Ich ertappe mich dabei, dass ich die interaktive Rechtschreibprüfung in modernen Programmen standardmäßig ausschalte und lieber diese paar Fehler in Kauf nehme, die ich zwar mache, aber auch beim dritten Überlesen nicht sehe. (Wenn ich sehr sorgfältig bin, lasse ich die Rechtschreibprüfung am Ende einmal über den gesamten Text gehen, doch in der Regel erspare ich mir diese Sorgfalt, wenn ich fürs Internet schreibe.)
Das liegt an der Kombination, wie ich auf Papier zu arbeiten pflege und wie die Rechtschreibprüfung seit knapp einem Jahrzehnt dem Benutzer präsentiert wird. Wenn ich auf Papier schreibe (was selten geworden ist) und ein Wort oder eine Passage rot unterstreiche, denn markiere ich damit für mich selbst, dass es sich um eine wichtige, zentrale Stelle im Text handelt, die ich später, wenn mir der Text schon ein wenig fremd geworden ist, auch querlesend schnell wiederfinden möchte. Es handelt sich um diejenigen Teile des Textes, die ich mir, wenn ich das Thema darlegen möchte, besonders einzuprägen habe. Kurz: Ich unterstreiche das sicher Richtige und Wichtige rot. Die Rechtschreibprüfung macht es hingegen genau umgekehrt. Sie markiert in roter Signalfarbe, was falsch oder fragwürdig ist, und sie zieht auf diese Weise die Aufmerksamkeit noch während des Schreibens auf das Falsche und Fragwürdige, damit ich mich auch ja nicht auf das Richtige und Wahre konzentrieren kann. Ja, in gewisser Weise trainiert sie mich auf das Falsche und Fragwürdige, wenn auch nicht auf inhaltlicher Ebene, sondern durch den im Hintergrunde laufenden, mechanischen Abgleich mit einem Wörterbuch voller genormter Schreibungen, indem sie mir den Text so präsentiert, als handele es sich bei den Abweichungen von dieser Normung um das Wichtige. Sie ist wie ein pedantischer, unentwegt in den Prozess des Schreibens ätzender Lehrer, den ich mir verinnerlichen soll, um auch immer auf die Einhaltung der genormten Schreibweise zu achten und meine Aufmerksamkeit auf die Fehler zu richten, die ich dabei mache, damit ich mir diese Fehler gut einpräge. Gar nicht klar kommt so eine Rechtschreibprüfung mit meiner Neigung, beim schnellen Schreiben alle Wortendungen wegzulassen, um die Sätze in einer stark flektierenden Sprache wie der deutschen leichter umstellen zu können, ohne dabei jedes Mal drei Wörter bearbeiten zu müssen — ein Arbeitsweise, die übrigens völlig klar macht, dass der Sinn weder in der Grammatik noch in der Rechtschreibung sitzt, sondern im geäußerten Gedanken. (Der Stil sitzt hingegen sehr wohl in der Form, wie die sprachwirkliche deutsche Aussage „Klappe oder ich mach dich Messer“ zeigt.)
Zumindest für mich ist die moderne Form der Rechtschreibprüfung ein Beispiel einer schlecht entworfenen Benutzerschnittstelle, die das genaue Gegenteil der beabsichtigten Funktion bewirkt, und ich glaube, dass das auch vielen anderen Menschen so geht. Psychologisch ist die Hervorhebung von Fehlern einfach ein Fehlgriff, der zu einer ungünstigen Konditionierung führt. Ich gehe davon aus, dass ein guter Teil der wachsenden Inkompetenz in Rechtschreibfragen auf diese schlecht entworfene Benutzerschnittstelle zurückzuführen ist; darin bin ich zwar nicht allein, aber ich habe völlig andere Gründe für diese Annahme. Es ist nicht so, dass es zur Nachlässigkeit führt, wenn man sich auf die Dienste eines Abgleichs mit einem Wörterbuch verlässt, sondern es ist so, dass die gegenwärtige Benutzerpräsentation der Rechtschreibprüfung dazu führt, dass man sich auf seine Fehler konzentrieren muss und sich so erst die Fehler richtig einprägt. Vermutlich könnten viele Menschen ihre (übrigens für den Sinngehalt des Geschriebenen unwichtige) Fähigkeit in der deutschen Rechtschreibung verbessern, indem sie — wie ich — die interaktive rote Unterkringelung der Fehler abschalten und am Ende ihres Schreibens, wenn sie sich darauf konzentriert haben, ihren Gedanken in Wort und Form zu bringen, einmal die Rechtschreibung des gesamten Textes überprüfen lassen. Denn das. Kann auch weiterhin eine große Hilfe im Dschungel der barocken Unlogik der deutschen Schriftsprache sein.