Archive for Juni, 2008


Tschlandvorbei

Ich habe das Wochenende mit dem Finale der EM außerhalb der hupenden und brüllenden Stadt verlebt, und es war eine Wohltat. Als ich zurückkehrte, erfuhr ich auch gleich das Ergebnis, indem ich meine Augen offenhielt. Auf dem Fahrrad fuhr ich an einem offenen Müllcontainer vorbei, und darin befand sich ein recht großes Stück Tuch in Schwarz, Rot und Gelb; teilweise. Schon von anderem Müll überdeckt. Da wusste ich gleich, welches Ergebnis wohl bei diesem Endspiel erzielt wurde… 😉

Jetzt ist „Tschland“ vorbei, und man ist wieder in der Bundesrepublik, die nur wenig Grund zum Feiern gibt. Mit massenhafter Verarmung, wegbrechenden Mittelstand, Propaganda der INSM und einer so genannten „Politik“, die immer mehr zum bloßen Abnicken und anschließendem Schönreden der Forderungen wirtschaftlicher Lobbyisten durch immer menschenfernere Politiker verkommt. Das zuvor viel geschwenkte, „deutsche“ Tuch in der Mülltonne, es war für mich der beste Kommentar zur diesjährigen Aktion „Brot und Spiele“ in der Glotze und allen anderen breit rezipierten Medien im Angesicht der Kälte und des Zerfalles.

Nein, ich hatte keine Kamera dabei… leider.

Vom Werbefeldzug

Oft macht die Sprache sehr deutlich, welches Denken hinter ihr steht — sie ist zuweilen so konkret, dass ihre kalte Verwendung Schauern macht. Wenn der Denkende im Zusammenhang der Werbung etwa das Wort von der „Zielgruppe“ hört, dann sieht er eine Gruppe von Menschen, auf die von den Werbern gezielt wird, in einem Fadenkreuz stehen.

Die Blindheit der Ausblendung

Die bewusste Wahrnehmung eines Menschen ríchtet sich unwillkürlich nur auf das Regelwidrige und Außergewöhnliche in der Umwelt aus; das Konstante und Regelmäßige wird hingegen ausgeblendet und erfordert eine willentliche Anstrengung , eine besondere Hinwendung der Aufmerksamkeit, um überhaupt bewusstseinsfähig zu werden. Man sagt dann, es sei „monoton“ und „langweilig“ und klassifiziert es damit schnell und gern als „unwichtig“, der Versuch bewussten Wahrnehmens des Konstanten und Regelmäßigen erfolgt unter mentaler Kraftanstrengung gegen eine deutlich verspürbare Unlust und kann wegen der Beschränktheit der verfügbaren mentalen Kraft nicht lange aufrecht erhalten werden.

Ein Mensch kann eine im Zimmer laut, aber regelmäßig tickende Uhr vollständig ausblenden, das Geräusch ist kein Inhalt des Bewusstseins und damit auch kein Inhalt der Wirklichkeit des Menschen mehr. Wenn keine willentliche und kraftzehrende Ausrichtung der Aufmerksamkeit geleistet wird, geschieht solches Ausblenden als unbewusster Vorgang von allein. Nämliches gilt für den Gestank und den Verkehrslärm der großen Städte.

Auch dringen kontinuierliche Veränderungen nicht in das Bewusstsein, wenn sie nur langsam und regelmäßig genug ablaufen. Die scheinbare Wanderung der Sonne oder des Mondes über die Kuppel des Firmamentes wird wegen ihres Regelmaßes und ihres langsamen Ablaufes aus sich selbst heraus nicht als eine Bewegung wahrgenommen, und die (deutsche) Sprache spiegelt diese Tatsache des Bewusstseins wider, wenn sie physikalisch falsch. Aber psychologisch zutreffend ausdrückt: „Die Sonne steht im Zenit“ oder „Der Mond steht am Horizont“.

Wegen dieser Eigentümlichkeit der bewussten Wahrnehmung des Menschen ist es möglich, auch noch die mörderischste Barbarei relativ offen zu betreiben, wenn sie nur Allgegenwart und Konstanz genug ist, um nicht zu Bewusstsein und damit vielleicht auch zu Einsicht und Widerstand zu werden. Selbst Menschen mit einem hohen Maß persönlicher Kultiviertheit sind in der Vergangenheit immer wieder daran gescheitert, das Faktum geschlechtlicher oder rassistischer Unterdrückung, der brutalen Verfolgung politischer oder religiöser Abweichler oder der rücksichtslosen Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft auch nur zu beachten, wenn es allgegenwärtig war und somit durch einen Anschein monotoner Selbstverständlichkeit aus dem Bewusstsein gedrängt wurde. In gleicher Weise wird heute ebenfalls auch von Menschen mit einem hohen Maß persönlicher Kultiviertheit gleichmütig und mit fatalistischem Achselzucken hingenommen, dass im laufenden gesellschaftlichen Prozess bei der vorgeblichen Bekämpfung der Armut nur die von Armut betroffenen Menschen bekämpft werden — was immer an Grausamkeiten in regelmäßiger Monotonie der grauen Alltäglichkeiten abläuft, gelangt nicht unwillkürlich ins bewusste Wahrnehmen. Von der Blindheit solchen Ausblendens. Sind selbst noch. Die Betroffenen betroffen.

Ebenso. Kann eine gesamte menschliche Gesellschaft beinahe beliebig umgebaut werden, ohne dass es von einem nennenswerten Anteil der Menschen in dieser Gesellschaft bemerkt wird, wenn dies nur langsam genug geschieht. Bei solchem Ansinnen — und der systematische Umbau einer Gesellschaft von Vielen nach der Interessenlage Weniger ist stets ein planvolles Ansinnen — wird in der Regel so vorgegangen, dass zur Förderung der Ausblendung des laufenden Prozesses. Der Wahrnehmung andere außergewöhnliche und dynamische „Ereignisse“ vorgesetzt werden, um einen möglichst großen Teil der beschränkten Kapazität des Bewusstseins mit Nebensächlichem und individuell Unwichtigem zu erschöpfen. Und. Dieses zweckdienliche Ansetzen an den niemals recht bewussten Grundlagen des Bewusstseins. Funktioniert selbst dann noch in erschreckend guter Weise, wenn der künstliche und inszenierte Charakter solcher „Ereignisse“ gar nicht besonders subtil, sondern eine grobe. Und sich noch der stumpfesten Einsicht aufdrängende. Tatsache. Ist.

Nähreres. Zu diesem trüben Thema. Zeigt sich bei der bewusst aufmerksamen Lektüre einer Tageszeitung, beim bewusst aufmerksamen Gang durch die Straßen in Deutschland oder in bewusst aufmerksamen Gesprächen mit anderen Zeitgenossen.

Mutters Brust

Werbung ist eine sehr teure und ernste Angelegenheit. Mit Werbung wird nicht gespielt, und in der Werbung wird nichts dem Zufall überlassen. So schlicht die Gestaltung eines Firmenlogos auch sein mag, hinter dieser Gestaltung stehen Marktforscher und Psychologen, deren ganzes hoch bezahltes Trachten darauf gerichtet ist, die Konsum- und Kaufwünsche der Menschen möglichst affektiv und vernunftfrei hervorzurufen. Und dabei. Wird jedes verfügbare Mittel, jeder psychische Hebel. Angenommen. Und mit versteckter Gewalt an die Menschen angesetzt.

Wenn der Fühlende mit offenem Bewusstsein an einer Filiale der Schnellfraß-Kette McDonalds vorbeigeht, fällt ihm auf, dass das typische geschwungene „M“ des Logos dieser Kette den Umrissen einer Brust nachempfunden ist. Und. Nur wegen dieser nahe liegenden Assoziation genau diese Form erhalten hat. Die über dieses Logo hergestellte affektive Verbindung eines Angebotes für die fixe Nahrungsaufnahme mit der ersten und in ihrer emotionalen Intensität niemals wieder erreichten menschlichen Erfahrung des Ernährt-Werdens fügt sich vollkommen in die weitere Gestaltung einer solchen Haststätte. Die Sitze sind niedrig und für die Körpergröße von Kindern gemacht; die Speisen reizen mit geschmacklichen Sensationen, sind aber leicht zu kauen und geben auch dem Magen keine besondere Arbeit; alles ist überwürzt oder überzuckert; die Werbefigur Ronald McDonald ist ein Clown und verweist auf das Kindliche; ein Kulturgut wie Geschirr ist nicht vorhanden, ein Besteck zum Herunterschlingen des Fraßes nicht nötig, alle Verpackung kann in kindischer Verantwortungslosigkeit weggeworfen werden. Hier erhält die Kindern in der Regel viel zu wenig gewährte Lust des Saugens an Mutters Brust ihr konsumistisch verzerrtes Spiegelbild. Als. Angebot für Menschen, die eigentlich längst solchen Bedürfnissen entwachsen sein sollten. Dass ein solches Konzept wirtschaftlich erfolgreich sein konnte. Belegt. Die erfolgreiche und sehr weit gehende Infantilisierung sehr vieler Menschen in den „modernen“ Gesellschaften der Jetztzeit.

Der folgende Scan ist ein Ausschnitt aus dem offiziellen Prospekt für die zehnte lange Nacht der Museen am 28. Juni in Hannover. Der handgeschriebene Kommentar „Das ist ja bürgerfreundlich“ wurde von C. angebracht, die mich heute auf diese Ankündigung hingewiesen und mir dieses kleine Dokument der Zeitgeschichte zugesteckt hat.

Ankündigung der Sonderausstellung Kunst in der Polizei auf Seite 18 des Prospektes für die 10. Nacht der Museen in Hannover

Was hier angekündigt wird, ist die Sonderausstellung „Kunst in der Polizei“. In diesem Text wird eifrig der Kunstbegriff mit Aspekten der polizeilichen Arbeit und den diversen dabei entstehenden Nutzwerken verknüpft, was an sich schon fragwürdig ist. Dieser fragwürdige Kunstbegriff geht dann im letzten Absatz in eine Realsatire über, bei der einem das Lachen im Halse stecken bleiben kann, wenn es dort heißt:

Neben Führungen durch die Ausstellung können sich die Besucher erneut „erkennungsdienstlich behandeln“ lassen und das Fahndungsfoto sowie den Fingerabdruck kostenlos mit nach Hause nehmen.

Das ist doch tröstlich und ausgesprochen „bürgerfreundlich“, dass man die Ergebnisse einer solchen „Behandlung“ nach Hause nehmen darf und dass sie nicht über Jahre hinweg in einer der vielen Datensammlungen auf ihre nächste Chance warten, gegen einen verwendet werden zu können oder bei einer der immer häufigeren Datenpannen einer Behörde an die Öffentlichkeit zu kommen. Ganz anders. Als die vielen derartigen „Behandlungen“, die auf bloßen Verdacht und — zuweilen scheint es einem Außenstehenden wie mir zumindest so — aus fetischhafter Lust am Sammeln biometrischer Daten erhoben werden; demnächst auch einfach nur bei der Erstellung eines neuen Personalausweises. Davon kann man nichts unverwertet durch die Behörden nach Hause nehmen. Alles das wird von technischen Stümpern mit lässiger Einstellung zu Bürgerrechten aller Art verwaltet. Zudem können sich im Rahmen einer solchen „kulturellen“ Veranstaltung diese ganzen kulturbeflissenen Besucher schon einmal an die neue Normalität in der Bundesrepublik Deutschland gewöhnen, in der sich jeder Mensch nun einmal so behandeln lassen muss, wie es vor wenigen Jahren nur mit Kriminellen oder mit Menschen unter ziemlich begründetem Verdacht geschah. Eine zukunftsweisende Idee! Und. Ein echter Kandidat für den Schäuble-Award dieses Jahres. Mehr von solchen Veranstaltungen, und ein erklecklicher Teil der Menschen in Deutschland wird gar nichts Ungewöhnliches mehr daran finden, wie Verbrecher behandelt zu werden — schließlich kennt man es ja schon aus dem Museum. :mrgreen:

Fröhliche Grüße an C. Ich freue mich schon auf Freitag.

»Politik« und Politik

Ich. Schreibe keine im heute üblichen und von den Massenmedien transportieren Sinne dieses Wortes „politischen“ Texte. Denn. Ich bin. Ein viel zu politischer Mensch dafür.

Mordwirtschaft

Es ist ja nicht so, dass eine unregulierte, sich in verantwortungsloser Dynamik entfaltende Marktwirtschaft nicht ihre Stärken hätte. Oh nein, sie kann Großes hervorbringen. Sogar. Spitzenleistungen. Und der zur Ideologie gehörige Wettbewerb — wie sehr dieses Wort doch nach harmloser Wettlust klingt, wo es einen Kampf eines jeden Menschen gegen jeden Menschen ums Überleben meint — kann eine kaum für möglich gehaltene Optimierung aller Prozesse überall dort hervorbringen, wo das Geld, der grimme Fetisch dieses Wettbewerbes, allein die Regeln diktiert. So sehr. Diese Optimierung unter der Fuchtel dieses Fetischs auch zum Selbstzweck geraten kann. Das muss man anerkennen. Und niemals darüber vergessen, wo die verantwortungslose Dynamik eines totalitären Wettbewerbes ihre Schwächen hat und Ergebnisse hervorbringt, deren „Größe“ ins Monströse abgleitet und die von keinem mit Empathie ausgestatteten Wesen gewünscht werden kann. Da, wo das Leben selbst allein durch die Brille des Geldfetischs betrachtet wird, da wird es flugs „hinwegoptimiert“, so es nicht für irgendeinen Teilnehmer des wirtschaftlichen Wettbewerbes Profit verspricht. Überall, wo die Menschen als Kinder, Kranke, Alte, Empfindsame, Nachdenkliche oder im ewigen Kampf Verbrauchte und deshalb Anfällige nicht mehr zur Gewinnschöpfung dienen können, stehen sie dem Selbstzweck der Optimierung unter den Bedingungen eines totalitären Wettbewerbes im Weg und führen nicht zu irgendeinem wirtschaftlichen Engagement, sondern werden mit großer Gleichgültigkeit als Kollateralschaden hingenommen. Die gleichen Unternehmer und ihre Mietmäuler aus diversen Propagandavereinen, die in anderem Zusammenhang gar nicht laut genug nach der immer weiter gehenden Rücknahme des Staates aus dem gesellschaftlchen Prozesses brüllen können, rufen genau für diesen Abrieb der Gesellschaft nach dem Staat und seinen Leistungen; bevorzugt Geldleistungen, damit diese marginalisierten Menschen wenigstens noch Konsumenten sein können und auf diese Weise in der wirtschaftlichen „Logik“ wieder sinnvoll werden. Der Profit soll privatisiert sein, aber die gesellschaftlichen Folgen des Profits Weniger sollen der ganzen Gemeinschaft eines Staates und damit der Allgemeinheit aufgebürdet werden. Ist ein solches Aufbürden nicht mehr möglich, so zeigt die totalitär verstandene Marktwirtschaft ihre faschistoide Fratze, indem sie die Vernachlässigung menschlichen Lebens fordert, gleich, wie sehr die Existenz der von solcher Forderung betroffenen Menschen auch gefährdet wird — selbst das Hinwegsterben der so nach wirtschaftlichen Kriterien selektierten Menschen würde mit kaufmännisch kalter Addiermaschine in Kauf genommen, um die weitere und inhärent antisoziale Privatisierung der Profite nicht zu gefährden. Hier zeigt sich. Wie das angestrebte Ideal solcher Ideologie in seiner Wirklichkeit heißen müsste. Es ist. Eine. Mordwirtschaft.

Die fehlenden schönen Bilder

Zeitgenosse: „Du hast jetzt drei Tage hintereinander hässliche und deprimierende Fotos zu deinen Texten gestellt. Machst du eigentlich keine schönen Bilder?“

Nachtwächter: „Natürlich habe ich in den letzen Tagen schönere Motive gefunden, Bruder: Wilde Lilien, Ponys, Kühe und Gänseküken. Aber das beschädigte Leben der Menschen um mich herum ist nicht von wilden Lilien, Ponys, Kühen und Gänseküken geprägt, sondern von der kältesten Verwirtschaftung jeder menschlichen Regung. Und. Von dieser ängstlichen Stumpfheit, mit der diese Entmenschung von fast allen Menschen hingenommen wird, als ob nicht jeder wüsste, dass diese Entmenschung Unrecht ist. Die Bilder sollen einen Finger auf die Wunde legen, genau wie die Texte, die Betrachtungen, die kurzen Gedanken. Mehr nicht. Sie sind ein Hilfsmittel des Ausdrucks, genau wie die Sprache. Kitschpostkarten. Sind hingegen überall käuflich zu erwerben.“

Fröhliche Größe an M. — und ich bin nicht ganz so garstig und zeige hier auch gern einmal, wie es etwas außerhalb der dröhnenden, stinkenden Stadt an manchen Orten aussieht:

Außerhalb der stinkenden Stadt

Richtung und Garheit (12)

Die Glotze — Die jüngere Evolution brachte es mit sich, dass die meisten Sinnesleistungen des Menschen in der Rückbildung begriffen oder schon verkümmert sind. Was dem Menschen verblieb und was noch zu einer bachtlichen Leistung fähig ist, das ist das Gehör und das Sehvermögen. Und genau diese beiden Sinne werden vom populärsten Medium der heutigen Zeit in Beschlag genommen, so dass kein Raum für eigenes Wahrnehmen mehr verbleibt. Ist es bei einer solchen Verstopfung der Wahrnehmung ein Wunder, dass so viele Menschen kaum noch ein Wissen über die Dinge haben, die für ihr Leben von wirklicher Wichtigkeit sind?

Die Liebe — Wenn in einem Liebesfilm nach vielen Wirrungen die beiden endlich zusammenkommen, denn geben sie sich einen langen Kuss, weil sich die direkte Darstellung des Geschlechtsverkehres in einem Unterhaltungsprodukt der Contentindustrie noch nicht gehört. Dazu schwillt die Musik an, als ob der weichgezeichnete Kussraum voller Geigen hinge. Und. Es folgt der Abspann. Alles Miteinander blendet die gestanzte „Romantik“ dieser Produktionen aus, es gibt keine Beziehung. Kein Bild vom Manne, der von Arbeitslosigkeit bedroht seine Arbeit macht und erschöpft nach Hause kommt, kaum noch zu einer sexuellen Regung imstande. Kein Bild von der Frau, die sich unter Geldsorgen in den Einkaufskrieg stürzt, das quengelnde Kind hinter sich herzerrt und irgendeinen billigen Fraß zusammenpantscht. Ist es bei solchen vielrezipierten Klischees von der Liebe verwunderlich, dass die Menschen nicht zu einem gemeinsamen Leben imstande sind, wenn ihre Gefühle füreinander erkalten?

Die Soap-Opera — Wie trefflich die Contentindustrie ihren eigenen Stoff erzeugt. Was die Auslassungen in der industriellen Darstellung der Liebe an zwischenmenschlichen Defekten verursachen, das macht sie zu neuem Stoff, zur täglichen Gelegenheit, Kunstfiguren bei der intriganten psychischen Zerfleischung zuzuschauen. Menschen, die im Frieden, vielleicht sogar in Solidarität miteinander leben, sie sind gewiss kein gutes Geschäft.

Das Geld — Die Banken sagen den Menschen in ihrer Reklame, dass sie doch „ihr Geld für sich arbeiten lassen“ sollen. Doch was arbeitet da wirklich? Oder besser: Wer arbeitet da wirklich? Hat auch nur einmal jemand Geld beim Arbeiten gesehen? Hinter dem dummen Beizsprech der Werber zeigt sich schon beim flüchtigsten Gedanken überdeutlich der versklavende Charakter des gegenwärtigen Geldsystemes.

Das Spiel — Gelegentlich liest der aufmerksame Leser, dass Computer inzwischen schon viel besser Schach spielten als die meisten Menschen. Meist kombiniert sich solches Berichten mit Spekulationen über eine demnächst mögliche, künstliche Intelligenz. Aber auch der Aufmerksamste. Übersieht leicht. Was hier falsch berichtet wird. Ein geeignet programmierter Rechner kann gegen einen menschlichen Gegner beinahe immer im Schachspiel gewinnen, aber eines kann er (noch) nicht: Er kann nicht spielen.

WirtschaftswissenschaftlerEin anderes Wort für Menschenhasser.

Senoiren Service Zentrum

Ein treffendes Bild. Die kalte Fassade einer Betonburg aus den frühen Siebziger Jahren, die in ihrer Monströsität representiert, welche Unmenschlichkeiten in jener Zeit unter dem Wort „Fortschritt“ verstanden wurden. An dieser Fassade etwas hingekachelte Dekoration, sehr stilsicher im „Geschmack“ dieses Zeitalters. Diese Burg ist nur noch eine Baustelle, sie soll mit viel Stahl und Glas in den nicht minder kalten „Geschmack“ des gegenwärtigen Zeitalters gerettet werden, auf das sich das Geschäft für die Investoren lohne. Vor dem grausamen Bau zweckmäßig die graue, immerdröhne Straße; ein Platz für den Verkehr, nicht für Menschen. Ein Bauzaun. Soll davon abhalten, den Gefahrenbereich dieser Baustelle zu betreten. Hinter dem Bauzaun. In frisch gestrichen wirkendem, leuchtendem, alarmierendem Rot ein Laden, leergefegt und in seiner Erscheinung so freundlich wie ein Feuermelder. Und. Über diesem Laden der Text, schon im Stil der Jetztzeit gehalten, einschließlich Deppen Leer Zeichen, drei Wörter Einwort, die dem Vorübergehenden mitteilen, um was es sich bei diesem Laden handeln soll. Um ein „Senioren Service Zentrum“.

Das Foto zeigt den Blick auf das Ihmezentrum in Linden bei Hannover von der Blumenauer Straße aus gesehen.

Beton

Beton

Rührt Beton an,
Mehr
Beton!

Wir gießen Behausungen
Für die städtischen Nomaden.
Für die stummen flitzen Nirgendse
Die überall sein müssen.

Eine Garage
Ist das beste Fundament
Für unsre Häuser. Wir
Nennen es. Zeitgemäßes Wohnen
Im keck gestreuten Grün
Mit Verkehrsanbindung
Und Einkaufsmöglichkeiten und
Alternativ energetisch shengfui
Ist es natürlich auch (für
die Sozialpäderasten
auf ihrer bücken Pirsch nach Jobs,
denn die zahlen höher Miete).

Gerendert sieht es gut aus.
Der Grafiker versteht sein Handwerk.

Betonmischer
Kommt gefahren und lasst uns gießen!
Die Form ist klar und handhabbar
Und weitgehend frei
Von individuellen Merkmalen.
Denn
Wir gießen für die nomadischen Städter
Leicht austauschbare Behausungen;
Es geht um eine Unterkunft,
Da sucht keiner
Nach einer Heimat.

Wie auch!
Das Mensch hat flexibel zu sein,
Globalisiert und jederzeit bereit
Die Flucht aufs Neue zu ergreifen. Bindungen
Stören
Da nur.

Wir gießen für Städte voll Nomaden
Feuchte Zelte aus Beton
Auf den Grund der Garagen. (Denn
Parkplätze sind ja immer das größte Problem,
Sie kennen das ja selbst.)
Wir graben Löcher und gießen sie voll Beton
Um Löcher in den Himmel zu schrauben,
Versteinerte, ausgehärtete Löcher:
Unterkünfte für die stummen Nirgendse
Die überall flitz und fremd sein müssen.
Das ist ein sauberes und gutes Geschäft,
Auch fürs Investment und die Altersvorsorge.

Wir nennen es. Stadtgerechtes Wohnen
Im Wohnpark beim Parkplatz und
Bei der Verkehrsanbindung im Grünen
Und bei naher Shoppingmöglichkeit. Und gerendert
Sieht es sehr gut aus, weil kein Mensch darin ist.

Wir gießen. Beton. Zur
Parkmöglichkeit beim Wohnen und Shoppen
Für die ungebundenen Nichtse, unsere Mieter.
Das Gras wächst schnell darüber,
Die dornen Sträucher der Baumschule
Heucheln Leben für die Kamera. Und. Unsere Mieter
Werden es kaum jemals bemerken.

Das Schulgebäude

bbs4 hannover

Wenn man durch die Straßen deutscher Ortschaften geht, fällt es niemals schwer, ein Schulgebäude auf dem ersten Blick als solches zu erkennen. Denn. Es trägt den ganzen Ungeist des Schulwesens in Deutschland offen vor das Auge. Der gesamte Bau ist nach den gleichen „ästhetischen“ Maßgaben gestaltet, unter denen zu seiner Bauzeit Fabriken errichtet wurden. Und. Zeigt damit den fabrikmäßigen Charakter dessen, wofür dieser Bau errichtet wurde.

Bei aller Ähnlichkeit: Anders als bei einer Fabrik finden sich an einer Schule keine technischen Anlagen zur Produktion. Denn dort. Wird mit psychologischen Mechanismen aus den jungen Menschen produziert, die an diesem trüben Ort unter Zwang einen an sich schönen Lebensabschnitt vergeuden müssen. Was dort aber mit den Menschen produziert wird, das ist nicht „Wissen“ und schon gar nicht „Bildung“, sondern eine Anpassung an die gewünschte Disziplin für die spätere fabrikmäßige Verwurstung der menschlichen Schaffenskraft. Ob diese Anpassung durch Unterwerfung. Oder durch Abstumpfung geschieht. Ist für diesen Vorgang unerheblich. Die Schule ist keine „Lernfabrik“, was wegen der individuellen Form jedes menschlichen Lernvorganges auch gar nicht möglich wäre, sie ist eine Fabrik zur zwangsweisen Disziplinierung von Menschen. Wer als aufrecht gehendes Kind — was heute unter den Bedingungen medialer Kindverblendung und institutionaliserter Entelterung bereits eine Seltenheit ist — in diese Anstalt zum Menschzerbruch gerät, wird sich entweder in sein trübes Nutzleben fügen und von dort mit einem Abschluss entlassen werden, der noch ein Minimum persönlicher Perspektive ermöglicht; oder aber, er wird sich nicht darin fügen und dafür auf Grund der schulischen Bewertungen seines Seins zu einem aussichtslosen und gesellschaftlich wirkungslosen Dasein verdammt werden.

So wenig die betroffenen Schüler bewusst darum wissen, mit welcher gemeinen Perfidie sie in der Schulfabrik Menschen zu fabriktauglichen Robotniks geformt werden sollen, so sehr spiegelt der Soziolekt der Schüler die angewandte Methodik und Gewalt des Schulbetriebes wider. Den Ort nennen die Schüler einfach „Penne“, und der in diesem Worte gegebene Bezug auf die Bewusstlosigkeit des Schlafes drückt aus, dass die Schule kein Ort für bewusste Regungen in Eigenverantwortung ist. Die Leerer Lehrer nennt des Schülers Mund „Pauker“ oder — im gewaltsamen Aspekt etwas deutlicher, aber ebenfalls nach dem Schlagzeuge — „Steißtrommler“, was trefflich das Monotone und Hypnotische des gesamten Betriebes ebenso wie die angewandte Gewalt widergibt.

Wer immer aus der politischen Kaste angesichts des Zustandes des Schulwesens in der BR Deutschland in die wortgeilen Kameras und Mikrofone etwas von einer „Bildungsrepublik“ faselt, ohne auch nur einen Nebengedanken auf jene Strukturen zu richten, die Bildung unter den Bedingungen des bestehenden Systemes unmöglich machen, entlarvt sich als hohle Phrasenschleuder in der Frühphase des Wahlkampfes. Und zeigt. In der Blindheit solchen Redens. Dass er um den Erfolg der zwangsweise verabreichten Beschulung wohl weiß und nur wenig Wert auf eine Veränderung legen wird.