Der Chrakter der religiösen Moral erklärt sich aus der Substanz, aus der sie entstanden ist. In Jahrzehnten der Unterdrückung sexuellen Fühlens ist nun alten Männern das Sperma in das Gehirn gestiegen und hat sich ihr Adrenalin in Missgunst verwandelt, und so ist ein Denken entstanden. Die behandelten moralischen Fragen haben eine leicht wahrnehmbare Fixierung auf die Genitalien, während andere Bereiche des menschlichen Miteinanders mit großer Lässigkeit betrachtet werden. Von der Unterdrückung der Sexualität bis zur Perversion ist es eine wohlgebahnte, breite Straße, und viele Pfaffen sind es, die auf ihr wandeln.
Tag Archive: Sexualität
Die stumpfe Beharrlichkeit, mit der Werber noch in den fernliegendsten Bereichen versuchen, Vorgänge mit einer aus dem Bereich des Sexuellen stammenden psychischen Energie aufzuladen, sie ist ein Spiegelbild des allgemeinen Mangels einer erfüllenden, befriedigenden, mit Freude betriebenen Sexualität. Und. Die Ausrichtung der Sinne auf diese meist frustrierenden Surrogate ist die Garantie dafür, dass dieser Mangel auch erhalten bleibt. An einem glücklichen Menschen mit genauem Wissen über seine Lüste und Bedürfnisse kann kein Werber Interesse haben, denn einem solchen Menschen kann man nur schwerlich etwas andrehen. Werbung ist eine Tätigkeit zur Erzeugung und zur Erhaltung des Mangels, ist ein Geschäft mit dem manifesten Unglück und darin ein Erbe der Religion.
Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch törichte Predigt die zu retten, die daran glaubten.
1. Kor 1, 21, zitiert nach dem 1956er Luthertext
Im Worte „Materie“ und seinen Ableitungen wie „Material“ schwingt immer noch die lateinische Wurzel mater mit. So wird bis heute in diesem Worte klar, dass die Menschen zu jener Zeit, in denen ihre Weltsicht die Sprache formte, auch für spätere Generationen formte, eine ganz bestimmte Auffassung von den hergestellten Dingen hatten. Der Stoff, aus dem die Dinge bestehen, ist sein mütterlicher Anteil, ist das, was die Dinge erst „geboren“ macht, was ihnen Existenz verleiht; umgekehrt wird die Idee und die Vorgehensweise des Künstlers und Handwerkers, der die Dinge formt, als väterlicher Anteil verstanden worden sein — und auch dies hat bis heute seine Spuren darin hinterlassen, dass die Idee des Werkzeuges, das im schöpferischen Prozesse zum Einsatze kommt, seine fühlbar phallische Konnotation hat, die sich immer wieder in der derben Umgangsprache und oft auch in der Lyrik Bahn bricht. Einer Idee oder einem Plan, dem die Möglichkeit fehlt, Materie zu formen, fehlt jedes Sein; solche Ideen dünsteln geisterhaft als Möglichkeiten durch die Wüsteneien des Denkens, ohne Wirklichkeit und damit Wirksamkeit zu entfalten.
Erst lange nach dieser sprachlichen Gestaltwerdung der ursprünglicheren Sicht haben wirre religiöse Menschen und Philosophen damit begonnen, die Materie zu verachten und die geisterhaft dünstelnden Schatten im Traumkino ihres Gehirnes für eine „wirklichere“ Wirklichkeit zu halten. Damit zeigten sie nicht nur ihre Verachtung für das Dasein und alles Seiende, sondern sie legten in diesem Wahn die „philosophische“ Grundlage für jede kommende Geringschätzung des fröhlichen Lebens und seiner Möglichkeiten. Dass mit dieser geisteskranken Geringschätzung eine bis heute wirkmächtige Verwerfung der Sexualität und Entmenschlichung der Frau einher ging, ist angesichts des neurotischen Hintergrundes dieses Prozesses nicht verwunderlich. Zum großen und anhaltenden Unglück für die gesamte Menschheit kam der Gründer der christlichen Religion, Paulus, (im Gegensatz zu Jesus dem Nazarener) aus einem kulturellen Umfeld, das von diesem wenig erquicklichen Wahnsinn geprägt wurde. Und seine Briefe. Die Bestandteil der Bibel und das Gründungsdokument jener weltweit verbreiteten Religion geworden sind und die von den Anhängern der christlichen Religion als „Gottes Wort“ bezeichnet und behandelt werden, sie sind voll von dieser verwerfenswerten Neurose. Der Rest ist Geschichte. Immer noch werdende Geschichte.
Die besondere, fast die gesamte Gesellschaft erfassende und immer noch breit politisch instrumentalisierte Ächtung, mit der alle Verbrechen auf dem Hintergrund der sexuellen Neigung zur Pädophilie belegt sind, sie ist ein Spiegelbild der allgemeinen Verdrängung der kindlichen Sexualität.
Die außerordentliche und mit großer emotionaler Intensität begleitete Ächtung, die Menschen mit pädophilen Neigungen entgegengebracht wird und die in jüngster Zeit von der classe politique unter dem boulevardträchtigen Schlagwort von der „Kinderpornografie“ sogar als Vehikel zur Abschaffung von Bürgerrechten ausgebeutet wird, sie ist nur ein verzerrtes Spiegelbild der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entsexualisierung der Kindheit, der mit aller Energie und gegen allen Augenschein aufrecht erhaltenen, kollektiven Verdrängung der kindlichen Sexualität. Wie sehr die eine Perversion die andere hervorbringt, verbleibt als eine Frage, deren Antwort erst kommende Generationen geben können.
Es scheint mir, als gäbe es eine positive Korellation zwischen dem Maß der Todesverdrängung in einer Gesellschaft und dem Maß der sexuellen Repression in dieser Gesellschaft. Und dort. Wo die beängstigende Wirklichkeit des Todes, die alles — und damit auch alle Lust — zur vorübergehenden Erscheinung stempelt, am stärksten abgewehrt wird, indem die gesellschaftsprägende Religion dem infantilen Narzissmus das Futter eines ewigen Lebens in gotthafter Vollkommeheit nach dem so zur Seite gedrängten Tod verspricht, trägt diese Repression Züge einer offenen Feindschaft, die ihren Anspruch bis in die hinterste Nische der Privatheit durchzusetzen trachtet, auch mit dem Schwert des Gesetzes durchzusetzen trachtet. Je weniger die Menschen ein Bewusstsein über die sekundenglanzhafte Einmaligkeit ihres Lebens erreichen, desto eher sind sie dazu geneigt, für perverse narzisstische Todeskulte jede Lustmöglichkeit ihres Daseins zu verwerfen — oder, so sie darin zaghaft sind, unter der knallenden Angstpeitsche einer angedrohten Ewigkeit des Leidens diese doch wenigstens einzuschränken. Ja. Es scheint mir so, als würde der Weg zu einer sexuellen Befreiung, die diesen Namen auch verdient und nicht nur ein weniger versteckter Handel mit pornografischen Materialen und eine offenere Instrumentaliserung des Geschlechtstriebes in der Werbung ist, nur zu beschreiten sein, wenn gleichzeitig gegen die Todesverdrängung vorgegangen wird.