Freiheit ist die Möglichkeit, nicht nur dort stehenzubleiben, wo einen andere Menschen mit Gewalt oder ein Zufall mit kosmischer Kälte hingestellt haben; sie erfordert immer Einsicht, Beweglichkeit und die Fähigkeit zur vernünftigen Planung. Für dumme Menschen ist keine Freiheit zu haben. Deshalb werden die Menschen in den „freien Gesellschaften“ ja auch mit so hohem Aufwand dumm gehalten.
Tag Archive: Dummheit
„Du erkennst einen intelligenten Menschen daran“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „dass er dir etwas mitteilt und du verstehen kannst, wie und auf welcher Grundlage er darauf gekommen ist, weil er es dir auch erklären kann. Vielleicht kannst du dann sogar seine Denk- und Schlussfehler erkennen und korrigieren. In der journalistischen Sprachmode, die zurzeit durch alle Medien geknüppelt wird, damit sie auch jeder Mensch besinnungslos nachplappere und für wahr halte, wird ein Computer als intelligent bezeichnet, wenn niemand mehr nachvollziehen oder korrigieren kann, wie er auf das, was er ausgibt, gekommen ist. Und nach den Urteilen und Maßgaben dieser mit simulierten neuronalen Netzwerken erzeugten ‚kryptischen Intelligenz‘ soll die gesamte Gesellschaft umgestaltet werden. Da kann man auch gleich zum Astrologen oder Kartenleger gehen“.
Wir leben in einer Zeit, in der intelligente Menschen stumm und medial möglichst unsichtbar gemacht werden sollen, damit sich dumme Menschen nicht beleidigt fühlen.
Wenn ein angelerntes neuronales Netzwerk — von PR-Lügnern und Journalisten meist als eine „künstliche Intelligenz“ bezeichnet — dazu imstande ist, einen Standardtext zu verfassen, ohne dass das Ergebnis allzu großen Anstoß erregt, dann sollte nicht die Frage aufgeworfen werden, ob das angelernte neuronale Netzwerk jetzt mit „Intelligenz“ vorgeht oder gar, ob diese „Intelligenz“ eine Bedrohung für Zukunft und Lebensweise der Menschen sein könnte, sondern, ob ein auch automatisch verfassbarer Standardtext überhaupt eine sinnvolle und nötige kommunikative Funktion unter den Menschen erfüllt, die sich an solchen selbstzweckhaft anmutenden Texten abarbeiten müssen, oder ob es sich nur um eine Beschäftigungstherapie für jene Menschen handelt, die dann in irgendeinem technokratischen Prozess ihr Häkchen in einer Liste setzen und anschließend ein Dokument im realen oder virtuellen Leitzordner des Vergessens ablegen. Der tägliche zivilisatorische Text-Output der Menschheit, vom Bewerbungsschreiben über die Trash-Literatur der Groschenromane und Zeitungen bis hin zum reputationsgetriebenen tautologischen Zirkus diverser wissenschaftlicher Fachjournale, ist voller Text, den kein Mensch mehr wirklich liest und der nur noch dazu da ist, eine illusionäre Fassade von Arbeit, Analyse und Qualität aufrechtzuerhalten. Das Prinzip der alles durchflutenden, hirnlosen Spam ragt tief in die Arbeitswelt, die Kulturindustrie und den akademischen Betrieb hinein. Vor dem Siegeszug der so genannten „künstlichen Intelligenz“ waren Jahrhunderte der Allgegenwart einer gesellschaftlich von großen Teilen der Bevölkerung eingeforderten und geförderten „natürlichen Dummheit“ gesetzt; eine Verneinung und systematische Unterdrückung jeglicher tieferer individueller Geistestätigkeit und aller menschlicher Freude an Einsicht, Erkenntnis und Verständnis, weil jene für den industriellen Produktionsprozess gar nicht benötigt werden. Um die Ausgabe einer Maschine für „intelligent“ zu halten, muss ein Mensch sich nur lange genug selbst mit dem Lebensgefühl einer Maschine begnügt haben.
Wo die Dummheit die Macht innehat, kann die Intelligenz nur zur Gewalt greifen.
„Die gefährlichsten wissenschaftsfeindlichen Querdenker“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „sitzen in der Politik, den Handelsverbänden und in den Wirtschaftsverbänden, und ihre gleichermaßen dummen wie steilen Thesen haben regelmäßig genug Nachrichtenwert, um unrelativiert und unkommentiert in Presse und Rundfunk verbreitet zu werden“.
„Die Bildungsbürger, denen die hastig verabreichte Bildung nicht die Dummheit genommen hat“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „erkennst du daran, dass sie im Auslandsurlaub Museen besuchen, um die Kultur kennenzulernen. Jene, die nicht so dumm sind, gehen in diejenigen Kneipen und Bars, in denen man niemals einen Touristen sehen wird und verstehen nach einer halben Stunde mehr als der andächtig nickend auf Unverstandenes blickende Banause in seinem bildungsbürgerlichen Tempelersatz“.
Ich habe schon erwachsene Menschen erlebt, Glücksspieler allerdings, die mit Würfeln gesprochen haben. Sie haben das Ergebnis, das beim Wurf eines Würfels herauskommt, nicht verstanden und haben deshalb den Würfeln ein Bewusstsein und eine Intelligenz zugesprochen, die sie anzusprechen und anzuflehen versuchten. Ganz ähnlich verhalten sich die Menschen gegenüber angelernten neuronalen Netzwerken, deren Funktion objektiv nicht analysierbar ist und deren Fehler deshalb nicht behoben werden können; sie bezeichnen sie als eine „künstliche Intelligenz“. Frei nach dem Motto: Ich verstehe es nicht, und deshalb muss es seine eigene Intelligenz haben. Und an vorderster Front dieser dümmlichen Benennung stehen die selbsternannten Lehrmeister der Nation, die wegen ihrer vertieften technischen, mathematischen und wissenschaftlichen Kenntnislosigkeit besonders tief verblüfften Journalisten.
Siehe auch: Firmenschild der Anderen.
Wenn sich eine Sache im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte zunehmend immer klarer beobachten ließ, dann diese: Im Zweifelsfall wird eher der Weltuntergang akzeptiert, als dass man auch nur über geringfügige Veränderungen der gegenwärtigen Wirtschaftsordnung nachdächte.
„So sehr es auch juckt: Verachte nicht die Dummen!“, sagte der Vorübergehende zu seinem Bruder im Staub. „Sie haben ein Gehirn, beinahe genau so leistungsfähig wie bei jedem anderen Menschen. Auch der dümmste Mensch hat kann einen guten, intelligenten und tiefen Gedanken denken oder eine bemerkenswerte Beobachtung machen. Er bemerkt es dann nur nicht“.
Wenn die wichtigsten contentindustriellen Medien einer Gesellschaft in ihrem Zerren an der Aufmerksamkeit der Menschen Dummheit, Kälte und Gier ins Rampenlicht stellen, zum Ruhm erklären und bewundert machen, dann ist es kein Wunder, wenn die Bevölkerung zunehmend verblödet, erkaltet und räuberisch-brutal wird, sondern ein Spiegelbild, dessen Urbild die Schlagzeile und das allgegenwärtige Ekellager der Nanoprominenten ist. Der Niedergang der Zivilisationen ist die direkte Folge eines Journalismus und einer Unterhaltungsindustrie, deren einziges Geschäftsmodell die Vermarktung von Reklameplätzen ist.
Ein mündiger Bewohner seines Staates ist nur, wer aller allmedial und in Komplizenschaft mit Journalisten aufgebrachten Perfidie und Manipulationskunst der Reklame und der Propaganda widersteht und in diesem unvermeidlichen psychischen Dauerfeuer niemals vergisst, was er möchte, was er braucht, was er kann und was ihm zuwider ist. Aber es ist der gleiche Staat, der sonst nicht müde wird, in den Sonntagsreden seiner von einer Parteienoligarchie eingesetzten politischen Vertreter und sonstigen Verkäufer von „Medienkompetenz“ zu faseln, die jedem an der Schule eingebläut werden müsse, der alles dafür tun wird, dass möglichst viele seiner Bewohner lebenslang unmündig bleiben. Denn alles andere würde den Profit durch die Wirtschaft des Staates gefährden. Und die Nutznießer dieses Profits bezahlen ja schließlich das Vertreterpack für eine Politik in ihrem Interesse, offen und verdeckt bezahlen sie dafür.