Da die Weimarer Verfassung seit den Erklärungen auf dem Leipziger Juristentag im Oktober 1933 nicht mehr ernsthaft als fortgeltend angesehen werden konnte und eine neue Verfassung im formellen Sinne nicht enstand, halfen sich die Interpreten zunächst dadurch, daß sie das Ermächtigungsgesetz als „vorläufiges Verfassungsgesetz des neuen Deutschland“ ansahen.
Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Vierter Band 1945-1990
Wenn nun der Deutsche Juristentag eine anlasslose Überwachung der Internetnutzung aller Menschen und die Installation von staatlich erstellter Schadsoftware fordert, steht das durchaus in einer gewissen Tradition. Dass saubere rechtsstaatliche Verfahren durch staatliche Schadsoftware unmöglich gemacht werden, stört Juristen heute so wenig wie der damalige Verfassungsbruch der Nationalsozialisten damalige Juristen störte.
Vor welchem Gericht müssen sich jetzt diejenigen Menschen verantworten, die mit dem bereits eingesetzten Staatstrojaner im vollen Bewusstsein das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gebrochen haben?
Tja, manche Dinge ändern sich nie und andere noch später. Die Kontinuität von 1933 ist nicht nur bei der juristischen Klasse sondern auch der von Politik und Verwaltung ungebrochen. Wer 1933 dem Ermächtigungsgesetz zustimmte konnte problemlos Bundespräsident werden und behaupten die Weimarer Republik sei an der direkten Demokratie zugrunde gegangen.