismus dieser Sprache deutlich machten.

Rechts, Links — Diese beiden Wörter werden zur Bezeichnung einer politischen Ausrichtung verwendet. In ihrem Ursprung bezeichnen sie die Sitzordnung im Parlament, und sie sind damit eine sehr relative Angelegenheit, frei von jedem Inhalt. Und. Damit auch mit jedem Inhalt befüllbar, wenn dies politisch nützlich erscheint. Dass sich eine bei Wahlen zurzeit erfolgreiche, doch im Parlamentsbetrieb eher einflusslose politische Partei als „Die Linke“ verkauft, nimmt jetzt schon den Opportunismus vorweg, der wohl demnächst das politische Agieren dieser Partei prägen wird.

Sozial — Ursprünglich meinte dieses griffige Adjektiv so etwas wie „die menschlichen Beziehungen betreffend“. Da es ein Fremdkörper ist, hat es sich gut für den Sprachmissbrauch geeignet. Unter Bismarck wurde unter diesem Begriff ein System von staatlichen Zwangsversicherungen eingeführt, mit deren Hilfe die grellste Menschenverachtung des damaligen Kapitalismus abgemildert werden sollte. Es. Handelte sich um ein politisches Instrument zur Verhinderung einer kommunistischen Revolution. In dem Maße, in dem ein für die Revolution erforderliches Klassenbewusstsein durch mediale Verdummung erstickt wurde, erwies sich dieses System der individuellen Existenzsicherung als immer entbehrlicher für den Aufrechterhalt eines Systemes der Ausbeutung menschlicher Schaffenskraft durch Wenige. Deshalb wird es seit Jahren zurückgebaut. Diesen Vorgang bezeichnet man aber nicht klar und deutlich als „Abbau“, sondern als „Reform“.

Soziale Marktwirtschaft — Ein Widerspruch in sich selbst. Wenn das Sein der Menschen vom totalen Kampf einer allumfassenden Vermarktung jeden menschlichen Strebens geprägt ist, denn sind alle Angelegenheiten der zwischenmenschlichen Beziehungen unrettbar beschädigt.

Wettbewerb — Keine harmlose und verspielte Angelegenheit wie ein Pferderennen, auf dem eine Wette abgeschlossen wird, sondern ein erbarmungsloser Kampf eines Jeden gegen Jeden, der auch noch als Selbstzweck auf einem Schlachtfeld voller Überfluss durchgeführt werden soll.

Reform — Eigentliche Wortbedeutung ist etwa „Neuordnung“, hinter diesem Wort versteckt sich allerdings meist eine Abschaffung zivilisatorischer Errungenschaften oder eine Verschlechterung des Lebens für viele Menschen. Dabei wird nicht etwa neu geordnet, sondern die bestehende Ordnung mit der Peitsche existenzieller Angst gefestigt.

Globalisierung — Dieses Wort klingt fast wie eine unaufhaltsame Naturgewalt oder ein Unwetter, bezeichnet aber die Gewalt von Menschen und ist damit durchaus aufzuhalten. Gemeint ist hiermit die Aufgabe klassischer, an Staatsgrenzen gebundener politischer Regeln, um immer mehr Regeln von international agierenden, angesammelten Kapital bestimmen und durchsetzen zu lassen.

Privatisierung — Übertragung von allgemeinen Besitz in die exklusive Verfügungsgewalt weniger Menschen, die sich diesen Besitz mit ihrem angesammelten Kapital unterm Nagel reißen können.

Verantwortung — An sich ist Verantwortung eine Bedingung individueller Würde, aber in der heutigen Propaganda wird unter Verwantwortung nur noch verstanden, dass ein Mensch seine eh schon gering gewordenen finanziellen Mittel noch für die Absicherung seines eigenen Lebensrechtes im Krankheits- oder Rentenfall aufwänden soll. Natürlich soll das Geld dabei den Banken langfristig zur Verfügung gestellt werden, als ob sich dort noch nicht genügend Kapital gesammelt hätte. Immerhin wird bei dieser Betrachtung jedem klar, wer die zugehörige Politik wohl durch Zuwendungen aller Art hervorruft.

MarktDer Markt soll alles richten. Das funktioniert nicht, weil es keinen Markt gibt. Den ein Markt ist nichts weiter als ein (auch abstrakter) Ort, an dem sich Angebot und Nachfrage begegnen und aus ihnen eine preisbildende Dynamik entsteht. Die heutigen Märkte sind von der Erscheinung geprägt, dass keine ausreichende Nachfrage existiert, deshalb muss Nachfrage künstlich durch das psychologische Gewaltmittel der Reklame erzeugt werden.

Arbeitsmarkt — Ein Markt, auf dem sich Menschen um jeden erzielbaren Preis selbst verkaufen sollen, obwohl fast keine Nachfrage besteht. Damit nicht dennoch zu hohe Preise entstehen, wird durch staatliche Subventionen ein zusätzlicher Markt für billige Arbeit geschaffen, dies ist Bestandteil der „Reformen“ der letzten Jahre. Auch hier kann also von einem Markt nicht die Rede sein, das Wort ist pure Propaganda.

Flexibilität — Ursprüngliche Bedeutung ist so etwas wie „Biegsamkeit“, und wenn diese mit Gewalt von den Menschen gefordert wird, die sich auf dem Fleischmarkt für Arbeit verkaufen sollen, ist das nur unter dem unfühlsamen Fremdwortcharakter dieses Wortes verborgen und kann dehalb nicht unmittelbar begriffen werden.

Arbeitsmarktpolitik — Ausübung von Staatsgewalt, damit Menschen auch unterbezahlte oder unbezahlte Arbeit annehmen. Auf diese Weise sollen die Preise auf dem Arbeitsmarkt gedrückt werden.

Sicherheit — Möglichkeit, einen angesichts der gegenwärtigen Zuspitzung denkbaren Volksaufstand im weitgehend rechtslosen Raum mit Gewehren erschießen zu können, wenn er sich nicht vorher im weitgehend rechtslosen Raum durch innerstaatliche geheimdienstliche Tätigkeit abwehren ließ.

Familienpolitik — Staatliche Maßnahmen, um die Kinder weitgehend von ihren Eltern zu entfremden und über einen weiten Zeitraum ihrer Kindheit in staatlichen Institutionen zu dressieren. Eine weitere, unter dem Begriff der „Flexibilität“ erwünschte Wirkung ist, dass sich auch Familien untereinander entfremden, da schon die kleinsten Zellen der Solidarität eine Gefahr für die Ziele der Profiteure des über die Gesellschaft ablaufenden Prozesses sind.

Sparen — In seinem Ursprung war diese Tätigkeit eine Haltung, in Zeiten des Überflusses für eventuelle Notlagen etwas vom Überfluss beiseite zu legen. Heute ist mit dem „Sparen“ gemeint, dass sich Menschen um die existenzielle Bedingung einer wachsenden Armut herumwurschteln sollen.

Freiheit — Ist zur Bezeichnung für ein System von Zuständen verkommen, unter denen eine Minderheit von Menschen auf Kosten der Mehrheit der Menschen profitiert und die mit immer weiter gehender Einschränkung der Freiheit aufrecht erhalten werden sollen.

Politik — Eine medial transportierte Show mit so genannten Politikern.

Jeder Bloggende in Deutschland fühle sich von mir aufgefordert, die Bullshit-Sprache der Politikshow, der zentral organisierten Massenmedien und wirtschaftlicher Propagandastellen völlig abzustreifen und wieder klare deutsche Begriffe zu verwenden, auf dass viele Menschen begreifen, was hier mit ihnen geschieht. Auch, wenn dieser Stil dem ehemaligen Nachrichtenmagazin nicht gefallen kann.

Wartezimmer

Wenn mann zusehen muss, wie sich Frauen mit einer unverhohlenen Freude an der Gewalt in eine typische so genannte „Frauenzeitschrift“ voller bunter Bilder mit erlogenen Geschichten über irgendwelche menschlichen Produkte des Medienbetriebes und über die heute geadelten Nachkommen der in der Vergangenheit erfolgreichen Großräuber festlesen können, denn wünscht mann sich angesichts solcher Kälte schon so manches Mal, schwul zu sein.

Feigheit

Feigheit (die) — Ein angstvoller psychischer Zustand, der die Menschen davon abhält, jene Taten zu begehen, über deren Ergebnis sie sich freuen würden, wenn der Moment des Tuns doch erst vorüber wäre.