Tag Archive: Angst


Vorausschau zurück

„Die alle Brücken hinter sich abreißen“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „sehen neue Brücken vor sich, auf denen sie ihre Stiefel im Schnee erproben wollen. Nur sehr selten und niemals ohne eine damit verbundene, tiefe existenzielle Krise verlässt ein Mensch alles, was er kennt, ohne dabei etwas anderes, vertraut und gar nicht allzu neu anmutendes vor sich zu sehen. Die, die verlassen, verlassen nicht, sondern gehen zum Gleichen oder zu seinem ebenso vertrauten Spiegelbild: Von der Religion zur anderen Religion oder zur Ideologie, von der mies bezahlten Arbeit zum ungerecht entlohnten Job, vom Lebenspartner zur verblüffend ähnlichen großen Liebe, von der Arbeiterbewegung zum Faschismus, von der repräsentativen ‚Demokratie‘ mit ihrer Parteienoligarchie zur Diktatur, vom Pazifismus zum gerechten Krieg. Ohne eine tiefe und persönliche existenzielle Krise und das damit verbundene Leiden ist noch niemand wirklich klug, heiter, klar und einsichtig geworden; und wer nicht klug wird, bleibt sein Leben lang ein Häftling der eigenen Psyche, voller Angst vor allem Neuen und reißt erst dann die Brücken ab, wenn er tot ist“.

Lehre

„Ich musste die vermutlich fünfzehn besten und kraftvollsten Jahre meines Lebens in einer schweren Depression verbrennen“, sagte der Vorübergehende zum Sklaven seiner dummen Hoffnung, „um zu verstehen, dass die meisten meiner Mitmenschen noch mehr Angst und noch weniger Freude in sich tragen, als ich es in dieser ganzen höllischen Zeit jemals für möglich und erträglich gehalten hätte. Niemals kann ihre Bitterkeit zu Licht werden, niemals können sie verstehen, dass es nur eine Freiheit in ihrem Dasein geben kann: Die Freiheit von Angst“.

Kleinigkeit

„Du hast nichts zu verlieren“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „außer deiner Angst. Denk darüber nach, wer dir wie und warum so viel Angst macht, überwinde deine persönliche, psychische Neigung, diesem fremdinduzierten Wahn zu folgen und sei frei“.

Hoffnung

Hoffnung bedeutet, bis zum Tod fest und angstvoll genug davon überzeugt zu sein, dass man nur geduldig auf eine Erlösung warten müsse, während aussichtslose, unerträgliche, grausame Zustände noch ein paar Tage, Monate oder Jahre einfach so weitergehen, ohne dass man ihnen auch nur vernehmbar widerspräche oder gar etwas dagegen täte. Viele Hoffende verschränken schließlich sogar ihre Hände zum Gebet und murmeln vor sich hin, damit sie überhaupt nicht mehr handeln und reden können; anderen genügt das Ankreuzen von Wahlzetteln, damit jemand anders so für sie handeln und leben mag, wie sie es gern hätten; wieder andere glauben an Ideologien und ihre Versprechungen einer wunderschönen und paradiesischen Zukunft. Wer die Hoffnung aufgibt, beginnt den Weg in die Freiheit zu gehen — und nimmt es mit Humor, wenn von den Hoffenden in ihren selbst angelegten Fesseln nichts als Beleidigung, Beschimpfung und schließlich sogar gewaltbereiter Feindschaft kommen, denn all dieses ist nur Spiegelbild jener fürchterlichen Angst, die in die Hoffnung führt.

Suche

„Einer der Gründe, weshalb Menschen so selten ernsthaft nach der Wahrheit suchen“, sagte der Vorübergehende grinsend zu seiner Zeitgenossin, „ist, dass sie so eine große Angst davor haben, dass sie diese auch finden könnten“.

Das Irrenhaus

Es ist den Kirchenvätern tatsächlich gelungen, die Menschen mit einer solchen Sexualangst zu vergiften, dass sich das mittelalterliche Europa, in perspektivischer Verkürzung gesehen, wie ein einziges, riesengroßes Irrenhaus ausnimmt.

Arnulf Øverland, „Das Christentum, die zehnte Landplage“

Angst

Der gesamte Aberglauben der Menschen, die gesamte Religion der Menschen, die gesamte Grausamkeit der Menschen wurzeln in der Angst.

Feigheit

„Die meisten Menschen hier sind so verängstigt und feige“, sagte der Vorübergehende zu seinem verängstigten Zeitgenossen, „dass sie sich sogar vor ihren eigenen Erinnerungen fürchten“.

Angst

„Angst“, sagte der Vorübergehende zu seinem ängstlichen Zeitgenossen, „ist in vielen Fällen nichts anderes als unverwendbar gewordene Lust“. „Aber ich habe doch Angst“, erwiderte der Zeitgenosse, und der Vorübergehende sagte: „Deshalb ist die Lust ja auch unverwendbar“.

Besorgte Bürger

„Besorgte Bürger sind es nicht, dazu bedürfte es ja eines bewusstseinsfähigen Apparates, der sich sorgt“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „es sind verängstigte Bürger beim Versuch der Angstabwehr, genau so irrational wie der Versuch der Angstabwehr selbst. Wenn die Psyche die Politik übernimmt, wird die Barbarei zum Gesetz werden. Nur ein Ratgeber ist noch schlechter als die Angst, und das ist die passiv-wartende, nichts gestaltende Hoffnung, der BRD-Politikratgeber der CDUCSPDUAFDPGRÜNETC seit Jahrzehnten“.

Gesundes Leben

Zu viele Menschen leben wesentlich gesünder, als ihnen gut tut.

Ei ei ei, das Hirn ist Brei…

Aus der Tiefe des journalistischen Sommerloches habe ich wirklich Menschen sprechen gehört, die mir erzählten, dass sie wegen des Fipronil-Skandales keine Hühnereier mehr essen wollten, weil… tja, weil die Contentindustrie so lärmend über das Fipronil in den Eiern berichtet, dass der Auspuff am Dieselmotor fast schon wieder gut zu riechen beginnt. Zum Glück ist ansonsten gar nichts passiert und niemand kam zu irgendeinem Schaden. Viele Menschen, die einen Hund oder eine freilaufende Katze halten, sollten Fipronil schon lange kennen, weil man damit kleine blutsaugende Viecher auf seinem tierischen Begleiter (und oft: Beziehungsersatz) töten kann, und dabei holt man sich bei anschließendem Kuscheln mit Leichtigkeit eine höhere Dosis des Pestizides in den Körper als mit einem gegenwärtigen Frühstücksei¹. Doch wer sein Gehirn von Presse und Glotze im Höllenfeuer der Psyche grillen lässt, ist darauf zurückgeworfen, mit seiner leicht erzeugbaren Angst zu „denken“.

Und solche Angstdenker wollen dann, zumindest bis zum nächsten Skandal bei einem anderen Lebensmittel, keine Eier mehr essen und schenken mir zurzeit so viele Eier, dass ich wohl demnächst an Cholesterinvergiftung sterben werde. Aber obwohl es neulich erst wieder — so „neulich“ wie: immer wieder — einen Autounfall mit Toten und Schwerverletzten gab, möchte mir doch niemand sein Auto schenken.

¹Natürlich ist das Zeug nicht für den Einsatz in der Lebensmittelherstellung zugelassen und seine Verwendung deshalb verboten. Aber das bedeutet nur, dass es niemand zulassen ließ. Was bei einem solchen Zulassungsversuch herauskäme, kann wohl nur ein Zulassungsversuch zeigen. Vermutlich stünde am Ende ein Grenzwert statt eines Verbotes. Ein politisch festgesetzter Grenzwert, nicht ein medizinisch festgesetzter. So, wie bei allen anderen Substanzen aus der industrialisierten Landwirtschaft auch.