Nach einem Vierteljahrhundert staatlich geforderten und geförderten Lohndumpings ist das Leben im „lebenswerten“ Land längst zu teuer für jene vielen Ignorierten geworden, die durch ihre Arbeit den Lebenswert erst erschaffen.
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„Das Pack, das in allen journalistischen Medien bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Gewerkschaften ermahnt, es mit den Lohnforderungen ja nicht zu übertreiben“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „sich dann aber in allen journalistischen Medien wortreich darüber beklagt, dass wegen der einbrechenden Binnennachfrage eine Rezession ins Haus steht, wenn hier nicht bald ein bisschen ‚Kauflaune‘ aufkommt, das ist genau das dumme, gierige, menschenverachtende und asoziale Pack, das hier weg muss — und zwar zusammen mit dem widerlichen Schergen von Journalisten, der diesem Pack seine schmerzendlaut verstärkte, überall widerhallende Stimme gibt, in der jede andere Stimme unhörbar werden soll“.
„Um einen Staat wie die Bundesrepublik Deutschland beurteilen zu können“, sagte der Vorübergehende zu seinem vom Journalismus verblendeten Zeitgenossen, „muss man sich Schulen, Gefängnisse, Kinderheime, Altersheime, Obdachlosenunterkünfte, Psychiatrien und vergleichbare Unorte des unfreiwilligen Aufenthaltes lange genug von innen anschauen. Da zeigt sich so deutlich, wie das gewünschte Bild des Staates und die verdrängte Wirklich- und Wirksamkeit des Staates auseinanderfallen, dass man es nie wieder vergisst. Journalisten schauen sich aber lieber Politiker, Sportler, Unternehmer und reiche Menschen an“.
„Es ist doch seltsam“, sagte der Vorübergehende zum Studenten, „dass immer mehr Menschen in der BRD formal immer besser gebildet sind, man aber im Alltag gar nichts von diesem seit Jahrzehnten immer höheren Bildungsniveau mitbekommt, zum Beispiel in Form einer erhöhten Einsichts-, Innovations- und Problemlösungskraft. Da möchte man doch denken, dass im Bildungswesen gar keine Bildung vermittelt wird, sondern etwas ganz anderes“.
Die davon sprechen, dass Straßenblockaden die Gesellschaft spalteten, sprechen niemals davon, dass Altersarmut, Kinderarmut, Pflegenotstand, Schul-, Universitäts- und Bildungsnotstand, Wohnungsmangel, Wuchermieten, Massenverarmung und wachsende Ungleichheit bei korrupter Klientelpolitik für Reiche und Millionenerben die Gesellschaft spalten, und im Spiegelbild dieser Auslassung zeigt sich deutlich, dass ihnen der Zusammenhalt der Gesellschaft außerhalb einer propagandistischen Nutzung völlig gleichgültig ist.
Was die tiefbürgerlichen Straßenblockierer nicht verstehen: In der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem seit dreißig Jahren parteiübergreifend durchgesetzten politischen Willen, großen Teile der arbeitenden Bevölkerung scheibchenweise immer weniger Kaufkraft für ihre Arbeitsleistung auszuzahlen, muss man sich die Angst vor einer Klimakatastrophe erst einmal leisten können — ganz im Gegensatz zur Angst vor Obdachlosigkeit, Krankheit, Altersarmut, Hunger oder fieser Willkür der Sozialbehörden.
Dass der ansonsten aus christlich-religiösen Gründen absurd weit in die persönliche Lebensführung eingreifende „Tanzverbotsstaat“ BRD keine Hemmungen hat, die Abiturprüfungen seiner staatlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen an einem hohen muslimischen Feiertag abzunehmen, wird bei vielen jungen Muslimen einen bleibenden und nachhaltigen Eindruck hinterlassen.
„Es ist doch seltsam“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „dass so viele Politiker immer nur dann ihr ’soziales Gewissen‘ entdecken, wenn es um Klimapolitik geht, aber niemals, wenn es die tägliche Lebenswirklichkeit armer Menschen in der BRD geht. Darin, wie diese intelligenz- und menschenverachtenden Lügner mit schlechter Kunstfertigkeit ihre Freundschaft zu den Armen zu spielen versuchen, spiegelt sich mit grotesker Deutlichkeit ihr fanatischer Armenhass“.
Wenn es bei der so genannten „Wahlrechtsreform“ darum gegangen wäre, den Bundestag zu verkleinern, wie es gerade von den jeweiligen Günstlingen der Parteioligarchen in jedes Mikrofon geschwätzt wird, dann hätte es dazu eine sehr einfache Möglichkeit gegeben: Die Anzahl der Sitze davon abhängig zu machen, wie viele Gestaltungsmöglichkeiten von Wahlberechtigten bei der Berechnung der Sitzverteilung wegfallen, entweder indem sie nicht wählen gehen (wofür es angesichts der fehlenden Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Abkürzungen für das gleiche Programm der extremen Mitte allen Grund gibt, denn um wählen zu können, muss man eine Auswahl haben), oder indem sie für eine Partei stimmen, die an der antidemokratischen, aber historisch nachvollziehbaren Fünf-Prozent-Hürde scheitert und damit ihre Stimme genau so wirksam wegwerfen wie ein Nichtwähler, aber etwas mehr Aufwand dabei haben. Wenn hundert Sitze zu vergeben sind, aber die Wahlbeteiligung bei 70 Prozent liegt, dann werden eben nur 70 Sitze vergeben; wenn — was in den letzten Jahren gar nicht so selten war — zehn Prozent der abgegebenen Zweitstimmen in den antidemokratischen Fünf-Prozent-Mülleimer geworfen werden, dann werden eben davon noch einmal 10 Prozent abgezogen, so dass dann nur noch 63 Sitze zu vergeben sind. Der Bundestag wäre niemals so groß geworden, wie er heute ist. Dieser kleine und relativ unüberlegt ausgebrütete Vorschlag wäre ohne großen Aufwand umsetzbar, würde allerdings ebenfalls das Verhältniswahlrecht gegenüber der Wahl von Direktkandidaten privilegieren. Das sollte ja sowieso geschehen, um gegen die Problematik von Überhangmandaten vorzugehen. Und gegen Parteien, die mit drei errungenen Direktmandaten in den Bundestag einziehen, obwohl sie keine fünf Prozent der abgegebenen Stimmen erzielt haben. Es ging doch angeblich um eine „Verkleinerung des Bundestages“, nicht wahr?
Lasst euch nicht von professionellen Lügnern wie den Günstlingen der Parteienoligarchen anlügen! Es ging niemals wirklich um die Verkleinerung des Bundestages. Das Gerede von „Gerechtigkeit“ ist Gerede. Es gibt nur eines, worum es noch weniger gegangen ist: Um die Gerechtigkeit gegenüber den Wahlberechtigten.
„Ich bin seit weit über fünfzig Jahren Fußgänger, Radfahrer sowie gelegentlicher Eisenbahnfahrer und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs“, sagte der Vorübergehende zum Autoverliebten, „und ich hätte eigentlich auch ganz gern mal einen Verkehrsminister für meine Interessen statt des hier üblichen kernkorrupten Bundesbenzinkanisters“.
Einer Frau Dr. Franziska Giffey (SPD), die sich allen Ernstes vor die Mikrofone stellt und nach massiven Verlusten ihrer Partei mit ihr als überall plakatierter Spitzenkandidatin emanzipiert von jeglicher Wirklichkeit genug ist, aus einem Vorsprung von 105 Stimmen gegenüber den Grünen einen „Regierungsauftrag“ abzuleiten, könnte man ja einiges an Heiterkeit abgewinnen, wenn sie eine Komikerin wäre. Aber die hat Berlin so lange regiert, bis diese Stadt schließlich so allumfassend dysfunktional wurde, dass nicht einmal mehr die Durchführung einer Wahl möglich war. Für die Menschen in Berlin ist das sicher nicht lustig.
Ich erinnerte mich unwillkürlich an Gerhard Schröder, ebenfalls aus der SPD, der sich in der „Elefantenrunde“ nach seiner Wahlniederlage wie besoffen von einem Erfolg zum Wahlsieger erklärte, unter unverhohlener spontaner Heiterkeit aller anderen Anwesenden. Fortgeschrittene Realitätsverluste scheinen zurzeit kein Hinderungsgrund für eine politische Karriere in der SPD zu sein, sondern ganz im Gegenteil. Die SPD ist eine psychisch kranke Partei, und darin leider nicht nur selbstgefährdend.