Tag Archive: Prozess


Wasser

Kaum etwas könnte das Wahnhafte des laufenden gesellschaftlichen Prozesses besser symbolisieren als die Tatsache, dass die Menschen nur einen Hebel betätigen müssen, um aufbereitetes, schon bezahltes Trinkwasser aus ihrer Wand fließen lassen zu können, und dass sie dieses Trinkwasser dazu verwenden, mit einem unbewussten Knopfdruck ihren Urin und ihre Fäzen wegzuspülen, während sie nochmals Geld ausgeben, um Plastikflaschen mit Trinkwasser zum Trinken zu kaufen, die unter hohem Energieaufwand mit Lastkraftwagen durch das ganze Land in die Supermärkte gefahren werden.

Der Esel

Zeitgenosse: Findest du nicht auch, dass Westerwelle ein Esel ist?!

Nachtwächter: Ich soll das auch finden, nur weil es ein Heiner Geißler in ein Mikrofon gerülpst hat? Aber nein doch. Ein Esel ist ja nicht dumm oder gemein, nur ein wenig störrisch; ein hübsches Tier, das nur seiner Natur folgt und damit etwas nerven kann, wenn man andere Pläne hat. Westerwelle hingegen. Folgt keiner unschuldigen, gebieterischen Natur, sondern einer ausgearbeiteten politischen Absicht. Sein Aufgreifen des von der Bildzeitung angeheizten, stammtischrelevanten Blutredens ist völlig planvoll und erfüllt bei einem beachtlichen Anteil der Menschen in der BR Deutschland seine Aufgabe erschreckend wirksam. Die Menschen, die für immer mehr Arbeit immer weniger Geld bekommen und in steigende persönliche Unsicherheit geworfen werden, sie sollen ihre Aufmerksamkeit von den Profiteuren des gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesses weglenken lassen und sich ausgerechnet von jenen ausgebeutet fühlen, die fast gar nichts mehr haben. Man wird es dort, wo man aus solcher fehlgeleiteter Aufmerksamkeit der breiten Massen Ruhe gewinnt, einem gar nicht störrischen, lichtscheuen Gesindel wie diesen Westerwelle danken, dass es so gezielt seine Sprechblase entleert und wohlplatzierte Duftmarken in die Journaille setzt. Westerwelle als einen Esel zu bezeichnen, ist eine Beleidigung. Doch nicht für Westerwelle, sondern für den Esel. Und. Wer einem Mitglied der classe politique wie Heiner Geißler so leicht erlaubt, für ihn zu sprechen und zu denken, hat dumm, kampflos und feige verloren.

Vom Ekel

Ich wollte, die Menschen würden ihr Verhältnis zu den biologischen Erscheinungen, wie etwa der Defäkation, der Verwesung, den Körpergerüchen, der Schleimabsonderung oder dem langsamen Zerfall eines Menschen schon lange vor seinem Tod entspannen. Und. Ich wollte, sie würden an Stelle dieser recht künstlich ekelbesetzten Tabus einen unüberwindlichen und nach Ausgrenzung strebenden Ekel vor der Lüge, dem Betrug, der Förderung der Dummheit, der kalten Gleichgültigkeit und der Heuchelei der Besitzenden und Nutznießer des gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesses bekommen. Der gesellschaftliche Niedergang, der so viele Leben mit sich reißt. Dekoriert sich radioaktiv lächelnd mit klinisch reinen Kunstbildern des Seins und stinkt bis zum Himmel nach Seife und Deodorant, während er sich auf einem Berg von Leichen entfaltet. Solange so viele Menschen einen größeren Abscheu vor einem Haufen Scheiße als vor diesem mörderischen Mummenschanz haben, wird sich das nicht ändern.

Die Sinnlosigkeit der „Diskussion“

Es ist im Zeitalter des Internet nicht nur vollkommen sinnlos, sondern gar kontraproduktiv, gesellschaftliche Themen im Fernsehen, im Rundfunk oder vergleichbaren, in ihrer Darbietung auf den unreflektierten Affekt und das anschließende Vergessen eines anonymen Publikums zielenden Massenmedien „diskutieren“ zu wollen, wenn man um eine wirkliche Betrachtung des gesellschaftlichen Prozesses bemüht ist. Die Menschen, denen man in solchem Vesuche gegenübergestellt wird, sind sehr darin geübt, ihre meist irrationalen Standpunkte so darzulegen, dass sie im ersten Moment überzeugend wirken und sich des Applauses der anwesenden Jubelperser gewiss sein können, und der Fühlende und Denkende hat etwas Besseres mit den beschränkten Ressourcen seines Lebens zu tun, als eine gute show einzuüben, zumal er dafür auch von niemanden bezahlt wird. Die für ihre show gut bezahlten Fürsprecher der Fortsetzung des gesamtgesellschaftlichen Wahnsinnes zum Schaden vieler und zum Nutzen weniger hingegen, sie können fest darauf bauen, dass ihre wenigen konkreten Aussagen in einem Strom des massenmedialen bullshits schon nach wenigen Wochen vergessen sind und das folglich beim Zuhörer und Zuschauer ein lediglich affektiv erzeugter Eindruck der „argumentativen“ Überlegenheit in der Erinnerung zurückbleibt, während noch die offenbarsten Fehler, so sie im Laufe der kommenden Monate und Jahre unübersehbar werden, nicht ein einziges Mal vom journalistischen Apparat mit der sich entfaltenden Wirklichkeit verglichen und wirksam korrigiert werden. Den Rest der „Darlegung“ erledigen die bezahlten Fürsprecher des kollektiven Wahnsinns mit dem allzu üblichen Instrumentarium der Rhetorik, welches einzuüben und zu perfektionieren sie alle Zeit der Welt zu haben scheinen: Klaffende Lücken in der „Logik“ der „Argumentation“ werden einfach ignoriert, während unverdrossen weiter „argumentiert“ wird, als sei tatsächlich niemals eine Widerlegung durch Tatsachen erfolgt; wenn einmal eine schwierig zu behandelnde Frage zu einem großen, zentralen Punkt der „Argumentation“ gestellt wird, denn wird diese ignoriert und stattdessen werden einfach detailliertere, kleinere und für das Gefüge der „Argumentation“ an sich unwichtige Proklamationen hervorgekramt und in den Fokus der Aufmerksamkeit des großen, anonymen Publikums an den Volksempfängern gestellt, für welches eigentlich gesprochen wird, während man simuliert, dass man miteinander redet; komplexe gesellschaftliche Themen werden hingegen gezielt in einer Weise vereinfacht, dass sich daraus jeder Dummfug ableiten lässt und dieser zu allem Überdruss und Überfluss auch noch Überzeugungskraft entfaltet. Hervorragend verstehen es die sucking sockpuppets der Interessenverbände der Wirtschaft und ihre „politischen“ Marionetten, in solchem mindfucking show business zu verbergen, dass sie in einer beachtlich langen Redezeit substanziell nichts sagen, diese Exzellenz sei ihnen anerkannt. Aber wer sich mit beschränkter Kraft und Zeit durch ein richtiges Leben jenseits des massenmedialen Paralleluniversums der contentindustriell gebildeten „Meinung“ schlagen muss, hat für die Einübung derartiger Blendkunst weder die Muße noch sieht er irgendeinen lebenspraktischen oder die Einsicht fördernden Zweck darin. Dafür weiß der Vorübergehende sehr genau, auf welche Weise durch geeigneten Schnitt, Herauspicken von Zitaten für die Verwertung und durch die Kameraführung dafür Sorge getragen wird, dass beim Zuschauer auch ja der politsch gewünschte Eindruck entstehe.

Was ich hier in diesem wachsenden und stets bedrohten Tagebuch der Kälte geschrieben habe — auch mit seinen Unzulänglichkeiten und Fehlern, von denen ich wahrlich nicht frei bin — verbleibt als scheue Stimme eines marginalisierten Lebens und kann jederzeit nachgelesen und unter den weiten Maßgaben der Piratenlizenz verwendet werden, auch von Vertretern der etablierten Contentindustrie verwendet werden, so sie daran Interesse haben. Dass ich damit weder ein Interesse nach finanziellem Gewinn noch eines nach persönlichem Ruhm verbinde, zeigt sich bewusst in der gewählten Form der Veröffentlichung und sollte dem Sehenden eigentlich durch bloßes Hinschauen offenbar werden. Für die Verwurstung meines Lebens in einem simulierten Diskurs mit vorab beschlossenem Ergebnis ist mir der flüchtige Sekundenglanz meines eigenen Daseins zu wertvoll, als dass ich es für eine Handvoll Euro auf dem „Markt“ der Contentindustrie zur Verfügung stellen würde, um als bloße Dekoration solcher Darbietung ein bisschen „Demokratie“ anzudeuten — nicht einmal Judas Iskariot hat sich selbst verraten. Von weiteren derartigen Anfragen bitte ich abzusehen, ich würde sie dann auch nicht mehr anonym behandeln, wenn ich darüber schreibe.

So, und jetzt trinke ich hier noch einen Schocher, wie man das so schön auf Rotwelsch sagt, lasse diese Wärme kurz die Kehle runterrinnen und dann gehe ich wieder ausbaldowern, wo ich heute stapeln kann und wen ich ankobere, um in der dräuenden Eiseskälte der Nacht eine plattes, warmes Knackzimmer zu finden. Macht euern Schmuh ohne mich, ich bleib beim Fechten! PLONK!

Vom eisernen Band

Und der Nachtwächter sprach: Es ist ein allzu durchschaubares, geradezu mechanisches psychologisches Schema: Wenn einem Menschen Gewalt widerfährt, wenn dieser Mensch in der Situation des Opfers völlig ausgeliefert, hilflos, ohn-mächtig ist, denn wehrt er diese tiefe Kränkung seines Narzissmus immer auf die gleiche Weise ab. Er. Identifiziert sein geschundenes Ich mit dem Gewalttäter, seiner Ideologie und seinen Motiven, spielt sich selbst in dieser trickreichen Verdrängung mit einer lächerlichen Handpuppe seiner blutenden Seele vor, dass er ja gar nicht machtlos ist, sondern eine wichtige Rolle in einem überpersonalen Mächtespiel einnimmt, und. Er entwickelt aus diesem verzerrten Verständnis seiner eigenen Position als Opfer ein ebenso verzerrtes „Verständnis“ für die angenommenen Motive des Täters, mit dem er sich um die Einsicht bringt, ein machtloses, ausgeliefertes, elendes Opfer zu sein. Es ist dieses gleichsam diffuse wie durch den Kraftakt der Verdrängung eisenhart gemachte Band zwischen Täter und Opfer, das ganze Gesellschaften und die gesamte Wucht ihrer überpersonalen Gewalt erhält; beginnend mit der so genannten „Liebe“ der Kinder zu ihren Eltern, die sich dann so scheinbar zwanglos auf irgendwelche Landesväter und Bundesmütter überträgt; fortgesetzt mit der Anhänglichkeit so genannter „Arbeitnehmer“ an den Ort ihrer Ausbeutung und wirtschaftlichen Verwurstung; noch lange nicht endend bei der tiefen emotionalen Bindung an irgendwelchem religiösen oder esoterischen Unfug, der den unbewussten Prozess und damit den selbstgebauten Götzen des zernichteten Ichs in der süßlichen Illusion der Ewigkeit und Unendlichkeit zementiert; bis hin zur hirnlosen Horde von Konsumenten, Soldaten und sonstigen Laufmaschinen, die im verkrampften, erzwungenen Jubel ihr individuelles Daseinsrecht auf einem absurden Schlachtfeld für Flaggen und Börsencharts wegwerfen. So lange dieser billige psychologische Prozess nicht überwunden ist, so lange die Selbsteinlullung des kindischen Narzissmus nicht in der Breite bewusst gemacht und bei jedem Einzelnen mitsamt allen ihren Rationalisierungen und sonstigen Verdrängungen erkannt und überwunden wird, so lange wird jede Revolution. Schließlich genau das hervorbringen. Was sie einst beenden sollte. Der Schlüssel zur Freiheit ist genau dort verborgen, wo niemand hinschauen mag. Und nicht. In irgendwelchen gesellschaftlichen, politischen oder philosophischen Analysen, die selbst ein Spiegelbild des gekränkten Narzissmus sind.

Alles ist falsch!

Ursache — Der große Erfolg, den gewisse Geschäftemacher mit ihren meist haltlosen Geschichtchen einer gewaltigen Verschwörung des gesamten etablierten Wissenschaftsbetriebes haben; die große Bereitschaft vieler Menschen, Bücher und Filme zu kaufen und Websites zu besuchen, in denen mit teils hanebüchener Argumentation und viel wissenschaftlicher Mimikry in der Wortwahl postuliert wird, dass die Gesamtheit der scheinbar so gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis fehlerhaft ist, sie spiegelt vor allem eines wider: Dass trotz des gewaltigen zivilisatorischen Fortschrittes in der Erkenntnis des Weltgefüges die Mehrzahl der Menschen von den Früchten dieses Prozesses ferngehalten werden; dass ein überpersonaler Prozess weiterläuft, der einen erheblichen Anteil der Menschheit mit kalter Hand seiner Lebensmöglichkeiten beraubt, und dass der wissenschaftliche Betrieb längst zum Arm geworden ist, an dem diese kalte Räuberhand befestigt ist, die nach dem Leben greift. Die Betroffenen dieses Raubes hören die Rede gegen die Wissenschaft gern, denn niemand mag lobpreisen, der ihn beraubt. Nicht die Wissenschaft ist falsch, sondern der Prozess, der über die Gesellschaften abläuft, ist falsch. Die Wissenschaftler freilich, sie könnten viel für ihre Ehre tun, wenn sie sich mit dem Missbrauch ihres Tuns gegen die Menschen beschäftigten und endlich aus einer Einsicht in den gesellschaftlichen Kontext ihres Wirkens handeln würden. Dies könnte auch leicht ein wichtiger Beitrag zu einer — mittlerweile sehr not-wendigen — neuen Aufklärung werden.

Diskussion — Der Versuch, mit an den Verstand und die Einsicht gerichteten Argumenten einen geübten Prediger der Irrationalität in den auf Massenmarkt und damit auf Unterhaltung zugeschnittenen Medien zu widerlegen, ist zum Scheitern verurteilt. Diese Leute, wo sie einen hübschen Reibach mit ihrem gefährlichen Unfug machen, sie sind sehr darin geübt, eine gute Show abzugeben, und in den lichtschnellen Flutschmedien des Rundfunks „gewinnt“ nicht die Vernunft und die Nachvollziehbarkeit einer Darlegung, sondern nur die gute Show. (Fast) Niemand macht sich die Mühe, noch einmal eine Aufzeichnung gründlich durchzuschauen, um festzustellen, dass dort jemand einfach nur in selbstgewisser Haltung mit vielen Worten nichts gesagt hat, dass jemand, wenn er für eines seiner „Argumente“ in die Enge gedrängt wurde, sich gar nicht darum kümmerte, sondern schnell das nächste „Argument“ hervorkramte, um mit gut geübter Pose die Gesamtheit seiner „Belege“ zu präsentieren; mehr Unfug, als jede bedächtige Nüchternheit ergreifen, zusammenfalten und ablegen könnte. Dazu im Hintergrund der lärmende Applaus von Menschen, die zwar nichts verstehen, aber sich doch wenigstens in ihrem schon vorher vorhandenen, dumpfen und vorbewussten Gefühl bestärkt wurden; den Rest erledigt die gebieterische Gruppendynamik, den man unter dem Wort „Publikum“ zu fassen sucht. Eine Show treibt keinen Prozess der Einsicht voran, auch keine so genannte „Talkshow“. Besser ist es, den Unfug dort zu widerlegen, wo die Widerlegung besonnen und langsam von interessierten Menschen aufgenommen wird, auch auf die Gefahr hin, dass auf diese Weise nicht jeder Mensch erreicht wird. Insbesondere das Fernsehen ist eine Brutstätte für jede Form der Dummheit, Irrationalität, psychischen Prostitution, Geistlosigkeit und Wahnhaftigkeit; und der größte Teil der auf Papier geschmierten Journaille steht in diesen Punkten kaum nach. Wer eine neue Aufklärung will, und auf dieses Medium setzt, zeigt damit nur, dass er über sein Vorhaben ohne die äußere Wirklichkeit durchziehen will, dass er lediglich intellektuell masturbiert.

Der -ismus ist Mus — Ein wichtiger Teil der wissenschaftlichen Mimikry, mit denen irrationale Blendredner und Seelenausweider über die Substanzlosigkeit ihrer Postulate hinwegtäuschen, ist eine in ihrem Formen an den wissenschaftliche Neologismen angelehnte Kunstsprache. Sehr fein wird hier reflektiert, dass die Wissenschaftler (insbesondere in Europa, in den USA ist das Problem nicht so groß) über lange Zeit hinweg eine Parallelgesellschaft gebildet haben und sich geweigert haben, nach außen, zu den anderen Menschen, in verständlicher und lebendiger Sprache zu kommunizieren. (Stattdessen nahmen sie ihre Begriffe zu gern aus den Sprachen von Zivilisationen, die seit Jahrtausenden nicht mehr existierten, als ob das ein gutes Symbol für den Fortschritt der Erkenntnis und die Aufklärung wäre. Dabei hätte doch die röm.-kath. Religionsgemeinschaft damit mahnen müssen, dass sie über Jahrhunderte hinweg das gleiche versucht hat, ebenfalls, um mit diesem faulen Trick Privilegien zu sichern.) Was in solcher Sprache gesagt ist, sollte dann — die Dressur der Schule hats jedem eingeimpft — geglaubt, auswendig gelernt und reproduziert werden. Es ist ein köstlicher Witz, dass das auf die Wissenschaft zurückschlägt und dass auch dümmste „Argumentationen“ in derartige Sprache verpackt werden. Das Wort „Kreationismus“ klingt ja gleich ganz anders als „der Glaube daran, dass eine antike Sammlung orientalischer Legenden buchstäblich und wörtlich wahr ist“; das Wort „Spiritismus“ klingt anders als „der Glaube an Gespenster, Spuk und die Kommunikation mit Toten“; das Wort „Astrologie“ klingt andes als „der Glaube daran, dass sich die Zukunft durch Berechnung zukünftiger Konstellationen der Planeten vorausberechnen lässt und dass sich Schicksal und Charakter eines Menschen in größerer Abhängigkeit zu Millionen von Kilometern entfernten Himmelskörpern als zu seinem gesellschaftlichen und famillären Umfeld bilden“; und auch das Wort „Anthroposophie“ klingt anders als „der Glaube an die Richtigkeit eines esoterischen Weltbildes, das sich Rudolf Steiner aus Vorgaben der Theosophischen Gesellschaft der geistergläubigen Helena Petrowska Blawatski ergänzt um einige eigene Gedanken und Erfahrungen zusammengezimmert hat“. Verzichtet man in der Beschreibung auf die ganzen Ismen, Logien und Phien, mit denen der Verstand umnebelt werden soll, beginnt man mit einer Umschreibung der Inhalte hinter dieser Fassade, so wird klar, dass jedes dieser Konzepte mit dem Wort „Der Glaube“ beginnt, und dass jeder dieser angebotenen Glauben auf objektive und reproduzierbare Überprüfbarkeit verzichten soll und stattdessen auf die individuelle Bestätigung in einem allzu leicht manipulierbaren Seelenleben setzen soll. Das ist der Unterschied, und das muss jedem Menschen klar gemacht werden!

Höchste Gefahr — Die gefährlichste esoterische Pseudowissenschaft der gegenwärtigen Zeit sind die so genannten „Wirtschaftswissenschaften“, und diese Gefahr rührt daher, dass sie für echte Wissenschaften gehalten werden. (Es wird sogar ein angeblicher „Nobelpreis“ dafür verliehen, den Alfred Nobel weder gewollt noch gestiftet hat, damit die Hohenpriester dieses Kultes auch in Ansehen kommen, trotz allen offensichtlichen Versagens und aller mordgrimmen Kälte in Ansehen.) Verglichen mit dem Leergeschwafel dieser faulen Zauberer stand sogar die esoterische Alchimie des Mittelalters auf festem Boden, ging sie doch immerhin noch von der beobachtbaren und reproduzierbaren Umwandelbarkeit chemischer Stoffe aus und hatte damit Wurzeln in der materiellen Tatsächlichkeit des Kosmos. Ausgerechnet auf Grundlage dieser illusionären Unwissenschaft, die sich eine Wissenschaft der Wirtschaft nennt, aber in Wirklichkeit nur eine moderne Formulierung eines babylonisch kabbalaistischen Voodoo Vorhöllenspuk Zaubers ist, ausgerechnet auf der Grundlage dieses herz- und hirnfaulen Hokuspokus sollen ganze Gesellschaften umgebaut werden. Mit Verlaub, ich liebe meine Freiheit, aber da ist mir selbst der Islam lieber.

Ausfall — Die letzte Aussage bitte nicht zitieren und gegen mich verwenden, wenn es einmal darauf ankommt… 😉

Alles ist falsch — Es ist nicht möglich, gegen die neueren Forderungen der Irrationalität anzugehen, ohne dabei eine längst etablierte, allgegenwärtige und als gesellschaftliche Stütze betrachtete Form der Irrationalität zu sehen und energisch zu bekämpfen, nämlich die Irrationalität des Konsumismus. Längst sind Magie und Geisterglaube fester Bestandteil jeder Werbung, längst hat der Markenkult einen Zustand erreicht, der das aufgestempelte Amulett einer Marke für wichtiger und preiswürdiger hält als das damit bestempelte, oft minderqualitative Produkt, längst sind Menschen auch bereit, sich für diesen Unsinn völlig aufzuopfern. Diese neue Religion ist überall Staatsreligion geworden, die Banker sind ihre Priester, der Kult frisst mehr Opfer als alle glühendheißen Moloche des alten Orients. Wer einen Eindruck von der tiefen Magie und der direkten Kontinuität auch noch der irrwitzigsten religiösen Wahnvorstellungen in der Werbung bekommen möchte, der schaue sich (am besten aufgezeichnet und beim Abspielen auf 25 Prozent verlangsamt, um nicht vom Tempo der Darbietung überrumpelt zu werden) die Autowerbung im Fernsehen an.

Keine Toleranz — Es kann nicht die geringste Toleranz gegenüber irrationalen, auf bullshit beruhenden gesellschaftlichen Forderungen erbracht werden, so klein und lächerlich diese Forderungen auch wirken mögen. Der Unfug ist wie ein Gift; in kleinen Dosen schadet er nicht, kann sogar ein bisschen anregend sein — aber in großen Dosen ist er tödlich. Dieses Gift hat allerdings die Eigenschaft, sich zu vermehren, wenn es nicht bekämpft wird, beinahe so, als sei es ein Virus. Am Ende des gesellschaftlichen Anspruches der „Kreationisten“ stehen Scheiterhaufen, Todesstrafen für Homosexuelle und „Gotteslästerer“ und „Heilige Kriege“ gegen die „Ungläubigen“. (Wer das hart formuliert findet, der verfolge bitte die Entwicklung in Uganda, dem afrikanischen Musterland der evangelikalen Christen! Hier geht Reinhard Bonnkes Saat blutig auf.) Und. Am Ende des gesellschaftlichen Anspruches der „Konsumisten“ steht eine Gesellschaft, die das Lebensrecht eines Menschen nur noch danach ermisst, ob er mit möglichst seinem ganzen Leben Konsumgüter produziert und mit dem dabei erwirtschafteten Lohn Konsumgüter erwirbt und in Müll verwandelt; wer dies nicht tut, muss von Sozialpädagogen „nacherzogen“ (die nennen das wirklich so!) werden, und wer dies trotz solcher Maßnahmen nicht tun kann, bekommt schließlich jedes Recht auf seine Existenz entzogen, im Zweifelsfall auch durch eine Tötung, wenn die Sedierung und das Wegsperren zu unwirtschaftlich werden. Vom letzteren der beschriebenen Zustände ist die Gesellschaft in der BRD nicht mehr sehr weit entfernt, weil zu viel Toleranz gegenüber der Intoleranz herrscht.

Lochlabern — Jeder Mensch, der keinem Gespräch aus dem Wege geht, kann diese Beobachtung leicht selbst machen und bestätigen: Wenn man mit einem Anhänger einer Pseudowissenschaft, der modernen Esoterik oder einer Religion spricht und diesen Menschen auf eines der (oft zahlreichen) großen logischen Löcher in seiner „Argumentation“ hinweist, so versucht dieser Mensch, so er nur geübt genug in der Abwehr des Zweifels ist, im Folgenden ganz schnell die Aufmerksamkeit auf hunderte jener verwirrenden Kleinigkeiten seiner seltsamen Gedankengebäude zu lenken, mit denen der Außenstehende nicht mehr vertraut sein kann. Mit diesem Labern um das Loch herum erspart sich der Verblendete das Betrachten des logischen Loches, in dem seine Ideologie untergeht — und schummelt sich um seine argumentative und intellektuelle Verantwortung für dieses Loch herum. Jeder fühle sich aufgefordert, dies einmal mit einem beliebigen Mitmenschen auszuprobieren, der in einer Sekte ist, radikalen Ideologien anhängt, Esoteriker ist oder glaubt, dass die Erde regelmäßig von Außerirdischen besucht wird. Nachdem dieses irrationale „Argumentationsmuster“, dass nur auf eine Abwehr des Zweifels durch Verdrängung gerichtet ist, erst verstanden wurde, findet es sich überall. Vor allem. In jedem Interview eines Politikers und in jeder Talkshow.

Für Andreas und Thomas

S. ist tot

Vim vi repellere licet

S. ist tot, und niemand kann es fassen. Niemand, das heißt: Niemand von all diesen Menschen, die glaubten, dass sie S. schon deshalb kannten, weil sie in ihrer ständigen Gegenwart waren; solche Menschen wie die Eltern oder der Lebensabschnittsgefährte. Sie hat doch gestern noch mit so ungewohnt klarer Stimme am Telefon gesprochen, mit so einer ungewohnt klaren Stimme.

Und dann hat sie dafür gesorgt, dass sie ein paar Stunden ungestört ist und sich mit ihren gesammelten Tabletten und einer großen Menge Alkohol vergiftet. Tabletten hatte sie viele. Man bekommt sie ja mit flottem Stift verschrieben, wenn die Körpermaschine trotz der blutenden Psyche weiterhin im betrieblichen Produktionsprozesse verwertbar sein soll, und auch, um einen Menschen mit einer solchen Körpermaschine immer wieder einmal ruhig zu stellen, wenn die gewöhnliche Sedierung mit dem Fernsehempfänger nicht ausreicht. Es ist ein gutes Geschäft mit den Tabletten, gerade unter dem gegenwärtig über die Gesellschaft ablaufenden Prozess. Und deshalb hat ein Mensch mit schweren Problemen eben viele Tabletten, vor allem, wenn er mit dem Zielbewusstsein der Erlösung ein wenig sammelt.

Jede Hilfe kam zu spät. Sie wusste genau, wie man sich die erforderliche Ruhe verschafft. Damit. Die Weltschmerztablette auch wirkt.

Ein paar als Rettungssanitäter bezeichnete Barbaren haben sich noch in der ihnen so eigenen Professionalität darum bemüht, mit den üblichen Mitteln die Körpermaschine wieder in Gang zu setzen, obwohl diese Körpermaschine zu einem Menschen gehörte, dem sein Dasein längst zum Ekel geworden war und der dies mit seinem Freitod völlig unübersehbar und unmissverständlich dokumentiert hat. Auch der Defibrillator bekam wieder einmal etwas zu tun. Niemandem hier ist das natürliche Recht auf seinen eigenen Tod gegeben. Genau so wenig. Wie hier irgend jemandem das natürliche Recht auf ein selbstbestimmtes Leben gegeben wäre. Und dann. Wurde S., die als Lebende nach ihren ganzen Erfahrungen mit dem Wert eines Menschen im BRD-„Gesundheitssystem“ nichts so hasste wie das Innere einer Klinik, noch auf die Trage geschnallt und in die Klinik gefahren, auch das ist ja ein gutes Geschäft. Selbst. Wenn die Körpermaschine, die da an der Notaufnahme abgeliefert wird, schon anfängt, kühl zu werden und Leichenflecken auszubilden. Immerhin konnte die Energie für das Blaulicht und das Martinshorn eingespart werden.

Meine Überraschung war nicht sonderlich groß, als ich heute davon hörte. Ihre Stimme an der Kälte des Telefonapparates war wohl so klar — ich habe sie leider nicht selbst gesprochen und bin auf die zweite Hand angewiesen — weil ihr, S., zu diesem Zeitpunkt völlig klar war, dass sie das Ende ihrer Qualen jetzt selbst in der Hand hatte. Vielleicht war ich so wenig darüber überrascht, weil ich nicht nur mit ihr gesprochen habe, sondern ihr auch zuhörte. Was wirklich. Nicht immer leicht war.

Nun quälen sich die zu Hinterbliebenen gewordenen Menschen mit ihrem Bild von S. und den kognitiven Dissonanzen, und natürlich auch mit sinnlosen Selbstvorwürfen, als ob diese und der Strom von Tränen nicht um Jahrtausende zu spät kämen.

Dabei wird — wie bei jedem Freitod — so vieles verschwiegen und vergessen.

Schon, als sie noch lebte, hat man es gern und schnell vergessen, wie sie als drei- oder vierjährige Zwergin von einem Nachbarn sexuell missbraucht wurde. Wenn man so etwas aus der Erinnerung ausblendet — so bildet sich Mitmensch Mordsspießer das ein — denn hat es niemals stattgefunden. Und die Kinder vergessen ja sowieso, was ihnen geschah, also geschieht es gar nicht. Sie. Wusste es noch. (Zumindest in Andeutungen, die im Gesamtbild aber für mich mehr als deutlich waren.)

Man merkte es ihr so gar nicht an, als sie noch klein war — das sagen jene, die es ihr hätten anmerken müssen. Sicher, sie war ein „schwieriges Kind“ und völlig in sich zurückgezogen, konnte niemandem vertrauen, wirkte oft ein wenig abwesend und war in vielen Dingen auch ein wenig ungeschickt. Deswegen musste sie auch die komplette strukturelle Gewalt des Zwangsschulsystemes der BRD kennenlernen, die gern im Wort von den „Hänseleien“ verniedlicht wird, um den kalten Zynismus noch zu steigern. Aber sowas! Andere Kinder gehen doch auch zur Schule, und drehen nicht so völlig ab…

„Drehen nicht so völlig ab“, wie es bei S. im Alter von 11 Jahren, an der Schwelle zur Hölle der Pubertät, begann. Das In-sich-Zurückziehen nahm Züge einer ausgewachsenen Phobie an. Der Arzt des Dorfes nannte diese Phobie „Schüchternheit“, er ist eben Arzt und wird nicht für gute Dignosen und noch weniger für die Gesundheit der Menschen bezahlt, sondern dafür, dass er die Leistungsfähigkeit der Menschmaschinen erhält. Und das tat er auch bei S., indem er ihr etwas gegen die „Schüchternheit“ verschrieb. Das waren ihre ersten Tabletten. Mit diesen gelang ihr immerhin die weitere Teilnahme am Schulunterricht, und sie saß auch nicht mehr den ganzen Tag weinend in ihrem kleinen Zimmer in dem großen Haus, wenn sie mal wieder von ihren Mitschülern verprügelt und bespuckt wurde.

Die Dosis steigerte sich, früh kam auch schon Alkohol dazu, der gleiche Alkohol, der in den größeren Zimmern des großen Hauses von den größeren Menschen in erheblichen Mengen gesoffen wurde, um die Ödnis des eigenen Lebens nicht so sehr fühlen zu müssen — eine sumpfige Ödnis, in der man nicht mehr miteinander spricht, in der man in stiller Entseelung nebeneinander herlebt und die moderne Dreieinigkeit von Arbeit, Fernsehen und Schlaf ein ganzes Leben formt. Diese Ödnis nennt sich Ehe und Wohlstand. Man kriegt ja nichts geschenkt. Man muss ja zufrieden sein. Und. Es fehlt ja auch eigentlich an nichts.

Und. Alkoholiker sind immer die anderen, und unsere Tochter hat zwar manchmal einen gesoffen, aber sie war keine Alkoholikerin und auch nicht von den Medikamenten abhängig. Dass sie einige Male im Koma lag, kommt vor, wenn man jung ist. Tja, mit dreizehn ist man eben noch jung.

Für einen Abschluss hat es noch gereicht. Die Parallelwelt der Schule, die als verkleinertes Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit dem rückblickenden Menschen beinahe niedlich scheint, lässt sich mit solchen Hilfsmitteln durchaus durchstehen — vor allem, wenn wenigstens ausreichend Geld da ist, um etwas Nachhilfe finanzieren zu können. Denn diese Schulzeit wurde für S. doch durch den einen oder anderen Klinikaufenthalt unterbrochen, und diesen ständigen Rückstand muss man ja irgendwie aufholen. Am Gelde ists jedenfalls nicht gescheitert.

Nach der Schulzeit. Verflüchtigte sich jede Hoffnung auf irgendeine Besserung wie von allein. Die Ausbildung scheiterte. Das bisschen Clique, das S. um sich hatte, beschränkte sich in der sozialen Interaktion auf Einkaufen, Diskobesuche und ausgiebigen Alkoholgebrauch. Probleme hatte man niemals. Die Verdrängung, die S. aus ihrem direkten Umfeld kannte, setzte sich nahtlos außerhalb dieses Umfeldes fort, bis im Laufe der Jahre auch noch dieser kärgliche Trost in vielen Hochzeiten zerstob. Und. Das richtige Schweigen begann, das nur von einigen so genannten Beziehungen unterbrochen wurde, die den Charakter eines Verkehrsunfalles hatten.

Sicher, S.s Fassade sah gut aus, sie war eine attraktive, schlanke Frau mit gutem Geschmack und auch scharfen Gedanken, wenn sie einmal ansprechbar war. Elend macht eben auch klug. Man sah und hörte ihr nicht an, dass sie schon als Kind von einem unbeschreiblichen Selbsthass zerfressen war, dass sie sich nach dem völligen Scheitern jeder Lebensperspektive und jedes Versuches der Selbsttröstung mit regelmäßigem selbstverletzenden Verhalten eine Karthasis verschaffte, die dann im Laufe der Jahre auch fad wurde. Sie trug halt lange Ärmel. Die Fassade ist dort, wo sie herkommt und wo das große Haus steht, wichtig. Über alle Maßen wichtig.

Dorthin, in das große Haus, ging sie immer wieder einmal zurück, wenn sie „abgestürzt“ war und aus der Klinik entlassen wurde, was mit ermüdender Regelmäßigkeit geschah. Und dort, im großen Haus beim Fernseher und der gut gefüllten Hausbar, gaben ihr die jetzt so Überraschten gern und reich ihren Rat, wann immer sie dort war. Sie müsse sich nur zusammenreißen und wieder arbeiten, denn komme sie schon auf andere Gedanken. Die paar Assimilationsarb Sozialarbeiter, die sie in der Klinik kennenlernte, sagten ihr übrigens inhaltlich das gleiche, schlugen aber tendenziell eher ein „Arbeiten“ mit therapeutischem Hintergrund, eine so genannte „Ergotherapie“, vor, diese begleitet von Maßnahmen zum Alkohol- und Medikamentenentzug. Arbeit macht frei.

Niemand glaube, dass S. das alles nicht versucht hat! Für einige Wochen ist die Verdrängung ja aufrecht zu erhalten, aber eben nicht auf Dauer. Der letzte Versuch — oder genauer: das Scheitern des letzten derartigen Versuches — führte S. mit einer so starken Vergiftung in die Klinik, dass sie tagelang im Koma lag und dem Tod gerade so eben von der Schippe gesprungen war.

Sie hatte sich noch nicht einmal so richtig davon erholt, da begann wieder das professionelle Gefasel vom „Arbeiten“ und die familäre Ergänzung vom „Zusammenreißen“ — und der in solch neoliberal nützlicher Stumpfpsychologie mitschwingende Vorwurf, es sei alles ihre Schuld, sie suche sich ihr Elend doch selbst aus.

Nun hat sie ihr Elend selbst beendet. Denn das konnte sie. Gut geplant, schmerzlos und mit einer Zielstrebigkeit, die jeden Gedanken an einen rein appellativ gemeinten Suizid den Boden raubt, trotz des eher unsicheren eingesetzten Mittels.

S. ist tot.

Ihre Seele erfror in der schweigenden Kälte. Und die Schweigenden sind überrascht, betroffen, erschüttert. Damit hätten sie denn doch nicht gerechnet. Damit, dass S. auf die strukturelle Gewalt in ihrem Leben, der sie gar nicht mehr entkommen konnte, reagierte, indem sie sich selbst Gewalt antat und damit ihre Ohn-Macht beendete.

Demnächst wird es eine Todesanzeige für S. geben, in einer kleinen regionalen Zeitung irgendwo auf dem weiten Land des kalten Schweigens. Die Gestaltung und den Text der Anzeige wird jemand übernehmen, der sich dafür bezahlen lässt, und er wird die üblichen Phrasen zu Papier bringen, so etwas wie „Für uns alle unerwartet ist sie in der Blüte ihres Lebens entschlafen“. Wenn er einen ganz lichten Moment hat, schreibt er einfach nur „Sie ist erlöst“. Da sein Geschäft auch ohne lichte Momente läuft, wird er wohl eher keinen lichten Moment haben.

Und dann kommt die Beerdigung. S. war getauft, also wird sich ein Pfaffe hinsetzen und in seinem Notizbuch nachschauen, ob er schon eine wiederverwertbare Ansprache für einen derartigen Todesfall hat. Pfaffen verlassen sich genau so treffsicher auf das schlechte Gedächtnis der Menschen wie Politiker, und sie sind genau so gut wie jene im Belügen der Menschen und im Vermeiden eigener Mühe geübt. Wie sich doch alle Geschäfte aneinander angleichen! Und wie wichtig doch überall die Fassade ist.

Man wird ein Loch graben und einen Sarg dort hineinsenken, wo man hinterher einen Stein auf das Gras stellt und für ein paar grüne Lappen ein paar Blümchen von der Gärtnerei pflanzen und pflegen lässt, damit auch diese Fassade gut aussieht. Auch das. Ist vor allem ein gutes Geschäft. Und die Menschen, die zu Hinterbliebenen geworden sind, werden sich hinstellen und sich gegenseitig versichern, wie völlig unerwartet das alles kam; einige werden sich allerdings schon an der offenen Grube klammheimlich auf den Kuchen, den Kaffee und den in der Speiseröhre so warmen Schnaps freuen. Es ist ja Herbst.

Ich werde diese unpassende Komödie gewiss nicht besuchen, denn mir ist nicht zum Lachen zumute. Ich habe S. nämlich wirklich gemocht.

Und ich weiß. Dass S. mich vollkommen verstehen würde — wie sie generell vieles von meinem Ekel vor dieser Gesellschaft verstand, in der ich weiter mein trübes Dasein fristen muss. Sie. Ist ja jetzt gegangen. Vorgegangen.

Elend. Macht eben klug.

Knapp anderthalb Prozent aller Todesfälle in der BRD sind sicher erkannte, erfolgreiche Suizide, es handelt sich um ungefähr 12.000 Menschen im Jahr. Niemand weiß, wie hoch die Dunkelziffer ist; wie viele seltsame Unfälle mit tödlichem Ausgang, falsche Dosierungen von Medikamenten, Drogen- und Alkoholexzesse, systematische Unterernährungen und dergleichen mehr in Wirklichkeit in bewusster oder doch wenigstens latenter suizidaler Absicht herbeigeführt wurden. Nur jeder zehnte bis zwanzigste Suizidversuch führt zum Tode, und auch bei den Suizidversuchen ist die Dunkelziffer nicht abzuschätzen. Das kalte Schweigen geht weiter.

Ach ja, wer glaubt, S. identifizieren zu können: Der Anfangsbuchstabe des Namens wurde von mir geändert, und jeden hilfreichen Hinweis aus der ersten Version dieses etwas zu langen Textes habe ich bewusst entfernt.

Was nicht gezeigt werden kann

Damit etwas als bewegendes Bild im Fernsehen oder in einem Kinofilm gezeigt werden kann, muss es mit dem Vorgang äußerer, sichtbarer Bewegung verbunden sein. Das ist einiges. Aber. Vieles ist eben auch gar nicht in dieser Weise darstellbar. Zum Beispiel ist es unmöglich, den recht einsamen, stummen und optisch unattraktiven Vorgang einer sorgfältigen, nachdenklichen Erwägung eines beliebigen Themas in einem Medium bewegter Bilder darzustellen, ohne die Zuschauer damit zu langweilen, und deshalb gibt es solche Darstellungen eben auch nicht.

Im gleichen Maße, in dem die Medien Fernsehen und Film bedeutend für die Weltwahrnehmung der meisten Menschen geworden sind, tritt die Vorstellung der sorgfältigen Benutzung geistiger Fähigkeiten zurück. Der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit verlagert sich auf die sichtbare Tat, nicht auf den dahinter stehenden mentalen Prozess. Gerade die lichtschnelle und stets Aktualität schreiende Darbietung des Fernsehens übt dabei ein Drängen auf Handelnde im öffentlichen Lichte aus, ihre Taten schnell und mit wenig Überlegung auszuführen — und diese medial dargebotene Vorlage der herrschenden Elite wird von den Beherrschten allzu leicht aufgenommen. Das Tun wird dabei zum reinen, eher reflexartigen Verhalten. Und. Es ist genau so leicht und billig zu beeinflussen wie ein reflexartiges, auf gedrängte Reaktion beschränktes Verhalten. Das Verdörren jeder höheren kulturellen und intellektuellen Leistungsfähigkeit im allgegenwärtigen Flackerschein der bildgebenden Volksempfänger ist ein zwangsläufiger Prozess.

Bitte lächeln

Die Forderung, in jeder noch so anstrengenden und schmerzhaften Situation mit aller Willenskraft einen freundlichen und entspannt wirkenden Gesichtsausdruck zu zeigen, erging ursprünglich nur an die Prostituierten und die Artisten der Zirkusse und Varietés. Dort sollte und soll das wie eine Maske aufgesetzte Lächeln die Illusion einer Mühelosigkeit der täglich als harte und abstrakte Arbeit dargebotenen Leistung befördern, die sich in die gesamte Illusion solcher Etablissements einfügt. Doch zwei industrielle Bastardkinder jener heute im Flackerschein abstrakter Medien eher marginalisierten Etablissements, das show business zusammen mit der sich daran bindenden Contentindustrie und die Werbewirtschaft, trugen das unentwegte Lächeln immer mehr in den Alltag der Menschen und machten schließlich aus der aufgesetzten Maske der Jugend, Gesundheit, Kraft und Freude eine Forderung, die an alle Menschen ergeht. Jene, die für ein Passfoto, ein Foto in ihren Bewerbungsunterlagen — als ob es nicht reichte, dass der Bewerber etwas kann, nein, da muss er auch noch gut aussehen — oder als stets freundliche Verkäufer bei der Abarbeitung des Kundenaufkommens diese Maske aufsetzen, verbergen den objektiven Schmerz ihres Daseins hinter einem geforderten und geförderten Krampf ihrer Gesichtsmuskulatur.

Über alles wächst Gras

Intellektuell hervorragende Menschen glauben in ihrer großen Mehrheit nicht an die christliche Religion, aber in der Öffentlichkeit und in der Politik halten sie diese Tatsache geheim, weil sie Angst haben, ihr Einkommen zu verlieren.

Bertrand Russell

Fremde Ware — Als ein Mensch, der zwar (wann immer er sich Tabak leisten kann) raucht, aber kaum kifft, kenne ich dennoch die Hanfpflanze sehr genau, während ich kaum etwas über die Tabakpflanze weiß. Denn viele Menschen aus meinem Umfeld wurden durch die Kriminalisierung dieser Pflanze dazu gedrängt, selbst in aller Heimlichkeit ein paar Pflänzchen für ihren Bedarf zu kultivieren, um nicht die überhöhten Schwarzmarktpreise für ein dope von oft zweifelhafter Qualität zu zahlen — zumal dieses Geld auch nicht gerade in die Schaffung ewiger Blumenkraft fließt. In der Folge weiß ich sehr genau und aus direkter Anschauung, wie Hanf aussieht, wie sich seine Blätter und Stängel anfühlen, wie er riecht und wie seine Blüten gebildet sind, dies sind alles Dinge, die ich über den von mir recht regelmäßig konsumierten Tabak nicht weiß. Wie doch das völlig unsinnige Verbot einer Pflanze dazu führen kann, dass der entfremdete, zum Fetisch gewordene Charakter aller gehandelter Ware zum Gegenstand der direkten Erfahrung wird!

Von Gott — Zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit zählt mit Sicherheit der Schlafmohn. Schon aus der Jungsteinzeit (vor rund 8000 Jahren) gibt es archäologisch erschlossene Spuren eines systematischen Anbaus der hübschen Blumen mit ihren lila Blüten; die frühesten bekannten schriftlichen Überlieferungen der Mohnkultur finden sich in 6000 Jahre alten Keilschrifttafeln der Sumerer. Der Mohn hatte auch einen Namen in diesen Tafeln, er war die „Freudenpflanze“. Der getrocknete, milchige Saft, der durch Anritzen der Samenkapsel gewonnen wurde (und der immer noch auf diese Weise gewonnen wird), er war in der Tat eine Freude. Er gewährte dem Schlaflosen Schlaf und dem Kranken Schmerzfreiheit; er wird wohl auch als frühestes bekanntes Narkotikum viele schmerzhafte medizinische Eingriffe erst ermöglicht haben. Kaum abzusehen, wie viele Leben diese Blume während der größten Zeit ihrer zivilisatorischen Verwendung wohl erhalten und wie viele sie wohl erträglich gemacht hat. Gewiss, auch als Droge fand das Opium Verwendung, denn noch verdammte keine lustfeindliche Moral die Freude am Rausch. Im Jahre 214 unserer Zeitrechnung wurde eine Inventur des kaiserlichen Palastes zu Rom erstellt, bei der unter anderem siebzehn Tonnen Opium entdeckt wurden. Beendet wurde die große zivilisatorische Errungenschaft des Opiumbaus erst durch ein Christentum, das jede Krankheit als eine Strafe Gottes betrachtete, die der Mensch hinzunehmen habe — und das deshalb die Anwendung von schmerzstillenden Mitteln zunächst für die eigenen Gläubigen und später für ganze Kulturkreise verbot und das dieses Verbot zunehmend mit staatlicher Gewalt durchsetzen konnte (und es bis heute mit Gewalt durchsetzt). Der einst so freudevolle Saft des Mohnes galt unter der Lebensverachtung dieser Lichtverneiner als ein Werk des Satans, und der Schmerz wurde stattdessen als ein Gesandter Gottes angesehen. Unter Karl dem Großen wurde das einst christliche, später staatsreligiös römische Verbot im Jahre 810 unserer Zeitrechnung erneut zum Gesetz für alle Menschen im hl. römischen Reich deutscher Nation, und es gilt bis heute für alle Menschen, auch für solche, die dem lebensverachtenden Irrsinn der christlichen Religion nicht anhängen. Es gilt selbst für Menschen mit schweren Schmerzen, denn die bürokratischen Anforderungen an die Verschreibung von Morphium zur Bekämpfung schwerer Schmerzen sind in der christlichen Welt derart hoch, dass viele Ärzte den Aufwand scheuen. Wenn heute schwer kranke Menschen unter unzureichend behandelten, höllischen Schmerzen verrecken müssen, denn ist dies direkt auf die kulturellen Wirkungen einer Religion zurückzuführen, die sich selbst in satanischer Schamlosigkeit als eine „Religion der Liebe“ vermarktet. Wer das Opium oder sein heute leichter illegal erhältliches Derivat Heroin unter der Herrschaft dieser „Liebe“ hingegen als Droge benutzt, wird in einem kriminellen und skrupellosen Schwarzmarkt gestoßen und kann noch froh darüber sein, wenn er sich neben dem gewünschten Stoff nur so verhältnismäßig „harmlose“ Substanzen wie Waschmittel in die Vene pumpt und keine wirklich gefährlichen Gifte. Die erbärmliche Verelendung der junkies ist die sich in der „Streckung“ der Droge selbst erfüllende Falschprophetie vom Schlafmohn als Werk des Teufels — und das wirklich Teuflische im Prozess, der über die Gesellschaften abläuft, versteht es immer wieder prächtig, sich als fromm zu tarnen.

Ein Prost auf das Blut des Herrn — Und der Industrielle betete, nachdem er die Zahlen aus dem Controlling mit sichtbarem Gefallen überflogen hatte, voller Dank vor seinen Brauereien und Schnapsbrennereien und sprach: „Mein Herr Jesus, ich danke dir dafür, dass du am Abend deines Todes etwas Alkohol in der Form von Wein getrunken hast und dass du dies auch in die Bibel hast schreiben lassen. Ich danke dir dafür, dass du dafür gesorgt hast, dass der Alkohol in einem zentralen Ritual einer sich auf dich berufenen Religion unverzichtbar geworden ist. Ich danke dir, dass ich deshalb gesellschaftliche Anerkennung, den Schutz des Staates und deiner Kirchen und ein sicheres Einkommen von den ganzen Trinkern habe, und dass ich nicht so ein Krimineller bin wie dieser verkommene, sündige Haschdealer da hinten in der Ecke am Rande der Gesellschaft, verflucht und verknastet sei er.“ Seine Fabriken, der Segen seines Reichtums, sie standen auf einem Berg von Säuferlebern, höher als der Hügel Golgata. Im Geweih des Hirsches, den die Werber auf den Leberkleister drucken lassen, erscheint ein Kreuz, den Pfaffen und Bankern ein Wohlgefallen. Auf der linken Seite des Kreuzes das elende Siechen der vom Suff zerrütteten Familien, auf der rechten Seite das leise Wimmern der verängstigten, für Nichtigkeiten zu Brei geschlagenen Kinder, deren Zukunft schon beendet ist, bevor ein selbstbestimmtes Leben nur begonnen hätte. Im alkoholischen Atem, der die Luft durchsetzt, dünstelt Freitod. Dahinter der Glockenturm, laut in den Abend bimmelnd, weil da einer am Altar steht, der mit neurotischer Sorgfalt und gut geübter Feierlichkeit die Worte abliest, die einen Becher Wein in das Blut Christi verwandeln sollen. Und über alles, über diesen ganzen durch die Jahrhunderte hindurch gepflügten Gottesacker, wächst Gras.

Für „Menne“

Einwegjournalismus

Was das Schießpulver für den Krieg war, ist die Druckerpresse für den Geist.

Wendell Phillips

Aus unerklärlichen Gründen wird die Presse viel zu hoch geschätzt und erhält wegen dieser Wertschätzung sogar wirksamen Wert. Vermutlich ist die Tageszeitung das älteste Einwegprodukt, das vom gegenwärtigen Kulturprozess hervorgebracht wurde. Mit hohem Aufwand werden Neuigkeiten erstellt und in strukturell leicht konsumierbarer Form aufbereitet, aber schon am nächsten Tag sind alle diese Neuigkeiten wertlos geworden ob der neueren Neuigkeiten, die in geifernder und bedeutungsloser Aktualität aus den Schlagzeilen nach Lesern rufen. Nichts, was in einer Zeitung steht, soll in dieser Verwirtschaftung von news bleibenden Wert haben, und bei ehrlicher Betrachtung ist auch schon der selbstzweckhafte Sekundenglanz der Aktualität trügerisch. Die Zeitung von gestern taugt — nachdem es keine Kohleöfen mehr gibt, in denen sie helfen könnte, das Feuer zu  entfachen und nachdem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts beinahe immer spezielles Toilettenpapier zur Reinigung der Ausscheidungsorgane nach der Defäkation Verwendung findet — im besten Falle noch dafür, als Unterlage in einem Vogelkäfig benutzt zu werden, um den Kot der darin eingesperrten Vöglein vom Kasten fern zu halten. Im Regelfall wird sie allerdings zu genau dem Altpapier, das sie konzeptionell bereits bei ihrer Herstellung war.

Der kulturgeschichtliche Weg der Zeitung von einem Produkt des bildungsbürgerlichen Lebensstiles hin zu einem Mittel für die Abfütterung bescheidener Geister mit Belanglosem und lebenspraktisch Unwichtigem war immer schon im Einwegcharakter des Konzeptes Zeitung vorgezeichnet. Ein barbarisches, im Appell an alle niederen Instinkte Aufmerksamkeit erzwingendes Machwerk wie die Bildzeitung ist nicht etwa ein Unfall derjenigen Form des Journalismus, die sich im Kontext einer Zeitung entwickeln muss, sondern ihre logische Folge. Was. Der wirtschaftliche und manipulativ wirkmächtige Erfolg dieses Machwerkes ebenso jeden Tag aufs Neue belegt, wie das atemlose Nachmachen der folgerichtigen Methoden und Inhalte der Bildzeitung durch eine seriös verkleidete Journaille, deren Seriosität längst zum reinen image verkommen ist.

Vom Verstummen

Alle offiziellen Maßnahmen und Förderungen der Republik Irland können es nicht aufhalten, dass die — in meinen Ohren übrigens recht wohlklingende — irische Sprache vom endgültigen Verklingen bedroht ist. Es hilft nicht einmal, dass für die verbliebenen, vielleicht sechzig- bis achtzigtausend aktiven Sprecher des keltischen Idioms alle Ausschilderungen zweisprachig gehalten sind, dass das Irische zur offiziellen Amtssprache der Republik erhoben wurde, dass es im staatlichen Rundfunk verwendet wird und dass es an den regulären Schulen als Pflichtsprache gelehrt wird.

Wer in Irland „etwas werden will“, lernt Englisch und spricht es im Alltag so oft wie möglich, um darin eine große Geläufigkeit zu bekommen. Die englische Sprache ist der Schlüssel für den individuellen sozialen Aufstieg geworden. In der allgemeinen Wahrnehmung sind die Sprecher des Irischen vor allem zurückgebliebene, bäuerliche Menschen in schlechter sozialer Lage; niemand mag gern zu dieser Klasse gehören. Dass sich einige gewohnheitsmäßig gebrauchte Redensarten halten, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die meisten Iren die gesprochene, geschriebene, gedachte und zum Handeln führende Sprache die englische geworden ist, während eine ganze Sprachkultur immer mehr auf eine folkloristische Dekoration reduziert wird.

Jede Sprache formt das Denken ihrer Sprecher. In der irischen Sprache gibt es eine bemerkenswerte grammatikalische Erscheinung bei den Zahlwörtern. Die meisten modernen Sprachen kennen den Unterschied zwischen Kardinalzahlen (eins, zwei, drei) und Ordinalzahlen (erster, zweiter, dritter). Diese beiden Kategorien sind auch im Irischen bekannt. Darüber hinaus gibt es im Irischen noch zwei weitere Kategorien von Kardinalzahlen, die verschiedene Formen bilden. Die eine Form wird verwendet, wenn Gegenstände gezählt werden (amháin, dhá, trí), die andere Form wird verwendet, wenn Personen gezählt werden (duine, beirt, triúr).

In dieser grammatikalischen Eigenheit der irischen Zahlwörter spiegelt sich ein großer Respekt vor der Person als solcher; ein Widerstreben. Menschen. Mit den gleichen begrifflichen Kategorien zu erfassen, die für materielle Werte und Gegenstände gebraucht werden. Wo in der Abstraktion der Zahl rechnerisch alles miteinander kommensurabel gemacht werden kann, baut diese Sprache ein (schwaches) begriffliches Hindernis auf und zeigt somit ein aus der Vergangenheit herüberhallendes Bewusstsein darüber, dass sich das Leben eines Menschen nicht beliebig verrechnen lässt.

Von daher ist es gar nicht überraschend, dass eine so denkende Sprache unter den Bedingungen des gegenwärtig über die Gesellschaften ablaufenden Prozesses verstummt — dieses Verstummen der einst europaweit gesprochenen keltischen Sprachen begann bereits im ausgedehnten imperium romanum, und es setzt sich bis heute fort.

Dank an I., der mich auf diese Eigenart des Irischen und ein paar Hintergründe aufmerksam gemacht hat, und: Viel Erfolg auf der Hannover-Messe! Ich hoffe, die Zahlwörter in einer mir vollständig unverständlichen Sprache sind richtig geschrieben… 😉