Archive for Oktober, 2007


Die Profil-Neurotiker

Der Vorübergehende von morgen fragt mich, den Vorübergehenden von heute, was das alles zu bedeuten hat. Das. Alles. Im vorübergehenden Internet von heute.

Und ich sage nur: „Es ist ein seltsames Phänomen. Die Menschen legen sich so genannte Profile an, bei MySpace, bei YouTube oder anderen Diensten. Der vorgebliche Zweck dieser Profile ist es, etwas über sich mitzuteilen, aber das wollen diese Menschen gar nicht. Oder. Sie können es gar nicht. Die Menschen nehmen große Grafiken und legen sie in den Hintergrund ihrer Profile, damit die Leere des Mitgeteilten gar nicht ins Auge fällt. Sie nehmen multimediale Inhalte aller Art und verwürzen damit den Vordergrund ihrer Profile. Sie scheinen nicht zu wissen, warum sie es tun. Sie tun es einfach. Vielleicht. Weil sie glauben zu müssen, zu müssen, weil ja jeder muss. Die, die ich persönlich fragte, konnten mir nur sagen, dass sie es cool fänden. Eine kühle Antwort, die die Kälte des mechanischen Vorgangs gut widerspiegelt. Aber warum sie es machen, konnten sie auch nach Rückfrage nicht angeben, einige wurden sogar unterschwellig aggressiv bei einer so einfachen Frage. Ich glaube, sie machen es, weil sie einen Ersatz für ihr entfremdetes und damit entglittenes Leben suchen. Und. Sie entwickeln dabei nicht einmal einen Funken Bewusstseins, dass sie damit ihr entfremdetes und entglittenes Leben stabilisieren. Die schreiende, flackernde und blinkende Leere ihrer Profile ist ein Spiegelbild der Leere ihres Lebens. Die megabyteschwere Verpackung für das flutsche Nichts ihrer Mitteilungen ist ein Blick auf die Zukunft der Medien: Mit großem Aufwand nichts mitteilen, aber auch dabei nicht persönlich werden, sondern in vorgestanzten Schemata bleiben. Um etwas anderes zu tun, müssten diese Menschen wissen, dass sie etwas anderes tun können. Und. Das ist es, was hier schon den Kindern abgewöhnt wird. Damit. Aus jeder menschlichen Regung ein geschäftlich und institutionell behandelbarer Vorgang gemacht werden kann. Der. Mit gezwungenem Lächeln hingenommen wird.“

Der Vorübergehende von morgen geht weiter. Er weiß, dass seine trübe Zeit nicht aus dem Nichts kam.

Die »soziale« SPD

Nur kurz verlinkt: So sozial, Herr Beck, ist die SPD in der Praxis, mögen Sie auch einen noch so schönen Programmentwurf gemacht haben.

Der falsche Mörder

Zu viele Menschen verwechseln den Menschen, der Missstände und schlimme Entwicklungen benennt, mit den Menschen, die Missstände und schlimme Entwicklungen hervorbringen, weil sie davon profitieren. Der selbst hilflose Rufer wird als Ketzer verschrien, er wird ausgeschlossen und gemieden, er wird auf polemische Weise verunglimpft und mit überreichem Spott bedacht, wenn er solch erboster Reaktion argumentierend gegenüber tritt. Das ist keine besonders intelligente Haltung. Es ist, als würde man den Arzt, der einen Totenschein ausstellt, mit dem Mörder verwechseln und ihn wie einen Mörder behandeln.

Aber das Bild des gegenwärtigen Zustandes ist noch garstiger, denn hier kommen die Profiteure der Missstände und unmenschlichen Prozesse zu Amt und Ehren. In dieser Metapher wird nicht nur der Arzt mit dem Mörder verwechselt und an Stelle des Mörders verachtet und abgestraft, sondern auch noch der Mörder zum Arzt gemacht.

Im Rahmen der Whitedarkness 11 werde ich mal wieder eine Lesung abhalten. Diese Lesung wird — anders, als es wohl einige von mir erwarten — nicht „lyriklastig“ sein, was auch am Thema liegt.

Denn mein Thema ist die Werbung, diese allgegenwärtige, einseitige und dumme Form der Kommunikation. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Bildsprache der Fernsehwerbung.

In der Vorbereitung habe ich tagelang Zeit damit zugebracht, etliche aktuelle Werbespots durchzuschauen, zu verschlagworten, Notizen zu ihnen zu machen, sie zu beschreiben. Das ist eine besonders harte Kost für jemanden wie mich, der sich sonst dem Fernsehen völlig verweigert und deshalb nicht die Stumpfheit hat, die von der Werbung mit teilweise drastischen Mitteln überwältigt werden soll. Ein besonderer Dank geht an Frank, der mir seine Wohnung, seine Mediengenussgeräte und Mitschnitte von etwa 140 aktuellen Werbespots zur Verfügung gestellt hat und es darüber geschafft hat, meine wenig fröhliche Gegenwart tagelang auszuhalten. Obwohl ich seinen Kaffee wegschlürfte, seine Zigaretten mitrauchte und ihm — es ging nicht ohne — etliche seiner Kopfschmerztabletten wegnaschte.

Mit dem gegenwärtigen Stand meiner Texte bin ich nicht zufrieden. Ich habe mich daran gewöhnt, dass es so ist. Aber dieses Mal kommt es mir besonders unangemessen, besonders schlecht vor. Es gibt so viele Dinge, die zur Sprache kommen müssten, wenn man über Werbung spricht, und die meisten kann ich nicht einmal anschneiden, damit auch Thomas Sabottka nach mir noch zum Reden kommt…

Wer mich dennoch hören möchte, kommt am besten am Samstag, den 3. November in das UJZ Korn. Der Einlass beginnt um 21:00 Uhr, und ich werde relativ früh mit meiner Lesung beginnen. Für die 3 Euro Eintritt gibt es natürlich noch viel mehr, neben der gewiss großartigen Lesung von Thomas Sabottka können auch die neuen Gemälde von Robert Schaper bewundert werden. Der Kaffee ist — wie immer auf den Veranstaltungen der White Darkness — kostenlos, und nach dem Kulturprogramm wird es eine Menge tanzbarer, vorwiegend elektronischer Musik geben, damit man auch in Bewegung komme.

Ende des Werbeblocks mit Selbstbeweihräucherung.

Vom Leben in simulierten Welten

Immer wieder fragt sich der fühlende und denkende Mensch, wie diese ganzen Consulting- und Wirtschafts-„Wissenschafts“-Institute auf ihre recht weltfremden und Menschen verachtenden Ideen zur Umgestaltung der betrieblichen Abläufe und der ganzen Gesellschaft kommen. Das liegt daran, dass der fühlende und denkende Mensch zunächst einmal davon ausgeht, dass es sich beim Wirtschaften nicht um einen Selbstzweck handelt, sondern um eine kulturelle Leistung, die dem Menschen dienen sollte, indem sie — wie jede kulturelle Leistung — den Menschen aus den Unwägbarkeiten seiner natürlichen Bedingtheit herausnimmt.

Dass dies nicht mehr der Fall ist, bemerken mittlerweile — trotz massiver Wirtschafts-Propaganda im täglichen Auswurf der Content-Industrie — selbst stumpfere Seelen. Wirtschaft ist längst schon ein technokratischer Selbstzweck geworden, dem alles andere untergeordnet wird. Koste es, was es wolle, solange die Zahlen gut sind und die Gewinne sprudeln. Ein Mensch wird im Zuge dieser Haltung in erster Linie als eine Batterie im betrieblichen Produktionsprozess behandelt, die verbraucht und am Ende weggeworfen wird — und sogar das so genannte „Gesundheitswesen“ hat Züge eines Recycling-Hofes, dessen Priorität vor allem wirtschaftlich ist.

Ich habe einen Verdacht, woran das liegen könnte, und ich bekomme diesen Verdacht nicht mehr aus meinen Gedanken.

Heute verbringe ich lebensstilbedingt keine Zeit mehr mit Computer-Spielen, aber das war nicht immer so. Als ich jünger war und mir die Zeit endlos erschien, habe ich manche müßige Stunde damit zugebracht, in Welten abzutauchen, die nur mittels eines Computers simuliert wurden. Ein Spiel, das ich als recht interessant empfand, war SimCity, von dem ich vor allem die älteren Versionen kennen gelernt habe.

Es gab in den alten Versionen von SimCity eine recht einfache Strategie, erfolgreich zu spielen. Vielleicht geht das auch noch in neuen Versionen, ich weiß es nicht. Früher ging es, und wer noch ältere Versionen hat, sollte das ruhig einmal ausprobieren. Die Strategie beruht auf einer Schwäche in der Simulation, die bemerkenswert ist und gruselig viel über das Denken derer verrät, die diese Simulation entworfen und programmiert haben.

Diese Stategie ist ganz einfach. Man streife seine letzten moralischen Skrupel gegenüber den simulierten Leben ab und lasse, sobald sich eine einigermaßen moderne Wirtschaft gebildet hat, alle Menschen verhungern. Das Herstellen entsprechender Lebensbedingungen ist relativ einfach. Im Fortlauf der Simulation kann man dann schön beobachten, wie die ganze simulierte Stadt ohne Menschen weiterläuft, als rein wirtschaftliches Gebilde. Die Kraftwerke erzeugen Energie, die Fabriken produzieren Güter, die Straßen sind voller Transport, es entsteht Müll und mit dem Müll ein großer wirtschaftlicher Aufschwung und stetiger Fortschritt, alles wie von allein, ganz, ohne dass ein Mensch dabei zugegen wäre oder davon profitierte. Die angezeigten Zahlen werden besser als bei jeder anderen Strategie, mit der man es in SimCity versuchen kann. Und dabei kommt es überhaupt nicht zu den anderen Problemen, gegen die man sonst als absoluter Herrscher dieses simulierten Gebildes zu kämpfen hat, es gibt keine Slumbildung mehr und auf aufwändige medizinische Versorgung kann verzichtet werden. Das Geld sprudelt nur so!

Jedes Mal, wenn ich die kranken, technokratischen Beglückungsideen der wirtschaftlichen Lobbyverbände, der neoliberalen Denkfabriken und der diesem Abschaum allzu hörigen politischen Kaste mitbekomme, erinnere ich mich daran. Und. Ich denke, dass diese vor Gier kranken Menschen zu häufig so etwas Ähnliches wie SimCity gespielt haben müssen. Dass sie sich in ihren Gedankenspielen ausschließlich mit einer simulierten Gesellschaft befassen, in der Menschen als Individuuen in der Objektivität ihres subjektiven Seins keine Rolle spielen. Und. Dass sie das Ergebnis solcher Simulation — natürlich in seriös wirkender, aber letztlich blind gläubiger wissenschaftlicher Sprache gekleidet — an wirkliche Gesellschaften voller Menschen anlegen. Es erklärte so vieles von dem, was der Denkende und Fühlende zurzeit jeden Tag ertragen muss.

Wonach frau strebt

Sie sagte: „Als Frau strebt man eher danach, schön zu sein. Intellektuell zu sein ist nicht so wichtig. Man findet schließlich viel häufiger einen dummen Mann als einen blinden.“

Auswärtiges Denken (18)

Diesem Blogeintrag in Nackos Welt ist nichts mehr hinzuzufügen:

Trotz Streik geöffnet

[…] Wem dieses Schild net auch nur ansatzweise komisch vorkommt oder wer beim Anblick kein krudes Gefühl hat, der soll sterben gehen. Ich bin vor dem Schild stehen geblieben und musste erstmal tief Luft holen. Dann sind mir innerhalb von einer Sekunde ungefähr 50.000 Gedanken durchn Kopp geschossen, die sich so insgesamt auf einen runterbrechen lassen: “Ok, wer will zuerst sterben?? […] Ist Streiken unfreundlich? Ist jederzeit da sein normal? Gibts Freundlichkeit geschenkt? Ist das in Ordnung? Warum pervertieren Geld und Wirtschaft? Was ist das, was mich jeden Tag so verzerrt? Also, verstehste? Solche Begebenheiten zerstören mein komplettes Bild, das ich mir jeden Tag aufs neue aufzubauen versuche. Wie ich mit Menschen umgehen sollte, warum sie mit umgehen, wie sie es tun, wie ich das alles begreifen soll was jeden Tag um mich rum passiert. […]

Der ganze Text ist meine unbedingte Lesempfehlung für heute.

Es ist mal gerade einen Monat her, dass versucht wurde, die zahlreichen Benutzer der deutschen WordPress-Version mit einem standardmäßig mitgelieferten Plugin an den Handel mit Links heranzuführen.

Zum Glück für viele wurde dieser Versuch nach massivem Widerstand aufgegeben. Was damals schon als Thema im entsprechenden Thread im Support-Forum von WordPress Deutschland aufkam, ist jetzt nämlich Wirklichkeit geworden. Ein Handel mit Links verstößt gegen Googles Richtlinien, und Google hat jetzt eine „Abstrafung“ von Sites durchgeführt, die sich mit professionellen Linkhandel finanzieren — das Google-Ranking wurde einfach herabgesetzt, um die betroffenen Sites in den Google-Suchergebnissen bedeutungslos zu machen. Für viele kommerzielle Sitebetreiber ist das ein schmerzhafter Verlust geworden, da mit der Bedeutungslosigkeit in Google natürlich auch Traffic wegbricht, der sich durch die eingeblendete Werbung in barer Münze auszahlt.

Ich weiß im Moment nicht, ob auch der Linkhandel über LinkLift von dieser recht drastischen Maßnahme Googles betroffen ist. Aber es ist gut vorstellbar, da hier genau diese Form von Handel mit einer käuflichen Linkplatzierung betrieben wurde. Wenn es der Fall ist, dass auch mit LinkLift kooperierende Sites betroffen sind, denn dürften jetzt viele Nutzer dieses kurzzeitig zum Standard-Download gehörenden Plugins mit einer miesen Findbarkeit in der zurzeit wichtigsten Suchmaschine für Internet-Inhalte gestraft sein. Der Traum vom mühelos, nebenbei beim Bloggen verdienten Geld wäre wie eine Seifenblase zerplatzt.

Und ehrlich gesagt: Mein Mitleid mit diesen Bloggern hielte sich in engen Grenzen.  😈

Aber bei aller nachträglichen Häme: Google selbst ist in dieser Angelegenheit höchst unglaubwürdig. Schließlich tritt Google mit seinem eigenen AdSense-Programm im großen Geschäftsfeld der Internet-Werbung an, und es verbleibt der fade Beigeschmack, dass hier verschiedene Mitbewerber unter Missbrauch des Quasimonopols von Google geschädigt werden sollen. Das lässt an einen anderen Quasimonopolisten denken, der sich in der Vergangenheit durch massiven Missbrauch seiner Marktposition nicht gerade als Paradebeispiel für die alles besser machenden „Kräfte des freien Marktes“ geeignet hat: Microsoft.

Unter den Zuständen, die im gegenwärtig über den Gesellschaften ablaufenden Prozess entstehen, scheint das Motto der Besitzenden gegenüber den Besitzlosen folgendermaßen zu lauten: „Was mir gehört, das gehört mir. Und was dir gehört, das ist Verhandlungssache.“

Stasi 2.0

Was den Fühlenden und Denkenden erfreuen kann, ist in trüben Tagen nur wenig. Aber die folgende Kategorie im Ressort „Politik“ in der Telepolis, die erfreut doch etwas.

Politik/Stasi 2.0

Jetzt müsste nur noch die etablierte Journaille damit beginnen, sich mit der Wirklichkeit in der gegenwärtigen Bundesrepublik zu befassen, statt immer die gleiche Hofberichterstattung von den großen Agenturen abzuschmieren, und schon würde ich mich ein bisschen mehr freuen.

Nicht geeignet

Bei vielen Darbietungen im Fernsehen wird vor der eigentlichen Sendung eine Texttafel gezeigt: „Die folgende Sendung ist für Zuschauer unter 16 (oder 18) Jahren nicht geeignet.“

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Vor beinahe allen Sendungen, vor allem aber vor den endlosen Werbesendungen, den fragwürdigen Glücksspielen und den so genannten „Soap-Operas“ müsste ein ähnlicher Hinweis eingeblendet werden: „Die folgende Sendung ist für Zuschauer nicht geeignet.“

Die Behinderung der Sozialdemokratie

Diese so genannten „Genossen“ aus der SPD können schon lange keine Faust mehr ballen. Das liegt daran, dass sie inzwischen überall ihre Finger drin haben.