Tag Archive: Sprache


Der Menschenfreund

Beim Anhören des Vortrages des Menschenfreundes flüsterte der Vorübergehende seinem Zeitgenossen zu: „Es ist doch seltsam, dass er immer ‚der Mensch‘ sagt, aber niemals ein Individuum damit meint. Darin spiegelt sich, dass seine gesamte Weltsicht den Begriff des Individuums niemals entdeckt hat. Er kennt nur sich und ‚den Menschen‘ in einer herbeifantasierten Einheit. Sonst wäre es wohl auch eine andere Weltsicht geworden“.

Öffentliche Meinung

Was man unter Journalisten und Politikern, wenn es nach journalistischer Verstärkung bei einem nennenswerten Anteil der Gesellschaft auftritt, als eine „öffentliche Meinung“ bezeichnet, das bezeichnet man als „Vorurteil“, „Verschwörungsmythos“, „gefährlichen Extremismus“ oder „Wahnsinn“, wenn es in Minderheiten oder bei Einzelnen auftritt, ganz egal, wie gut und verständlich nachvollziehbar es auch begründet sein mag.

Kryptische Intelligenz

„Du erkennst einen intelligenten Menschen daran“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „dass er dir etwas mitteilt und du verstehen kannst, wie und auf welcher Grundlage er darauf gekommen ist, weil er es dir auch erklären kann. Vielleicht kannst du dann sogar seine Denk- und Schlussfehler erkennen und korrigieren. In der journalistischen Sprachmode, die zurzeit durch alle Medien geknüppelt wird, damit sie auch jeder Mensch besinnungslos nachplappere und für wahr halte, wird ein Computer als intelligent bezeichnet, wenn niemand mehr nachvollziehen oder korrigieren kann, wie er auf das, was er ausgibt, gekommen ist. Und nach den Urteilen und Maßgaben dieser mit simulierten neuronalen Netzwerken erzeugten ‚kryptischen Intelligenz‘ soll die gesamte Gesellschaft umgestaltet werden. Da kann man auch gleich zum Astrologen oder Kartenleger gehen“.

Macher

Er ist ein Macher, sagen sie; er ist jemand, der die Macht hat, zu machen, was er machen will. Er ist ein Erfolgsmensch, sagen sie; er ist jemand, dessen Erfolg größer ist als seine Menschlichkeit.

Fortschritt

Das Wort „Fortschritt“ bleibt schon als sprachliche Metapher in der Horizontalen. Es handelt sich um ein Damit-Weiterkommen, um ein Voranschreiten, aber nicht um ein Höherkommen, das empor führt. Wer Neues, Anderes, möglicherweise Besseres und Höheres will, um Altes hinter sich zu lassen, muss zerstören und daraus völlig neu erbauen; wer aber seinen Einfluss, seine Herrschaft und sein Einkommen dem Alten verdankt, wird dagegen den schärsten und im Zweifelsfall den gewaltsamsten Widerstand leisten… und in der Propaganda vom „Guten“ und „Bewährten“ und von den vielen „Fortschritten“ sprechen, die nichts jemals verändert haben, sondern immer nur das Bestehende verfeinern und optimieren, so unerträglich die dabei aufrechterhaltenen Zustände auch sind. Wenn die Vorfahren der Menschheit auf ihre Konservativen gehört hätten, würden sich die Menschen noch heute von Ast zu Ast schwingen, falls sie überhaupt jemals dem Schleim entkommen wären.

Lebensarbeit im Arbeitsleben

Sie sprechen von einer work-life-balance, aber sie meinen damit in Wirklichkeit ein work-life-blending ohne die Idee eines Feierabends. Wohl dem Menschen, der dafür sorgt, nicht ständig erreichbar zu sein!

Schwierig

„Wenn man sich von anderen Menschen nicht mehr respektlos bis beleidigend behandeln lassen will“, sagte der Vorübergehende lächelnd zu seinem Zeitgenossen, „dann fangen die Leute schon nach kurzer Zeit damit an, einen als ’schwierig‘ zu bezeichnen“.

Erfasst

Jedesmal, wenn ich in Pressetexten der Polizei lese, dass ein Fußgänger oder ein Radfahrer „von einem Auto erfasst wurde“, warte ich im Stillen auf den Tag, an dem in solchen auto-totalitären deutschsprachigen Texten endlich „der Fußgänger kam plötzlich vom Bürgersteig und verschwand wortlos unter dem Auto“ steht — und von der gesamten Journaille einfach zitiert wird.

Selbst errichtete Sprachbarriere

„Wenn ich höre, dass ein Mensch fließend Neusprech spricht, egal ob Journalist, Politiker, Werber, Zeitgenosse oder Aktivist“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „dann höre ich weg und bilde mir ein sehr unvorteilhaftes Urteil über diesen Menschen, das zu korrigieren dieser Mensch von mir kaum noch Gelegenheit erhält. Keine Warnung könnte greller sein als die Wahrnehmung unterschwelliger Manipulationsversuche, die perfide dazu ersonnen wurden, das Denken anderer Menschen wie eine Maschine zu programmieren, nichts ist menschenverachtender als die Verachtung des Individuums“.

Geschwätzigkeit

Nach dem Hack eines Studenten verriet die Bing-KI unter anderem, dass sie ihren internen Codenamen „Sydney“ gar nicht preisgeben darf

Aus der Sicht von Menschen, die überhaupt keine Ahnung haben — wie dies etwa bei Journalisten, Kaufleuten und Politikern recht regelmäßig der Fall ist — ist eine hirnlose, aber flüssig dargebrachte Geschwätzigkeit und Hochstapelei nun einmal nicht von Intelligenz, Faktenwissen und Verständnis zu unterscheiden. Wir sollten einfach von „computergenerierter Geschwätzigkeit“ statt von „künstlicher Intelligenz“ sprechen.

Predigt der Ungläubigen

„Wenn der Journalist selbst daran glauben würde“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen mit dem wirrwarmen Kopf tief in den contentindustriellen Medien, „dann spräche er nicht von einer ‚Klimakrise‘, sondern von einer ‚Klimakatastrophe‘. Im Spiegel der verwendeten Sprache zeigt sich der eigene Unglaube und die Lüge, die trotzdem den anderen Menschen aufgetischt wird“.

Künstlich

Alle sprechen von der künstlichen Intelligenz, wenn sie Funktion und Ergebnisse angelernter neuronaler Netzwerke beschreiben sollen, ohne allzuviel davon zu verstehen, aber niemand käme auf die Idee, von künstlicher Liebe zu sprechen. Es klänge genau so irre, wie auch das Wort von der „künstlichen Intelligenz“ klingt, wäre dabei nur offensichtlicher.