Intellektuell hervorragende Menschen glauben in ihrer großen Mehrheit nicht an die christliche Religion, aber in der Öffentlichkeit und in der Politik halten sie diese Tatsache geheim, weil sie Angst haben, ihr Einkommen zu verlieren.

Bertrand Russell

Fremde Ware — Als ein Mensch, der zwar (wann immer er sich Tabak leisten kann) raucht, aber kaum kifft, kenne ich dennoch die Hanfpflanze sehr genau, während ich kaum etwas über die Tabakpflanze weiß. Denn viele Menschen aus meinem Umfeld wurden durch die Kriminalisierung dieser Pflanze dazu gedrängt, selbst in aller Heimlichkeit ein paar Pflänzchen für ihren Bedarf zu kultivieren, um nicht die überhöhten Schwarzmarktpreise für ein dope von oft zweifelhafter Qualität zu zahlen — zumal dieses Geld auch nicht gerade in die Schaffung ewiger Blumenkraft fließt. In der Folge weiß ich sehr genau und aus direkter Anschauung, wie Hanf aussieht, wie sich seine Blätter und Stängel anfühlen, wie er riecht und wie seine Blüten gebildet sind, dies sind alles Dinge, die ich über den von mir recht regelmäßig konsumierten Tabak nicht weiß. Wie doch das völlig unsinnige Verbot einer Pflanze dazu führen kann, dass der entfremdete, zum Fetisch gewordene Charakter aller gehandelter Ware zum Gegenstand der direkten Erfahrung wird!

Von Gott — Zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit zählt mit Sicherheit der Schlafmohn. Schon aus der Jungsteinzeit (vor rund 8000 Jahren) gibt es archäologisch erschlossene Spuren eines systematischen Anbaus der hübschen Blumen mit ihren lila Blüten; die frühesten bekannten schriftlichen Überlieferungen der Mohnkultur finden sich in 6000 Jahre alten Keilschrifttafeln der Sumerer. Der Mohn hatte auch einen Namen in diesen Tafeln, er war die „Freudenpflanze“. Der getrocknete, milchige Saft, der durch Anritzen der Samenkapsel gewonnen wurde (und der immer noch auf diese Weise gewonnen wird), er war in der Tat eine Freude. Er gewährte dem Schlaflosen Schlaf und dem Kranken Schmerzfreiheit; er wird wohl auch als frühestes bekanntes Narkotikum viele schmerzhafte medizinische Eingriffe erst ermöglicht haben. Kaum abzusehen, wie viele Leben diese Blume während der größten Zeit ihrer zivilisatorischen Verwendung wohl erhalten und wie viele sie wohl erträglich gemacht hat. Gewiss, auch als Droge fand das Opium Verwendung, denn noch verdammte keine lustfeindliche Moral die Freude am Rausch. Im Jahre 214 unserer Zeitrechnung wurde eine Inventur des kaiserlichen Palastes zu Rom erstellt, bei der unter anderem siebzehn Tonnen Opium entdeckt wurden. Beendet wurde die große zivilisatorische Errungenschaft des Opiumbaus erst durch ein Christentum, das jede Krankheit als eine Strafe Gottes betrachtete, die der Mensch hinzunehmen habe — und das deshalb die Anwendung von schmerzstillenden Mitteln zunächst für die eigenen Gläubigen und später für ganze Kulturkreise verbot und das dieses Verbot zunehmend mit staatlicher Gewalt durchsetzen konnte (und es bis heute mit Gewalt durchsetzt). Der einst so freudevolle Saft des Mohnes galt unter der Lebensverachtung dieser Lichtverneiner als ein Werk des Satans, und der Schmerz wurde stattdessen als ein Gesandter Gottes angesehen. Unter Karl dem Großen wurde das einst christliche, später staatsreligiös römische Verbot im Jahre 810 unserer Zeitrechnung erneut zum Gesetz für alle Menschen im hl. römischen Reich deutscher Nation, und es gilt bis heute für alle Menschen, auch für solche, die dem lebensverachtenden Irrsinn der christlichen Religion nicht anhängen. Es gilt selbst für Menschen mit schweren Schmerzen, denn die bürokratischen Anforderungen an die Verschreibung von Morphium zur Bekämpfung schwerer Schmerzen sind in der christlichen Welt derart hoch, dass viele Ärzte den Aufwand scheuen. Wenn heute schwer kranke Menschen unter unzureichend behandelten, höllischen Schmerzen verrecken müssen, denn ist dies direkt auf die kulturellen Wirkungen einer Religion zurückzuführen, die sich selbst in satanischer Schamlosigkeit als eine „Religion der Liebe“ vermarktet. Wer das Opium oder sein heute leichter illegal erhältliches Derivat Heroin unter der Herrschaft dieser „Liebe“ hingegen als Droge benutzt, wird in einem kriminellen und skrupellosen Schwarzmarkt gestoßen und kann noch froh darüber sein, wenn er sich neben dem gewünschten Stoff nur so verhältnismäßig „harmlose“ Substanzen wie Waschmittel in die Vene pumpt und keine wirklich gefährlichen Gifte. Die erbärmliche Verelendung der junkies ist die sich in der „Streckung“ der Droge selbst erfüllende Falschprophetie vom Schlafmohn als Werk des Teufels — und das wirklich Teuflische im Prozess, der über die Gesellschaften abläuft, versteht es immer wieder prächtig, sich als fromm zu tarnen.

Ein Prost auf das Blut des Herrn — Und der Industrielle betete, nachdem er die Zahlen aus dem Controlling mit sichtbarem Gefallen überflogen hatte, voller Dank vor seinen Brauereien und Schnapsbrennereien und sprach: „Mein Herr Jesus, ich danke dir dafür, dass du am Abend deines Todes etwas Alkohol in der Form von Wein getrunken hast und dass du dies auch in die Bibel hast schreiben lassen. Ich danke dir dafür, dass du dafür gesorgt hast, dass der Alkohol in einem zentralen Ritual einer sich auf dich berufenen Religion unverzichtbar geworden ist. Ich danke dir, dass ich deshalb gesellschaftliche Anerkennung, den Schutz des Staates und deiner Kirchen und ein sicheres Einkommen von den ganzen Trinkern habe, und dass ich nicht so ein Krimineller bin wie dieser verkommene, sündige Haschdealer da hinten in der Ecke am Rande der Gesellschaft, verflucht und verknastet sei er.“ Seine Fabriken, der Segen seines Reichtums, sie standen auf einem Berg von Säuferlebern, höher als der Hügel Golgata. Im Geweih des Hirsches, den die Werber auf den Leberkleister drucken lassen, erscheint ein Kreuz, den Pfaffen und Bankern ein Wohlgefallen. Auf der linken Seite des Kreuzes das elende Siechen der vom Suff zerrütteten Familien, auf der rechten Seite das leise Wimmern der verängstigten, für Nichtigkeiten zu Brei geschlagenen Kinder, deren Zukunft schon beendet ist, bevor ein selbstbestimmtes Leben nur begonnen hätte. Im alkoholischen Atem, der die Luft durchsetzt, dünstelt Freitod. Dahinter der Glockenturm, laut in den Abend bimmelnd, weil da einer am Altar steht, der mit neurotischer Sorgfalt und gut geübter Feierlichkeit die Worte abliest, die einen Becher Wein in das Blut Christi verwandeln sollen. Und über alles, über diesen ganzen durch die Jahrhunderte hindurch gepflügten Gottesacker, wächst Gras.

Für „Menne“