Der Vorübergehende sagte zu seinem Zeitgenossen: „Nichts, woran sich die Menschen noch erinnern, ist vorbei. Und. Das meiste, woran sich die Menschen nicht mehr erinnern, ist ebenfalls nicht vorbei“.
Tag Archive: Verdrängung
Die Menschen in spätkapitalistischen Gesellschaften unterwerfen sich in blöder Verantwortungslosigkeit einem System, dessen Propagandisten Sicherheit als „Freiheit“, Lohnarbeit als „Autonomie“ und Fremdbestimmung als „Selbstfindung“ verkauften und tatsächlich — trotz des greif- und offen sichtbaren Unglücks vieler Zeitgenossen — immer noch verkaufen. Die Entfernung zwischen der niemals in der erforderlichen Tiefe betrachteten, lebensverachtenden, alles Miteinander in einen als „Wettbewerb“ bezeichneten Kampf auf einem Schlachtfeld voller Überfluss verwandelnden Dummheit der eigenen Gesellschaft und der gruseligen, mörderischen Dummheit des „Islamischen Staates“ mag viel weniger weit sein, als es für das „Weiter so“ angenehm wäre; die Frage, warum Menschen freiwillig aus der sicheren europäischen Zivilisation in das syrische Gemetzel gehen, wird niemals ohne Hinzutun einer großen Portion Verdrängung betrachtet und damit niemals beantwortet. Wenig überraschend ists, dass die Soldaten unter dem Befehl der Milliardäre gleich hinterherziehen müssen, um „Frieden“ und „Freiheit“ wiederherzustellen. Der mörderische Terror der „Islamisten“ ist ein Spiegelbild des stumpfen, menschenverachtenden Horrors im späten Kapitalismus, dessen obszöne Deutlichkeit den genaueren Blick schwer erträglich macht.
Jedes Mal, wenn ein Mensch am Computer bewusst ein Werkzeug benutzt, um seine Kommunikation zu verschlüsseln, wird er durch diese Geste daran erinnert, dass die Kommunikation durch die allgegenwärtige und allumfassende Überwachung beschädigt ist. Dies ist eine unerfreuliche Einsicht, die verdrängt wird… und zwar sehr häufig, indem das Verschlüsseln vermieden wird, was wiederum den Ausbau der Überwachung „lohnenswert“ erscheinen lässt. Wer der Psyche und ihren Neigungen nachgibt, verschafft sich nur kurzfristig Erleichterung, und zwar zum Preis, schon mittelfristig den Zustand unerträglich zu machen.
Während der Qualitätsjournalist wie ein aufziehbarer Papagei unter völliger Umgehung der eigenen Reflexionsfähigkeiten nachplappert, was ihm der Politiker ins Ohr geflüstert hat und deshalb schreibt „Die Rente mit 70 wird diskutiert„, unterhalten sich die Menschen, für die er ja vorgeblich schreibt, vor allem darüber, wie sie nur diesen Monat schon wieder über die Runden kommen sollen.
Als Politik und Massenmedien versuchten, den Rassismus¹ und den immer noch bei vielen Menschen verbreiteten Unwillen, wirklich jedem Menschen diese so genannten „Grundrechte“ zu gewähren, unter einer tiefen Schicht des Verschweigens zu begraben, da wussten sie noch nicht, dass es sich um Samen handelt, der sicher aufgehen wird, wenn man ihn zu begraben sucht. Und. Jetzt haben sie den Salat…
¹Nein, es gibt in der BRD keine „Ausländerfeindlichkeit“, wie sie die Massenmedien in ständiger Reproduktion dieser Verdrängung in die Hirne stanzen wollen. Die damit bezeichnete Haltung kümmert sich nicht um Pass und Staatsangehörigkeit, sondern um die Haut- und Haarfarben; und dies sogar bei Menschen mit einem deutschen Pass, also bei Inländern. Was der offizielle journalistische und politische Neusprech eine „Ausländerfeindlichkeit“ nennt, ist ein Rassismus.
Die Psychiatrie ist die unheilige Inquisition des „aufgeklärten“ Zeitalters.
Die von Mitgliedern der classe politique immer wieder in den Apparat der Contentindustrie gepresste Idee, dass sexueller Kindesmissbrauch irgendwo im Internet und für das Internet stattfinde, ist deshalb so gefährlich und auch so wirkmächtig, weil sie den Hang vieler Menschen zur Verdrängung füttert. In Wirklichkeit. Werden die Kinder (und andere ausgelieferte Menschen) von nahe stehenden Menschen aus dem direkten persönlichen Umfeld, zuweilen sogar von den eigenen Eltern, häufiger jedoch von Lehrern, Pastoren, Nachbarn, Verwandten oder Bekannten der Eltern missbraucht. Im Internet hinterlässt dies nicht einmal Spuren, sondern es geschieht in eiskaltem Totschweigen. Dagegen helfen keine Stoppschilder für Websites. Die Zensur — sie bedarf nicht einmal des Staates — findet bereits statt. Und. Die Mechanismen dieser Zensur sind eher noch dichter als jede staatliche Unterdrückung gewisser Äußerungen, weil sie direkt in die Seelen der missbrauchten Menschen gegossen werden. Auf der einen Seite des psychischen Betons schweigt das Trauma und hinterlässt ein schwer beschädigtes Leben, auf der anderen Seite sind die Täter in Sicherheit. Sie sind in so großer Sicherheit, dass — wie aktuell in vielen Fällen des Kindesmissbrauchs durch Pädagogen und Geistliche in gruseliger Weise sichtbar wird — die Opfer, die einst missbrauchten Kinder, so lange schweigen, bis die Gewalttaten längst verjährt sind, wenn sie überhaupt einmal ihre Stimme wiederfinden.
Das Thema Kindesmissbrauch — es ist schon bitter, hier von einem „Thema“ zu sprechen, als handele es sich um etwas, was wie die Klassifikation von Schmetterlingsarten abzuhandeln sei — führt zu entsetzlichem Elend nicht wegen seiner Offenheit, sondern wegen seiner Ausblendung und seiner kollektiven Verdrängung. Die gemeine Idee, Kinderpornografie im Internet mit irgendwelchen Stoppschildparagrafen unsichtbar zu machen, statt für eine wirksame Strafverfolgung Sorge zu tragen, ist ein Spiegelbild dieser Verdrängung. Und. Es ist ein Zement für diese Verdrängung.
Und der Nachtwächter sprach: Es ist ein allzu durchschaubares, geradezu mechanisches psychologisches Schema: Wenn einem Menschen Gewalt widerfährt, wenn dieser Mensch in der Situation des Opfers völlig ausgeliefert, hilflos, ohn-mächtig ist, denn wehrt er diese tiefe Kränkung seines Narzissmus immer auf die gleiche Weise ab. Er. Identifiziert sein geschundenes Ich mit dem Gewalttäter, seiner Ideologie und seinen Motiven, spielt sich selbst in dieser trickreichen Verdrängung mit einer lächerlichen Handpuppe seiner blutenden Seele vor, dass er ja gar nicht machtlos ist, sondern eine wichtige Rolle in einem überpersonalen Mächtespiel einnimmt, und. Er entwickelt aus diesem verzerrten Verständnis seiner eigenen Position als Opfer ein ebenso verzerrtes „Verständnis“ für die angenommenen Motive des Täters, mit dem er sich um die Einsicht bringt, ein machtloses, ausgeliefertes, elendes Opfer zu sein. Es ist dieses gleichsam diffuse wie durch den Kraftakt der Verdrängung eisenhart gemachte Band zwischen Täter und Opfer, das ganze Gesellschaften und die gesamte Wucht ihrer überpersonalen Gewalt erhält; beginnend mit der so genannten „Liebe“ der Kinder zu ihren Eltern, die sich dann so scheinbar zwanglos auf irgendwelche Landesväter und Bundesmütter überträgt; fortgesetzt mit der Anhänglichkeit so genannter „Arbeitnehmer“ an den Ort ihrer Ausbeutung und wirtschaftlichen Verwurstung; noch lange nicht endend bei der tiefen emotionalen Bindung an irgendwelchem religiösen oder esoterischen Unfug, der den unbewussten Prozess und damit den selbstgebauten Götzen des zernichteten Ichs in der süßlichen Illusion der Ewigkeit und Unendlichkeit zementiert; bis hin zur hirnlosen Horde von Konsumenten, Soldaten und sonstigen Laufmaschinen, die im verkrampften, erzwungenen Jubel ihr individuelles Daseinsrecht auf einem absurden Schlachtfeld für Flaggen und Börsencharts wegwerfen. So lange dieser billige psychologische Prozess nicht überwunden ist, so lange die Selbsteinlullung des kindischen Narzissmus nicht in der Breite bewusst gemacht und bei jedem Einzelnen mitsamt allen ihren Rationalisierungen und sonstigen Verdrängungen erkannt und überwunden wird, so lange wird jede Revolution. Schließlich genau das hervorbringen. Was sie einst beenden sollte. Der Schlüssel zur Freiheit ist genau dort verborgen, wo niemand hinschauen mag. Und nicht. In irgendwelchen gesellschaftlichen, politischen oder philosophischen Analysen, die selbst ein Spiegelbild des gekränkten Narzissmus sind.
Die besondere, fast die gesamte Gesellschaft erfassende und immer noch breit politisch instrumentalisierte Ächtung, mit der alle Verbrechen auf dem Hintergrund der sexuellen Neigung zur Pädophilie belegt sind, sie ist ein Spiegelbild der allgemeinen Verdrängung der kindlichen Sexualität.
Und sie sagten: „Lasst uns Steine behauen und feierliche Formeln hineinmeißeln, und lasst uns einen Garten pflanzen, in dem wir diese Steine aufrichten; einen Garten mit Rosen, die frech blühen und mit Gras, das über alles wächst. Lasst uns den Rosengarten für die Opfer des Krieges und des staatlichen Massenmordes bauen, damit wir uns hineinstellen können und unsere Kränze niederlegen können und vor der Kamera, dem blendbaren Auge der Welt, zeigen können, dass wir nicht so sind wie jene, die vor uns waren. Lasst uns dort unsere Feiern feiern, mit gesalbtem, wohl gesetztem Worte und geübt gedämpfter Stimme sprechen, damit es wie ein Andenken klingt und aussieht; und lasst es mit dem Musikkorps des Heeres marschfetzig vor uns ausposaunen, wie still und aufrichtig und ernst wir gedenken, damit es auch ja gehört und gesehen werde, denn sonst wäre es ja vergebens und niemand merkte, wie rechtschaffen wir aussehen wollen. Nichts ist so hilfreich für das so erwünschte Vergessen wie die wohl gepflegte Erinnerung, der man Ort und Tag und Stunde gibt, ein Protokoll und ein Programm, damit sie auch nicht in den Alltag hineinrage.“
Und. Sie taten so. Der Garten blüht munter vor sich hin, er wird gut gedüngt von der herunterregnenden Asche der Toten, die das neue Unrecht hervorbringt.
Und der Verwesung blauer Glorienschein
Entzündet sich auf unserm Angesicht.
Ein Ratte hopst auf nacktem Zehenbein,
Komm nur, wir stören deinen Hunger nicht.Georg Heym, Die Morgue
Ein Landwirt hat einmal die Frage eines etwas arroganten Gastes aus der Stadt zum Tischgebet, ob denn hier alle vor dem Essen beten würden, mit Witz und verblüffend halber Einsicht beantwortet, indem er sagte: „Nein, nicht alle. Das Vieh betet natürlich nicht. Aber die Menschen hier, die bedanken sich bei ihrem Schöpfer.“
Es gibt offensichtlich keine Kühe, die sich ein kuhförmiges metaphysisches Wesen voll der Allmacht und der Ewigkeit vorstellten, das auf einer immergrünen Weide Ewigsaft von dienstbaren geflügelten Kühen umgeben wäre. Und. Das aus nicht näher verständlichen Gründen ein ganzes Universum gemacht hätte und in seinem Lauf erhielte, nur, um darin ein paar Kühe als Abbilder seiner selbst existieren zu lassen, für welche diese heilige, wiederkäuende Großkuh einen sonst recht unsichtbaren Plan voller Heil verfolgte. Um eine derartige Vorstellung zu entwickeln und diese auch mit ständiger Umdeutung der Erfahrungen gegen die konkreten Entbehrungen des Daseins abzusichern, bedarf es eines psychisch-mentalen Prozesses, der Kühen und anderen Tieren fehlt, der nur dem Menschen zueigen ist. Es ist dies der gleiche psychisch-mentale Prozess, der dem Menschen neben der lebenspraktisch so bedeutsamen Einsicht in komplexe Zusammenhänge die wenig erfreuliche Einsicht in die eigene Sterblichkeit gewährt.
Die menschliche Tätigkeit der Religion (und zwar jeder Religion) zeigt sich schon bei oberflächlicher Betrachtung als eine Form der Todesabwehr. Sie ist eine intellektuelle Retardierung, die das Ziel verfolgt, die Kraft der tieferen Einsichtsmöglichkeit im Leben zu erhalten, sie aber dennoch angesichts des völlig unerwünschten und doch für die Einsicht offensichtlichen Endes des Lebens zu beschränken. Aus dieser psychischen Ausrichtung der Religion kommt auch das manifest Todeszentrierte aller religiösen Systeme — und ihre Feindseligkeit gegenüber dem Leben und der damit verbundenen Lust.