Archive for März, 2010


Das falsche Rechtschreibtraining

Ich ertappe mich dabei, dass ich die interaktive Rechtschreibprüfung in modernen Programmen standardmäßig ausschalte und lieber diese paar Fehler in Kauf nehme, die ich zwar mache, aber auch beim dritten Überlesen nicht sehe. (Wenn ich sehr sorgfältig bin, lasse ich die Rechtschreibprüfung am Ende einmal über den gesamten Text gehen, doch in der Regel erspare ich mir diese Sorgfalt, wenn ich fürs Internet schreibe.)

Das liegt an der Kombination, wie ich auf Papier zu arbeiten pflege und wie die Rechtschreibprüfung seit knapp einem Jahrzehnt dem Benutzer präsentiert wird. Wenn ich auf Papier schreibe (was selten geworden ist) und ein Wort oder eine Passage rot unterstreiche, denn markiere ich damit für mich selbst, dass es sich um eine wichtige, zentrale Stelle im Text handelt, die ich später, wenn mir der Text schon ein wenig fremd geworden ist, auch querlesend schnell wiederfinden möchte. Es handelt sich um diejenigen Teile des Textes, die ich mir, wenn ich das Thema darlegen möchte, besonders einzuprägen habe. Kurz: Ich unterstreiche das sicher Richtige und Wichtige rot. Die Rechtschreibprüfung macht es hingegen genau umgekehrt. Sie markiert in roter Signalfarbe, was falsch oder fragwürdig ist, und sie zieht auf diese Weise die Aufmerksamkeit noch während des Schreibens auf das Falsche und Fragwürdige, damit ich mich auch ja nicht auf das Richtige und Wahre konzentrieren kann. Ja, in gewisser Weise trainiert sie mich auf das Falsche und Fragwürdige, wenn auch nicht auf inhaltlicher Ebene, sondern durch den im Hintergrunde laufenden, mechanischen Abgleich mit einem Wörterbuch voller genormter Schreibungen, indem sie mir den Text so präsentiert, als handele es sich bei den Abweichungen von dieser Normung um das Wichtige. Sie ist wie ein pedantischer, unentwegt in den Prozess des Schreibens ätzender Lehrer, den ich mir verinnerlichen soll, um auch immer auf die Einhaltung der genormten Schreibweise zu achten und meine Aufmerksamkeit auf die Fehler zu richten, die ich dabei mache, damit ich mir diese Fehler gut einpräge. Gar nicht klar kommt so eine Rechtschreibprüfung mit meiner Neigung, beim schnellen Schreiben alle Wortendungen wegzulassen, um die Sätze in einer stark flektierenden Sprache wie der deutschen leichter umstellen zu können, ohne dabei jedes Mal drei Wörter bearbeiten zu müssen — ein Arbeitsweise, die übrigens völlig klar macht, dass der Sinn weder in der Grammatik noch in der Rechtschreibung sitzt, sondern im geäußerten Gedanken. (Der Stil sitzt hingegen sehr wohl in der Form, wie die sprachwirkliche deutsche Aussage „Klappe oder ich mach dich Messer“ zeigt.)

Zumindest für mich ist die moderne Form der Rechtschreibprüfung ein Beispiel einer schlecht entworfenen Benutzerschnittstelle, die das genaue Gegenteil der beabsichtigten Funktion bewirkt, und ich glaube, dass das auch vielen anderen Menschen so geht. Psychologisch ist die Hervorhebung von Fehlern einfach ein Fehlgriff, der zu einer ungünstigen Konditionierung führt. Ich gehe davon aus, dass ein guter Teil der wachsenden Inkompetenz in Rechtschreibfragen auf diese schlecht entworfene Benutzerschnittstelle zurückzuführen ist; darin bin ich zwar nicht allein, aber ich habe völlig andere Gründe für diese Annahme. Es ist nicht so, dass es zur Nachlässigkeit führt, wenn man sich auf die Dienste eines Abgleichs mit einem Wörterbuch verlässt, sondern es ist so, dass die gegenwärtige Benutzerpräsentation der Rechtschreibprüfung dazu führt, dass man sich auf seine Fehler konzentrieren muss und sich so erst die Fehler richtig einprägt. Vermutlich könnten viele Menschen ihre (übrigens für den Sinngehalt des Geschriebenen unwichtige) Fähigkeit in der deutschen Rechtschreibung verbessern, indem sie — wie ich — die interaktive rote Unterkringelung der Fehler abschalten und am Ende ihres Schreibens, wenn sie sich darauf konzentriert haben, ihren Gedanken in Wort und Form zu bringen, einmal die Rechtschreibung des gesamten Textes überprüfen lassen. Denn das. Kann auch weiterhin eine große Hilfe im Dschungel der barocken Unlogik der deutschen Schriftsprache sein.

Frohe Ostern

Während die ganzen Eier gerade eifrig darüber diskutieren, ob es wohl angemessen ist, an ein Leben nach Ostern zu glauben, haben wir in der BRD ein „Jobwunder“ in der Journaille. Zumindest statistisch. Ob dieser Jesus damals wohl auch nur statistisch auferstanden ist, ob er wohl einfach nur nach gewissen Maßstäben „weniger tot“ war? :mrgreen:

Missbraucht und verdrängt

Die von Mitgliedern der classe politique immer wieder in den Apparat der Contentindustrie gepresste Idee, dass sexueller Kindesmissbrauch irgendwo im Internet und für das Internet stattfinde, ist deshalb so gefährlich und auch so wirkmächtig, weil sie den Hang vieler Menschen zur Verdrängung füttert. In Wirklichkeit. Werden die Kinder (und andere ausgelieferte Menschen) von nahe stehenden Menschen aus dem direkten persönlichen Umfeld, zuweilen sogar von den eigenen Eltern, häufiger jedoch von Lehrern, Pastoren, Nachbarn, Verwandten oder Bekannten der Eltern missbraucht. Im Internet hinterlässt dies nicht einmal Spuren, sondern es geschieht in eiskaltem Totschweigen. Dagegen helfen keine Stoppschilder für Websites. Die Zensur — sie bedarf nicht einmal des Staates — findet bereits statt. Und. Die Mechanismen dieser Zensur sind eher noch dichter als jede staatliche Unterdrückung gewisser Äußerungen, weil sie direkt in die Seelen der missbrauchten Menschen gegossen werden. Auf der einen Seite des psychischen Betons schweigt das Trauma und hinterlässt ein schwer beschädigtes Leben, auf der anderen Seite sind die Täter in Sicherheit. Sie sind in so großer Sicherheit, dass — wie aktuell in vielen Fällen des Kindesmissbrauchs durch Pädagogen und Geistliche in gruseliger Weise sichtbar wird — die Opfer, die einst missbrauchten Kinder, so lange schweigen, bis die Gewalttaten längst verjährt sind, wenn sie überhaupt einmal ihre Stimme wiederfinden.

Das Thema Kindesmissbrauch — es ist schon bitter, hier von einem „Thema“ zu sprechen, als handele es sich um etwas, was wie die Klassifikation von Schmetterlingsarten abzuhandeln sei — führt zu entsetzlichem Elend nicht wegen seiner Offenheit, sondern wegen seiner Ausblendung und seiner kollektiven Verdrängung. Die gemeine Idee, Kinderpornografie im Internet mit irgendwelchen Stoppschildparagrafen unsichtbar zu machen, statt für eine wirksame Strafverfolgung Sorge zu tragen, ist ein Spiegelbild dieser Verdrängung. Und. Es ist ein Zement für diese Verdrängung.

Orden

Orden (der, Substantiv) — Menschlametta. Ein Stück Blech, das von der classe politique jenen angeheftet wird, die unentwegt Blech reden und schreiben, um die Zustände zu erhalten.

Sie sagte: Das ist kein Studium. Ich habe mir das ganze Material schnell reinzustopfen, um es dann für die Hausarbeiten auf Papier zu kotzen. Bei Menschen, die unter Bulimie leiden, kommt es durch den ständigen Reflux zu Verätzungen der Speiseröhre und des Kehlkopfes und zu verminderter Herztätigkeit, und so etwas ähnliches habe ich gerade in meinem Gehirn.

Obacht!

Hier zu Baden kann den Kopf kosten

Ein warnendes Schild im Abendlicht. An der Ihme, Linden bei Hannover.

Compaq Dada

Ich habe ja wirklich schon ein paar Jahre Erfahrung mit diesem ganzen Wahnsinn der Datenverarbeitung, und ich bin deshalb sehr geneigt, zu glauben, dass ich jeden nur erdenklichen Unsinn schon gesehen hätte. Aber als mir heute das BIOS eines betagten Compaq-Rechners…

Bildschirmfoto vom BIOS

…in den Systeminformationen die Seriennummer des Gehäuses anzeigte, bin ich doch noch mal in diese sprachlose Starre zwischen Erheiterung und Fassungslosigkeit verfallen. Ob ein paar kleineren Probleme, die ich gerade mit dem Gerät habe, wohl damit zusammenhängen könnten, dass ich nicht den richtigen Treiber für das Gehäuse habe? 😉

Computer sind die besten Dadaisten.

Erfindungen

Die Erfindungen für Menschen werden unterdrückt, die Erfindungen gegen sie gefördert.

Bertold Brecht

Schatten eines Ereignisses

Die Ereignislosigkeit der meisten Leben spiegelt sich darin wider, dass irgendwelche Filmproduktionen von Werbern mit dem Begriff event movie an den Zuschauer gebracht werden sollen.

Es hüpfe der Zeiger!

Jetzt, wo der Irrsinn einer politischen Norm für die Zeitmessung wieder einmal über die Lande geht, wo sich alle Menschen daran erinnern sollen, dass sie am Sonntag morgen ihre Uhren um eine Stunde verstellen, so es die Uhren noch nicht automatisch tun, jetzt, wo wir es vor uns haben, dass am kommenden Montag die Menschen noch unausgeschlafener, mürrischer und unaufmerksamer sind als eh schon des Montages, dass es deshalb auch die typische Spitze in der Unfallstatistik gibt — ja, jetzt schlummert sich wieder ein Wort in die Medien, das dort vor allem zu diesem Anlass und sonst das ganze Jahr lang nicht mehr bemüht wird. Das Wort „Schlafforscher“.

Diese sagen übrigens jedes Jahr das gleiche, nämlich, dass diese am 6. April 1980 eingeführte Maßnahme eher schädlich ist. Das mit der Energieeinsparung durch das „Deutsche Zeitgesetz“ ist hingegen ein Effekt im Bereich der außersinnlichen Wahrnehmung. Zum Energieeinsparen wäre es angesichts des immensen Aufwandes zur Beheizung der Wohnquader während der Wintermonate viel effizienter gewesen, ein „Deutsches Wettergesetz“ zu verabschieden, welches das Sommerwetter im Winter einführt. Das wäre lösungsorientierte Politik gewesen! Populär, mutig und wirksam, genau die richtige Entschlusskraft für eine bessere Zukunft. Und endlich könnten wir deutsche Bananen kaufen.

Selbstamputation

Strenge Moralisten sagen: Um glücklich zu sein, muß man alle Leidenschaften aus sich verdammen. Dieser Rat ist ungefähr so gut, als wie wenn man einem, der über enge Stiefel klagt, sagt, er soll sich beide Füße amputieren lassen, damit er kein Verdruß mehr mit dem Schuster hat.

Johann Nepomuk Nestroy

Hallo Frühling!

Was bin ich froh darüber, dass es draußen endlich etwas anderes als Kälte, Schnee und Eis gibt. Besseres Wetter und ein bisschen Wärme machen sogar ein trübes Leben erträglicher.