Früher habe ich oft gespottet, wie wohl unsere Häuser aussähen, wenn sie ähnlich gebaut würden wie Software; habe von Türen im zweiten Stockwerk gesprochen und davon, dass nicht einmal eine sichere Treppe dahin gebaut werden könne, weil die Bewohner sich so sehr an die wacklige und unzuverlässige Leiter gewöhnt hätten, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen könnten, ohne dieses Hilfsmittel in einen Raum zu kommen; habe von Hochhäusern gesprochen, die nach und nach, Schicht für Schicht, auf dem Fundament einer Holzhütte errichtet würden, bei denen man die inzwischen luxuriös ausgebaute, wenn auch leider vom Holzwurm stark angegriffene Hütte auch durchaus noch besuchen könne und von nachträglich angebrachten absurden, hässlichen und aufwändigen Stützkonstruktionen, die den Einsturz dieses Gebäudes verhinderten; habe davon gesprochen, dass mit dem Bau begonnen würde, bevor auch nur ein grober Plan fertiggezeichnet worden wäre und dass sich hinterher alle wunderten, wieso der Keller in der dritten Etage gebaut sei, während der nachträglich auf hochbezahltem Kundenwunsch implementierte Wintergarten unbrauchbar einen Meter unter der Straßenebene läge; habe von Maurern erzählt, die schon nach zwei Tagen wüssten, dass die Durchführung des Baus gar nicht möglich wäre, aber darüber schwiegen, weil sie sonst als unfähige Negativdenker beschimpft worden wären oder gar ihren Job verloren hätten; habe von Büchern phantasiert, aus denen jeder in kurzer Zeit das Bauen lernen könne, mit absurden Titeln wie „Brückenbau in dreißig Tagen“ und „Hausbau für Hirnlose, die es versäumt haben, gleich nach der Befruchtung abzusterben“ und dergleichen mehr, was ich direkt aus Titeln wie „C++ in dreißig Tagen“ und „Programmieren für Dummies“ abgeleitet habe, die sich wirklich für unverschämt viel Geld käuflich erwerben lassen… ach ja, die Konsequenzen solchen Bauens waren ein hübsches Bild, um den Menschen an einem vorsätzlich absurden Beispiel deutlich zu machen, was in der Softwareentwicklung grundsätzlich im Argen liegt und warum es so schlimm ist wie es ist. Heute kann ich diese müde gewordene Metapher vergessen, ihre Absurdität lockte keinen Hund mehr hinterm Ofen hervor; heute ist jedem Menschen mindestens ein großer Bau bekannt, der scheinbar genau so geplant und ausgeführt wurde, wie ich es bei Software schon immer gewohnt bin: BER, der Flughafen Berlin-Brandenburg.
Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab? Aber mitnichten, da gibt es noch viele Möglichkeiten!
„Handwerker wo er schreitet
folgt ihm finstere Nacht“
Seneca der Ältere (* 54 v. Chr. † ~ 39 n. Chr. )
Pfusch am Bau gab es schon immer. Nur erst seit dem Internet gibt es so etwas wie eine kollektiv-interaktive Wahrnehmung dieses Pfusches in quasi Echtzeit.
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Manche Dinge ändern sich nie und andere noch später.
Was willst du denn? Das nennt sich. Agile Softwareentwicklung. ;P
Erst das Dach, dann das Fundament und zuletzt den Keller 😆
Wir haben immer mit der Fassade angefangen (also mit der GUI), um beim Kunden die Erwartung zu wecken, dass das alles ganz einfach und ganz schnell geht… 😀
Ach ja, stimmt. Du hast recht. Zur Agilität kommt noch der Prototypenbau. Üblicherweise ein Oberflächenprototyp 🙂
Aber der Keller – der kommt immer zum Schuss! 😉
Ich kenne da auch so einen Handwerkerspruch:
Wir bauen ein Haus
und reißen’s dann nieder,
dann haben wir Arbeit,
immer wieder.
…und Geld!
Das Ganze hat Methode.
Der direkte Griff in die Staatskasse wäre zu auffällig. Deshalb spielt man über die Bande und kassiert. Während sich das Volk verwundert die Augen reibt, füllt sich die Elite die Taschen und läßt die Korken knallen.
Sag ich doch @Abreißen.
Aber der Keller – der kommt immer zum Schuss!
Der Irrsinn hat Methode 😉
Heute ertappe ich mich öfters bei dem umgekehrten Gedanken: Ach gegen den Berliner Flughafen ist mein eigenes kleines Chaos-Projekt doch ein Hort der Solidität!
Wir haben schon Kundengespräche geführt bei dem ich ein DataBecker Buch hab liegen sehen: „HTML in 21 Tagen“. Er hat uns dann den Auftrag nicht gegeben, weil er dachte wir sind nur überbezahlte Idioten … Ich habe von dem Projekt nie wieder was gehört.
…Noch was. Die Wahrnehmung bei den Leuten ist ja auch mitunter verschoben. Wenn die für eine individuelle Entwicklung einen guten Batzen Geld hinlegen müssen und dann argumentieren: für das Geld bekomme ich von Merzedes aber ein tolles Auto. Was soll man da antworten. Wir können zwar sagen. Das Auto ist aber von der Stange und wird millionenfach produziert und das hier ist eben ein Einzelstück. Das Argument wird einfach überhört.
Zur Ehrenrettung: Die meisten Softwareprojekte an denen ich beteiligt war, wurden zu einem guten Ende geführt. Ein gutes Stück Planung, dann kann es gar nicht so schlecht laufen. Es sei denn, man hat es nie gelernt.