Mit der absurden Frage konfrontiert, welches der schönste Teil seines Körpers sei, antwortete der Vorübergehende: „Es ist mein Verstand, der mich einsehen lässt, der mich langsam macht, der mich einen Vorübergehenden sein lässt, der mich die nicht-offensichtliche Schönheit vieler Erscheinungen sehen lässt, der meine Einsichten kommunizierbar und damit bei Fehlern korrigierbar macht und der mich heiter und milde stimmt, selbst noch im Angesicht der kältesten Dummheit heiter und milde stimmt“. Daraufhin mit der spiegelbildlich genau so absurden Frage konfrontiert, welches wohl der hässlichste Teil seines Körpers sei, antwortete er: „Es ist meine Psyche“.
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Als einer der neuen Dummen zum Vorübergehenden „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ sprach, damit er sich von den Worten besser abwenden und seine eigene Dummheit besser in der täglichen Bilderdusche genießen könne, da antwortete der Vorübergehende lächelnd: „Und ein gut gewähltes, treffendes Wort gibt mehr Einsicht und Wissen als das eingängige und flüchtige Geschnatter tausender Bilder. Wer unterhalten werden will, wer die Psyche füttern und den Verstand darben lassen will, neigt sich gern zum Bilde und guckt; wer aber verstehen will, besinnt sich der Ohren und des Mundes und ergreift das Wort. Die einen Menschen machen Selfies; und die anderen menschen schreiben, sprechen, lesen und hören lieber, als sie aussehen; genau darin spiegelt sich der Grad der gewohnheitsmäßigen Verstandesnutzung“.
Es tut halt so sauwohl, keinen Verstand zu haben, dass die Sterblichen um Erlösung von allen möglichen Nöten lieber bitten, als um Befreiung von der Torheit.
Erasmus von Rotterdam
Logorrhoe — Wie durchfallhaft leicht doch das Reden aus den Mündern der Menschen in der classe politique quillt, seit es von Massenmedien verstärkt und an Millionen Ohren getragen wird, nur um zwischen den Ohren sogleich wieder im endlosen Strom des bullshits vergessen zu werden! Die Qualifikation, die einen Menschen immer wieder in die Medien und damit in die industriell erzeugte Relevanz bringt, besteht im reflexartigen Herauslassen von heißluftgefüllten Sprechblasen zu jedem nur erdenklichen, durch das Tagesgeschehen aktuell gewordenen Thema. Der Umweg der Worte über das Gehirn ist dabei nur störend, weil er den Sprechvorgang verlangsamt und damit jemanden anders den Vortritt lässt, was für die Selbstvermarktung des Sprechenden unerwünscht ist. Die greifbare Verblödung ganzer Völker hat ihre Wurzeln in den unmittelbaren, die Aufmerksamkeit an sich reißenden, lichtschnellen Medien, die auf keiner Seite ihres Apparates eine Anstrengung des Verstandes und eine Besinnlichkeit der Betrachtung befördern. Der körperlich eher schwächliche Mensch hat es mit den Möglichkeiten seines Gehirnes und der sozialen Kommunikation weit gebracht, wie eine Betrachtung seines zivilisatorischen Standes zeigt — aber seit dem Siegeszug von Radio und Fernsehen geht es rasendschnell bergab.
Magno cum clamore — Im Jahre 2000 erhielten David Dunning und Justin Kreuger den Ig Nobelpreis für Psychologie auf ihre Arbeit mit dem bemerkenswerten Titel „Ungebildet und ahnungslos davon: Wie Schwierigkeiten in der Wahrnehmung der eigenen Inkompetenz zu aufgeblähter Selbstbewertung führen„. Dieser Titel könnte das inoffizielle Motto aller Nachrichtensendungen und Talkshows sein, um jene Menschen zu charakterisieren, deren Reden dort an die Ohren eines Millionenpublikums getragen wird.
Ver-Halten — Die gegenwärtige psychologische Mode, das gesamte mentale Potenzial eines Menschen als eine unerklärliche black box zu ignorieren und damit zu missachten und sich stattdessen forschend darauf zu konzentrieren, welche Formen der Reizung zu welchen Reaktionen führen, sie spiegelt wider, dass ein großer Anteil der Menschen die Möglichkeiten des Verstandes nicht dazu nutzt, um sich über die eigene Situation und die eigenen Bedürfnisse bewusst zu sein und aus diesem Bewusstsein zielvoll und verantwortlich zu handeln, sondern sich reflexartig, konditionierbar und damit leicht manipulierbar verhält. Die bloße Existenz eines Verstandes stellt noch lange keine Vernunft sicher.
Babels Türme — Die kollektive Religion ist ein vortrefflicher Zement für die individuelle Angst, schnell härtend und nur mit großer Mühe zu zerstören. Ganze Staaten wurden und werden damit aufgebaut, wobei eine gottlose Formulierung dem phobischen Wahn nicht seinen religiösen Charakter nimmt. Um zu erkennen, was die Religion ist, die einen Staat zusammen hält, reicht es, sich anzuschauen, welche irrationalen Grundlagen des Miteinanders durch besondere Tabus und Denkverweigerungen geschützt werden, mindestens durch soziale Gewalt, oft aber auch durch erzwungenes Wohlverhalten durch die Androhung des Todes, durch den kalten Entzug des Lebensnotwendigen oder durch das nur unwesentlich mildere Gefängnis.
Sklaverei — Und der Nachtwächter sagte: Aber natürlich gibt es Arbeit, es gibt jede Menge davon. Geh mit geöffneten Augen durch die Straßen und du siehst überall Unerledigtes, das zum Schaden einzelner Menschen oder der ganzen Gesellschaft liegen bleibt! Das Problem ist nicht ein Mangel an Arbeit, sondern die Tatsache, dass niemand mehr für Arbeit bezahlen will — und die logische Fortsetzung dieses auf Geiz und Gier begründeten gesellschaftlichen Prozesses ist die Wiedereinführung der Sklaverei. Dass die Kochs dieser Welt dir ad nauseam am eigentlichen Problem vorbeireden, belegt nur, dass diese Wiedereinführung der Sklaverei in gewissen Kreisen der classe politique eine längst beschlossene Sache ist.
Rest — Was bleibt von einem Menschen, nachdem seine Angst von ihm genommen wurde? Ein heiteres, angstfreies und damit freies Wesen, das nicht mehr beherrschbar ist; ein Fühlender und Denkender, dessen Einsicht darüber entscheidet, bei welchen Dingen und Tätigkeiten er mitmacht. Dieser „Rest“, dieser eigentliche Mensch ist der Grund, weshalb mit so viel Aufwand dafür Sorge getragen wird, dass allerlei Ängste in den Menschen geweckt werden. Ängstliche Menschen sind leichter regierbare Menschen.
Vom Tun — Was „man“ tun kann, hast du mich gefragt? Und hast nicht dich gefragt, was du tun kannst, gerade dort, wo du wirkst und atmest? Diese Frage kenn ich wohl, sie sucht niemals eine Antwort, sie sucht nur den Grund zu fortgesetztem Schweigen. Die Frage nach dem, was „man“ tun kann, ist die Haltung der verschränkten Hände am brennenden Haus. Geh zur modernen Version der drei Affen; richte deine Augen fest auf das Geflacker des Fernsehers, steck dir die Stöpsel deines iPod in die Ohren und gib mit deinem Mund das wieder, was dir künstlichen Ersatzwelten der Contentindustrie in die Ohren und in die Augen brüllen! Die Dummheit ist dein Recht. Aber. Raub mir nicht meine Zeit! Denn ich weiß, was ich zu tun habe; dort, wo die vorübergehende Trübsal meines heiteren Lebens abläuft.