Tag Archive: Entpolitisierung


Übersicht

Der Vorübergehende sagte zu seinem wahlberechtigten Zeitgenossen: „Es ist doch viel übersichtlicher, wenn alle einflussreichen politischen Parteien im Großen und Ganzen das Gleiche wollen — da muss man vor seiner Wahlentscheidung auch nicht so lange darüber nachdenken, was man eigentlich selbst will und kann einfach sein Kreuzchen nach den im Wahlkampf industriell erweckten Gefühlen schlagen, ganz so, als stimmte man über einen unbedeutenden Sympathiepreis ab“.

Behaupting

Fernseh-Talkshows, deren Teilnehmern — ich bin fast geneigt, sie Darsteller zu nennen — es nicht um ihre Behauptung geht, sondern um ihre Selbstbehauptung: Auch nichts anderes als eine Art Dschungelcamp für den Bildungsbürger.

Unterhaltungsressort

Im Journalismus gibt es immer weniger Berichterstattung und immer mehr Gerüchterstattung. Beim contentindustriellen Ringen der Presseverleger um ertragreichere Werbeplatzvermarktung strahlt der täglich produzierte Klatsch, Tratsch und Unsinn aus dem Ressort Unterhaltung mit seinen uninteressanten Meldungen zu Stars und Sternchen so sehr in die anderen Ressorts hinein, dass man inzwischen jeden Amtssessel mit jedem halbwegs verkäuflichen Layenschauspieler besetzen kann, ohne dass ein Nachrichtenkonsument noch daran Anstoß nähme.

Die zehn Gebote für BRD-Bewohner

  1. Glaub fest daran, dass dein Job sicher ist, wenn du dich kräftig anstrengst und keine angemessene Entlohnung für die Arbeit forderst!
  2. Glaub fest daran, dass deine Rente sicher ist und dass du trotz deiner Selbstvernichtung durch Arbeit lange gesund genug lebst, um sie genießen zu können!
  3. Glaub fest daran, dass sich alle deine Probleme mit einem einzigen Buch lösen lassen: Dem Versandhauskatalog! Neu! Jetzt auch im Internet.
  4. Glaub fest daran, dass es „Deutschland“ gut geht und vergiss, wie es dir selbst geht, wenn reklamefinanzierte Journalisten und Journalisten aus dem Parteienstaatsfunk dir erzählen, wie gut es „Deutschland“ geht!
  5. Glaub fest daran, dass du in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Verzicht üben musst, damit es „Deutschland“ schon bald wieder gut geht!
  6. Glaub fest daran, dass du in wirtschaftlich florierenden Zeiten Verzicht üben musst, damit es „Deutschland“ auch weiterhin gut geht!
  7. Übe jeden Tag Verzicht im Denken und lass die Fähigkeiten deines Gehirnes verkümmern, damit du besser glauben und Verzicht üben kannst! Hilfsmittel für den täglichen Denkverzicht werden dir allgegenwärtig und preiswert bis „kostenlos mit nur noch fünfzig Prozent Reklame vergällt“ zur Verfügung gestellt, von der Talkshow über Tittitainment über Sport über offene Vedummung bis hin zu intellektuellen Ersatzbefriedigungen aller Art vom Sudoku bis zur Soziologie.
  8. Glaub fest daran, dass du als einzelner Mensch nichts machen kannst, lass alles über dich ergehen und tröste dich mit legalen Drogen und mit Konsum! Alternativ darfst du auch an die Demokratie, die unabhängige Justiz und an ein Leben nach dem Tod glauben.
  9. Glaub fest daran, dass werbefinanzierte Journalisten und Journalisten aus dem Parteienstaatsfunk der BRD dich objektiv informieren und betrachte alles, was ihnen widerspricht oder ihre Informationen um zusätzliche Aspekte erweitert, unreflektiert als „Fake News“, „russische Propaganda“ oder „Nazi“!
  10. Glaub fest daran, dass die Zukunft am besten wird, wenn du in der Gegenwart alles widerstandslos und unwidersprochen genau so geschehen lässt, wie deine Feinde es geschehen machen.

Brutales Kindergesicht

Als der Vorübergehende einen martialischen Flyer der Autonomen Antifa in den beliebten antifaschistischen Farben schwarz, weiß und rot sah, schüttelte er beinahe unmerklich den Kopf. Darauf angesprochen, sagte er: „Die Radikalität ist zur bloßen Pose verkommen, aufgesetzt und leer, eingenommen für eine psychische Wirkung, die niemals politisch sein kann. Hart wie Kruppstahl ist die Maskerade, und um so deutlicher treten beim Hinschauen in das Spiegelbild dieses Mummenschanzes die Kindergesichter hervor“.

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Screenshot Focus Online vom Freitag, den 24 März 2017, 12:29 Uhr -- +++ Bundestagswahl im News-Ticker +++ Schulz im Deutschlandtrend 'vorn', Merkel holt auf

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Übrigens, werte Qualitätsjournalisten (nicht nur bei dieser Bildzeitung mit Schlips): Die Verblödung und Entpolitisierung der Wahlberechtigten in der BRD ist euer Werk.

Europa „neu“ denken

Wahlplakat der SPD zum laufenden Europawahlkampf: Zwei niedliche Kinder auf einer orangen Fläche, dazu die 'politische' Aussage: 'Ein Europa des Wachstums. Nicht des Stillstands.' -- 'Europa neu denken. SPD'

Diese Ideologie einer Krebszelle, um jeden Preis Wachstum und immer mehr Wachstum haben zu müssen, ist ja auch so ein „neuer“ Gedanke. Da helfen auch die beiden zugegebenermaßen niedlichen Kinder nicht, die so wenig zum gar nicht niedlichen Koloss der europäischen Korruption, Demokratieverachtung, Bürokratie und — seit den jüngsten Finanzkrisen — organisierten Menschenverachtung passen wollen.

Und nein, der Rest der aufgestellten Plakate einer neuen Einheitspartei aus CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne und AfD mit dem Katalog „Wachstum“, „Chancen“, „Sicherheit“ und „Arbeit“ ist keinen Deut weniger entpolitisierend.

Force Multiplication

„Force Multiplication“ hieß das Programm, das jede Botschaft aus dem Wahlkampf ausmerzte, um Platz für „Technologie und Daten“ zu schaffen. „Es ging um Zahlen, Daten und Fakten, nicht um politische Botschaften aus den Hinterzimmern.“ Es ging um „Big Data“, worüber „zuletzt einige Texte erschienen, die die Debatte nun sehr schwer machen“, sagte van de Laar. „Die Datenschützer unter Ihnen, wenn Sie kurz raustreten wollen und sich einen Kaffee holen wollen. Kommen Sie in zehn Minuten wieder“, fuhr van de Laar fort, um darauf zu sprechen zu kommen, wie das „Micro-Targeting“, die planvolle und gezielte Wähleransprache der Obama-Kampagne, funktionierte.

Frankfurter Allgemeine — Wie Big Data das Wahlgeheimnis aushebelt: Wir wissen, wen du wählen wirst

G20

Der Vorübergehende sagte zu seinem Zeitgenossen: Schau dir die Bilder von diesem so genannten „G20-Gipfel“ an, sieh diesen Glanz, diese Gruppenfotos, diese Kulisse, diese roten Teppiche. Es sieht aus. Wie die Verleihung der Acamedy Awards in Hollywood, und es trägt auch den gleichen Showcharakter: Synthetische Glitzerbilder für eine Journaille, die zwar noch Aufmerksamkeit ausrichten soll, der aber nicht mehr bestimmt ist, dass sie dabei Inhalte zu transportieren hat.