Wenn eine Partei oder ein Politiker mit den Mitteln der Werbung „vermarktet“ werden, wenn Parteien oder Politiker also methodisch und „inhaltlich“ in gleicher Weise wie ein Joghurt, ein Hundefutter, ein Toilettenpapier oder eine andere abstrakte Ware angepriesen werden, denn ist es nicht weiter verwunderlich, dass politische Billigware einen beachtlichen Erfolg am „Markt“ erzielen kann. Wie. Jede andere Billigware auch. Der Kauf in einem so genannten „Discounter“, der ja vor allem damit wirbt, dass dort die Waren nur wenig Geld kosten, er ist ein Spiegelbild der zunehmenden materiellen Armut; und das Kreuz beim billig und mit Stammtischparolen beworbenen politischen Angebot ist ein Spiegelbild der zunehmenden intellektuellen Armut. Beide Formen der Armut. Sind von einer um ihre Privilegien ringenden herrschenden Klasse gewollt und werden von ihr mit aller Gewalt ausgebreitet.
Tag Archive: Mindfuck
Beim seinem zappeligen Zappen ging es auch zu einen dieser unerträglichen Kanäle, die deutlich machen, wohin die Menschen heute wirklich gekommen sind. In der unteren rechten Ecke riss ein mechanisches Blinken die Aufmerksamkeit mechanisch auf sich, und dieses Blinken war ein Text, der „7.750 € bis zu“ lautete, aber schon nach wenigen Sekunden zu „8.000 € bis zu“ verändert wurde, als ob die gelegentliche Erhöhung einer Zahl die Wortstellung gleichgültig machte. Darüber vier kleine, übereinander liegende farbige Felder mit gedeckter Farbsättigung, die mit Geldbeträgen geziert waren und in entnervender Geschwindigkeit von unten nach oben durchblinkten, damit die Zielgruppe dieses Schwindels auch ja glaube, dass es bei ihr aufwärts gehen könnte. Am oberen Rande eine Laufschrift, die gerade so schnell durchrollte, dass sie noch lesbar aussah, aber nicht mehr bequem lesbar war. Sie erzählte von „Geldleitungen im richtigen Moment“, vom „direkt in das Studio kommen“, von der „Quizleitung“, von der „Studioleitung“. Unten gab es eine weitere Laufschrift, die in deutlich kleinerem Schriftgrad darauf hinwies, auf welcher Seite sich im Videotext die Teilnahmebedingungen befänden. Die ganze Zeit blinkte ein roter Schalter wenig dezent vor sich hin, zuweilen wurde auch noch ein blinkendes Blaulicht eingeblendet. Und. Um das Gehirn der „Zuschauer“ so richtig zu grillen, wurden immer wieder Geräusche aller Art eingeblendet, die in ihrer Verdichtung einen Eindruck von Zuspitzung und Eile erwecken sollen, damit auch ja niemand zur Besinnung und zum Denken komme, der sich hier abzocken lässt.
Inmitten des ganzen stumpfsinnigen Blinkens befand sich ein Moderator und ein Bild mit einer Anordnung von Tennisbällen. Der Moderator erzählte mit wenig überzeugenden, etwas zu intensiv gespielten Affekten viel vom „jetzt“ und allerlei Lügen über dieses wenig spielerische Spiel. Dabei stand er immer wieder auf, setzte sich wieder hin, ging auf die Kamera zu, gestikulierte übertrieben. Unter dem Bild mit der Anordnung von Tennisbällen war deutlich lesbar, welche Aufgabe jene lösen sollten, die auf solche Bauernfängerei hereinfallen. Eine große Telefonnummer, unter der sehr klein — und selbst auf dem recht großen Fernseher, auf dem ich diese Pracht bewundern durfte, leicht unscharf — angemerkt stand, dass jeder Anruf mindestens 50 Cent koste, zeigte jenen, die so etwas schauen und ihren Geist damit mürbe machen, dass sie anrufen müssten, wieder und wieder anrufen. Zwischen den Tennisbällen und der Telefonnummer, die aus dieser in der BR Deutschland offenbar legalisierten Form des überrumpelnden und praktisch betrügerischen Glücksspieles ein gutes Geschäft macht, stand die Frage, die man dann am Telefon beantworten sollte, um etwas von schreiend angepriesenen Geld zu gewinnen: „Wo ist das menschliche Gesicht?“
Und. So viel ist sicher: Es ist nicht auf dem Moderator.
Es ist übrigens völlig unverständlich, wie man sich als Gehirnträger jeden Tag einem Contenttransporteur hingeben kann, der mit der Ausstrahlung solcher Sendungen offen und völlig unmissverständlich zeigt, wie sehr er seine Zuschauer verachtet. Nur ein Masochist umgibt sich mit Zeitgenossen, die ihn unentwegt beleidigen. Die bloße Existenz und die Machart dieser betrügerischen Sendungen ist ein Spiegelbild der Intensität, mit welcher sich die zu bloßen Zuschauern gewordenen Menschen im Selbsthass zerfleischen.
Man merkt es den großen christlichen Kirchen in der BR Deutschland an, dass da schon lange keine „große Furcht“ mehr ist, dass sie genau wissen, dass „ihr“ Gott nicht mehr auf Heuchelei und Lüge reagiert, indem er die Heuchler und Lügner einfach vor versammelter Gemeinde bloßstellt und effektvoll mordet. Dies mag widerspiegeln, dass diese Kirchen sich längst den Satan zum Gotte erkoren haben, oder doch wenigstens seinen glitzergüldnen Bastardsohn, den Mammon.
Die nützliche und kleinhaltende Todesangst vor Gott ist für die Anderen, nicht für die kirchlichen Heuchler und ihr Geschäft.
Wenn der Vorübergehende sein schattenhaft dünstelndes Dasein durch die dröhnvolle Stadt schleppt, muss er an vielen Schaufenstern vorübergehen, in denen sich kirchliche und kirchennahe Organisationen mit Hilfe der Schergen Satans, der bildbunten Brut der Werber, zur Schau stellen. In diesen zur Schau stellenden Fenstern warmgetünchter Hochglanz von glücklichen Alten und Kranken, fotografiert durch den Lächelfilter der Reklamelüge, und zu diesen Bildern kurze, hehre Wortfetzen von Pflege und Geborgenheit, zu stanzen einen Eindruck von sozialem Engagement im Kopfe der weniger Bewussten.
Niemand soll sich darüber verwundern, dass es diese Läden erst gibt, seit die so genannte „Pflegeversicherung“ aus solchem Tun einen guten deal gemacht hat. Nein! Engagiert und „sozial“ soll es aussehen, was da getrieben wird, wie ein Akt selbstloser Liebe.
Das sieht der Vorübergehende und spürt den unwiderstehlichen Reiz und würde sich zur Erleichterung zu gern erbrechen, wenn er doch nur etwas im Magen hätte. Denn er kennt die andere Seite, die nicht so glänzt, er weiß aus persönlichen Gesprächen von flugs angelernten Menschen, die sich in erzwungener, staatlicher Hartz-IV-Elendsarbeit für einen Nichtlohn in der so genannten „Pflege“ verschleißen müssen, damit auch ja der Profit stimme, er hat die ausgebildeten Schwestern kennengelernt, die einen befristeten Vertrag als Hilfsschwester nach dem anderen kriegen, immer mit dem mündlich gegebenen Versprechen einer anschließenden Übernahme in einer festen Anstellung und so knebelnd gehalten, dass sie sich noch krank zur unterbezahlten Maloche schleppen müssen, um ja nicht kurzfristig gekündigt zu werden und vor dem völligen persönlichen Nichts zu stehen. Er weiß von ständiger Verfügbarkeit, Einsparungen am Personal, selbstverständlich erwarteten, unbezahlten Überstunden und der völligen Unmöglichkeit einer persönlichen Lebensplanung im Zustand der totalen Ausbeutung und der täglichen, telefonischen Abrufbarket, die selbst noch im „Urlaub“ erwartet wird. Er hat mit diesen vom christlichen Pflegemoloch zu Material gemachten Menschen zu viele Tränen geweint, um angesichts des Zynismus und der werbenden Kälte dieses lichtscheuen Gesindels keinen Ekel zu empfinden. Und. Er ist sich sicher, dass auch die „Pflegefälle“ wie Material behandelt werden, weil es in diesem ganzen, asozialen Treiben der Kirchen und ihrer Geschäftsstellen nur auf eines ankommt: Auf den Reibach.
Und dies alles wissend findet der Vorübergehende es schon manchmal sehr schade, dass die zynischen, geldgeilen, pfäffischen Heuchler ohne jeglichen Respekt vor den missbrauchten Menschen nicht einfach wie in gewissen biblischen Berichten tot umkippen.
Quelle des Scans: Die Bibel, Apostelgeschichte, 5. Kapitel, Verse 1 bis 5, revidierte Luther-Übersetzung von 1956. Sorry für den heute schwer lesbaren Fraktursatz, aber ich habe gerade keine andere Bibel zur Hand — zudem zeigt dieses Schriftbild trefflich, wie obsolet dieses Buch im institutionalisierten Christentum wirklich ist. Mit Gruß an I. und C.
Unter den vielen Bullshit-Wörtern des gegenwärtigen Neusprechs spiegelt wohl kein anderes so sehr die Tatsache wider, dass dem nicht völlig verwirtschafteten Leben eines Menschen jeglicher Anspruch auf ein Sein abgesprochen wird, wie dieses eine Wort „Existenzgründung“.
Ein „hübsches“ Beispiel dafür, wie im Streben der heutigen Blendredner nach kaltem Schönsprech angesichts des Üblen der irrationale Unfug längst überwundener Zeiten neu geboren wird, ist das deutsche Wort „Opfer“.
In seiner ursprünglichen Bedeutung meinte dieses Wort einen Abwehrzauber durch eine bewusste, die Schrecken des Schicksals vorauseilend vorwegnehmende Gabe an irgendwelche personal, nach dem Vorbilde des Menschen gedachten Weltenlenker, die sich mit dem „freiwillig“ gegebenen Opfer als eine Art „Schutzgeld“ besänftigen lassen und begnügen sollten und deshalb im Angesichte des Geopferten nicht den dräuenden Schaden über die Gemeinschaft der Menschen ergießen sollten. Wie sehr die so bedienten Gottheiten im Zuge einer solchen Frömmigkeit zum Widerspiegel der Willkür der menschlichen Herrschaft gerieten (und auf diesem Wege die Herrschaft vergöttlichten) und wie sehr ein solcher magisicher Aberglaube zum Zement der Herrschaft und ihres willkürlichen Gewaltanspruches taugt, wird durch bloßes Betrachten offenbar. Untrennbar mit diesem Konzept verbunden ist in einer christlich geprägten Gesellschaft die auf Paulus zurückgehende theologische Konstruktion, dass Jesus aus Nazaret sich stellvertretend für alle daran Glaubenden am Galgen geopfert habe und ihren Tod auf sich genommen habe, damit diese leben können, ja, in Erfüllung narzisstischer Süßträume ewiglich leben können.
Der moderne, nur scheinbar sachliche Ge- und Missbrauch dieses Wortes ist ein völlig anderer und dient nur zur Verblendung der Lesenden und Hörenden. Wenn immer die Gewalt — sei es die menschliche Gewalt des Alltags in einem Wettbewerb jedes Menschen gegen jeden Menschen auf einem Schlachtfeld voller Überfluss und auch jene vor allem im Maßstab monströsere Gewalt des Krieges oder aber auch das wuchtige Ablaufen natürlicher Prozesse, das man eine Katastrophe heißt — aus Menschen Geschädigte und Getötete macht, so wollen die Blendredner das klare Sprechen und Schreiben von Geschädigten und Getöteten vermeiden, weil es bei den Hörenden einen zu deutlichen Eindruck der Tatsächlichkeit des Geschehens hervorruft und im so geweckten Hirne vielleicht auch immer wieder einmal die Frage nach den Gewalttätern und ihren persönlichen Vorteilen oder nach der Hilflosigkeit des nützlichen Gottes im Dienste dieser Gewalttäter weckt. Solche Fragen sind schädlich für die eingeforderte Verherrlichung der Gewalt. Da kommt den Blendrednern der classe politique und den von ihnen in Brot gehaltenen Speichelleckern in Glotze und Journaille die Möglichkeit eines solchen sprachlichen Rückgriffes auf das psychische Material magischer Konzepte gerade recht, und sie ernennen die geschädigten und getöteten Menschen kurzer Hand zu Opfern. Dass ihre pfäffischen Schergen von der Judaskanzel hinweg weiterhin das Wort im älteren, primitiv-magischen Sinne gebrauchen, passt prächtig in die Absicht des sprachlichen Gewaltverberges. Und. Führt im Kontext einer christlich durchjauchten Gesellschaft zu der durchaus erwünschten, vorbewussten und doch psychisch wirkmächtigen Auffassung vieler Menschen, dass sie nicht mehr zu Betroffenen der Gewalt werden können, weil andere ja an ihrer Stelle zu Opfern geworden sind — die latente Entsolidariserung, die sich mit diesem mindfuck verbindet, ist dabei ein zusätzlicher Gewinn für die Profiteure der Gewalt.
Den wenigsten Menschen ist diese Manipulation durch Sprache bewusst. Doch wer mit offenen Ohren durch die Straßen geht, kann hören, dass sich zumindest bei den Pubertierenden eine dumpfige Einsicht regt, denn diese nehmen sich das umgepresste Wort „Opfer“ und verwenden es unter sich genau so böse, wie die Sprecher des undeutlichen Deutsch und Gutsprecher der Gewalt böse sind. „Opfer“ gilt unter ihnen als derbes Schimpfwort, und es wird auch gern einmal als Adjektiv verwendet, um etwas herabzuwürdigen — „Wie opfer ist das denn?!“ meint keineswegs die Haltung eines Menschen, der sich in der gern geforderten und moralisch verherrlichten Form für andere hergibt, sondern einen Zustand von Schwäche, Ausgeliefertsein und völliger Wehrlosigkeit gegenüber der erlittenen Gewalt. Das Unbewusste der so sprechenden, jungen Menschen hat sehr genau aufgefasst, was mit der Sprache und auf diesem Weg auch mit dem Denken der Sprechenden angestellt werden soll.
Mit Gruß an Tugrul
Der damalige französische König Philipp VI. beauftragte im Jahre 1348 die medizinische Fakultät von Paris mit einer Untersuchung, festzustellen, welches die Ursache dieser schrecklichen Pestepidemie sei, die aus der Moderne rückblickend der „Schwarze Tod“ genannt werden sollte. Die zu Paris „forschenden“ Mediziner hatten sich offenbar nicht so sehr mit Medizin befasst, und deshalb hatten sie auch nicht versucht, den Weg und die Geschwindigkeit der Ausbreitung der Krankheit aus einer Vielzahl vorliegender Berichte zu untersuchen, damit sich auch ja nicht ihre Augen öffneten und sie die Wiederentdeckung machten, dass es Infektionskrankheiten gibt. Statt dessen betrieben sie das, was sie für Wissenschaft hielten. Und. Nach sicherlich langwierigem und angestrengtem Schauen in viele Tabellen und nach Anfertigung etlicher Diagramme, die dieses umfangreiche Datenmaterial aufschließen sollten, kamen die hochgeehrten Herren Doktoren schließlich zu dem folgendem, sehr präzise formulierten Ergebnis: Die Pest wurde am 20. März 1345 ausgelöst, und zwar durch eine ungünstige Konstellation der Planeten Mars, Jupiter und Saturn.
Diese Erklärung wurde in ganz Europa als die wissenschaftlichste angesehen und in jede europäische Sprache mit einer nennenswerten Sprecherzahl übersetzt. Irgendwelche hygienischen Maßnahmen folgten aus ihr nicht, und so konnte das große Sterben in Europa weitergehen, bis ein gutes Drittel der damals lebenden Menschen verreckt war und sich die Epidemie „biologisch erledigte“ — gegen die Planeten kann man ja nichts machen.
Inzwischen ist die Medizin in ihren Erkenntnissen und Methoden doch etwas weiter, auch sehr zum Vorteil aller Menschen, die sich mit Krankheiten und Medizinern herumschlagen müssen. Allerdings scheinen sich die meisten Universitäten in Europa und in den USA noch nicht im wünschenswerten Maß vom irrationalen Bullshit und wissenschaftlich verpacktem Hokuspokus abgekehrt zu haben, denn sonst würden dort nicht mehr diese so genannten „Wirtschaftswissenschaften“ gelehrt, deren Vertreter immer wieder zu vergleichbar unsinnigen Urteilen wie die oben beschriebenen Mediziner kommen. Und. Dies wegen des politischen Einflusses dieser Wisschenschaft sehr zum Schaden aller davon betroffenen Menschen.
Zeitgenossin: „Ich werde ganz von unten anfangen.“
Nachtwächter: „Fang doch lieber am Anfang an.“
Zeitgenossin: „Das meine ich doch, der Volksmund nennt es eben ‚von unten anfangen‘.“
Nachtwächter: „Und damit zementiert die Sprache des ‚Volksmundes‘ eben auch, dass die Menschen ‚aus dem Volk‘ unten sind und mit großer Mühe emporkraxeln müssen — wer hat darauf schon Lust, und wessen Interessen wird mit einer derartigen Sprache gedient.“
Gruß an C. — Aller Anfang mag schwer sein, aber jeder Erfolg ist reinste Lust und von niemandem zu nehmen!
Wenn ihr den seht, der nicht aus der Frau geboren ist, werft euch mit dem Gesicht zu Erde und betet ihn an. Dieser ist euer Vater.
Jesus aus Nazaret zugeschrieben, Thomas-Evangelium, Logion 15
Man kann viel über eine Religion lernen, wenn man sich die „heiligen Schriften“ dieser Religion anschaut — dies allerdings nicht in der gebückten Haltung, die so typisch für den Umgang der blindwütig Glaubenden mit dieser Überlieferung ist, sondern im aufrechten Gang, mit oben getragenem Köpfchen. Dabei wird ein so Schauender in der Betrachtung jeder Religion feststellen, dass zwar in großer Allgemeinheit von heiligen Überlieferungen die Rede ist, deren jeder einzelne Buchstabe als ein großes Geschenk an die Menschheit erachtet wird; dass solche Rede aber noch lange nicht bedeutet, dass alle diese Überlieferungen in der Theologie und der religiösen Praxis den gleichen Stellenwert bekämen. Nein, vielmehr. Ist es so, dass bestimmte Schriften für die religiöse Praxis und die dahinterstehende Theologie unabdingbar sind, während aus anderen Schriften zwar hin und wieder einmal ein tröstlich oder drohend Wörtchen herausgepickt und den Glaubenden als gefügig machendes Wort Gottes serviert wird, dass diese Schriften neben dieser gelegentlichen Verzweckmäßigung aber nur eine sehr untergeordnete Rolle in der Religion spielen, dass sie im besten Fall noch dazu dienen, die von der Religion zu Kernteilen erhobenen Überlieferungen zu „stützen“.
Die mosaische Religion ist sich dieser Tatsache sehr bewusst, und sie unterscheidet die Grade der Heiligkeit in den Büchern ihres Tenach, mit der Thora als völlig unabdingbare Grundlage jeder religiösen Praxis und weiterem Schriftgut von eher historischem oder ergänzendem Charakter. So ehrlich sind die meisten anderen Religionen gegenüber ihren hochgehaltenen Schriften zur Untenhaltung der Knechte freilich nicht.
Für den Denkenden gibt diese Randerscheinung aller Religion Anlass zu einer interessanten Fragestellung, die viel Licht auf die betrachtete Religion zu werfen vermag: Welche Anteile der religiösen Bücher könnten aus dem jeweiligen Kanon der heiligen Schriften entfernt werden, ohne dass die religiösen Grundaussagen mit diesem Schritt gefährdet würden?
Diese Frage an die christliche Religion gestellt, liefert ein interessantes Ergebnis. Es könnte ohne Gefahr ein Großteil der Schriften aus der jüdischen Überlieferung entfernt werden, und die Technik der christlichen Mission trägt dieser angesichts einer mehr als tausendjährigen Tradition christlichen Judenmordes wenig überraschenden Tatsache Rechnung, indem sie den Menschen einfach nur ein so genanntes „Neues Testament“ in die Hände drückt, wenn diese auch einmal in „der Bibel“ lesen sollen — mehr Bibel bedarf es nicht, außer vielleicht zum Angstmachen.
Doch auch aus dem so genannten „Neuen Testament“ könnte man noch einiges herausnehmen, zum Beispiel den Großteil der Berichte über das Reden und Wirken eines gewissen Jesus aus Nazaret. Denn dieses Leben und Wirken eines wundertätigen jüdischen Rabbis und zuweilen wirren Redners spielt für die christliche Religion nicht die geringste Rolle, es reicht die in vielen Briefen wortgewaltig dargelegte Deutung des Pharisäers Saulus — der sich in dieser Funktion denn aber doch lieber Paulus nannte — dass dieser Jesus der völlig sündlose Sohn „Gottes“ ist, der stellvertretend für die Menschen den Tod auf sich genommen hat, und dass es nur eine Forderung gibt, wenn man in den Genuss dieses von „Gott“ gewollten, barbarischen Menschenopfers kommen möchte, nämlich die Forderung, das zu glauben. Natürlich meint dies, es genau so zu glauben, wie es Paulus immer wieder geschrieben hat. Alles weitere spielt eine nur untergeordnete Rolle für die christliche Religion und wird bestenfalls dazu verwendet, die Gläubigen mit Höllenangst gefügig zu halten, während sie die heilige Leiche unter dem Symbol des römischen Galgens anbeten.
Diese Ignoranz gegenüber dem Leben eines mit dem Munde hochverehrten Jesus ist ein trefflicher Spiegel der allgemeinen Lebensverachtung in der christlichen Religion. Wo Kreuze aufgestellt werden, kommen die richtigen Galgen für Andersgläubige und die Kriegswaffen gleich hinterher, bis auf den heutigen Tag.
Der einzige Grund, weshalb die Geschichten über das Leben Jesu und die paar überlieferten Sprüchlein in dieser Judasreligion des ständig neu aufgeführten Jesusmordes weiter überliefert werden, ist ihre psychologische Funktion. Wer trotz der Gehirnwäsche von Kind auf und des gesamten menschlichen Zerbruchs vom religiösen Betrieb angewidert ist, kann, so er wenig kritischen Geist hat, beim Lesen der Bergpredigt zu glauben beginnen, dass er ein „besserer Christ“ ist. Und. Damit eben Christ bleiben. Dass hingegen auch nur ein einziges Mal auf Grundlage der gleichen Bergpredigt staatlich betriebener Massenmord an ausgewachsenen Menschen mit Lebenswillen von offizieller christlicher Seite verurteilt worden wäre, ist mir nicht bekannt. Von dieser Seite wird nur das harmlose Ausleben privater Lebenslust verurteilt, etwa im Sex — und das einzige, was diese Judasjünger „Mord“ nennen, ist, wenn eine Frau verhütet oder abtreibt, statt einfach neun Monate ihre Strafe fürs Ficken im Bauche zu tragen und dabei ganz nebenbei die Mächtigen mit neuem Menschenmaterial für die militärische und wirtschaftliche Verwurstung auszustatten.
Incivile est eum salutare, qui reddit urinam aut alvum exonerat […]
Erasmus von Rotterdam
Bei den älteren Medien, die ihre heutige Meinungsvormacht weniger den heute so oft als Reklame erwähnten qualitativen Vorzügen und mehr einem früheren Oligopol verdanken, das über die Produktionsanlagen zum massenhaften Bestempeln toter Bäume mit Meldungen und Werbung verfügte, scheint niemand das Internet so recht zu verstehen. Vor allem scheint dort niemand zu verstehen, dass das Internet nicht einfach nur ein weiterer Vertriebskanal ist, wie es bei bisherigen zentral organisierten Medien wie dem Rundfunk der Fall war; dass es deutlich mehr ist, als einfach nur eine weitere Möglichkeit, die vertraute Struktur der Kommunikation mit neuer, aber in ihrem Einbahnstraßencharakter vertrauter Technik fortzusetzen.
Die heutigen Erben der alten Oligogarchen haben sich offenbar noch gar nicht das wirkliche Internet angeschaut, in dem sich jeder Mensch mit relativ geringem Aufwand — und inzwischen auch mit nur noch geringen technischen Kenntnissen — eine Stimme für seine Lebenswirklichkeit verschaffen kann, deren Außenwirkung über die alzheimersche Unverbindlichkeit der Stammtische und den engen Kreis von persönlichen Freunden hinaus geht. Die Vorstellung, dass es auf einmal der einst so wichtigen und machtverleihenden Produktionsmittel gar nicht mehr bedarf, um sich öffentlich vernehmbar zu äußern, sie muss sehr fremd für die Vertreter der althergebrachten Medien sein, so fremd, dass sie dieser Vorstellung niemals Rechnung tragen, dass sie ihre Internetarbeit nicht so zu gestalten versuchen und noch weniger, sie so zu gestalten verstehen, wie es einen Netzwerk prinzipiell gleichberechtigter Computer angemessen wäre, welches das Potenzial hat, Menschen zusammen zu bringen, die sich sonst niemals begegnet wären.
Und diesem Unverständnis über die wirkliche Struktur und daraus ersprießende Bedeutung des Internet entsprechend ist dann auch die Internetarbeit jener Medien, deren letzter Rest von gutem Ruf zurzeit durch das Internet und die damit gegebenen Möglichkeiten des Vergleiches und des Austausches der „Mediengenießer“ aufgezehrt wird. Wer nur einmal die wörtlich abgetippten, identischen Agenturmeldungen der überregionalen Tageszeitungen im Internet gelesen hat, wer festgestellt hat, dass sich die verschiedenen seriösen Blätter im Internet vor allem in der Penetranz der eingeblendeten Werbung und in den beworbenen Produkten unterscheiden und dass sie ansonsten versuchen, diese Werbung mit einer künstlich unverständlich gemachten Navigation möglichst oft einblenden zu können, der weiß, dass man auf derartige „Dienste“ gut verzichten kann, wenn man nicht zum Diener geboren ist. Kein Wunder, dass sich in der von euch geschaffenen Situation jeder Denkende über Google News und andere Formen der Zusammenfassung des agenturzentral gleichgeschalteten Tagesausstoßes freut — und einige Menschen, ich zum Beispiel, gehen sogar so weit, dass sie andere Blogger den täglichen Auswurf eures Apparates für sich filtern lassen, und zwar vor allem solche Blogger, die sich für die persönlichen Schwerpunkte als gute und ausgewogene Vorfilterung bewährt haben.
Kleine persönliche Randbemerkung: Wenn es um Wissenschaft geht — und damit beschäftige ich mich ständig — hilft mir nicht einmal mehr der Filter der anderen Blogger, weil ihr etablierten Medien schlicht nicht über Wissenschaft berichtet. Ihr tarnt zwar manchmal eure Propaganda für ein entfesseltes Wirtschaften als eine Art Wissenschaft, indem ihr sie mit willkürlich ausgewählten Daten zu belegen sucht, aber richtige Wissenschaft existiert bei euch nicht. Ich bin regelmäßig auf englischsprachige Websites zurückgeworfen. Aber Horoskope kaufen und abdrucken, das könnt ihr!
Nun sieht man das alles dort, wo man das Internet gar nicht recht versteht, also bei den althergebrachten Medien, völlig anders. Der allerwerteste Herr Burda hat sogar im Namen der Gesamtheit der Journaille in der BR Deutschland in die Mikrofone geflennt, dass die Aufbereitung der verschiedenen und doch so gleichen Medieninhalte in einer für Menschen unmittelbar verständlichen Zusammenfassung wie Google News einer „Enteignung“ gleich käme. Und der offenbar Not leidende Springer-Verlag — wenigstens das Innere des Schädels scheint dort bei vielen eine gewisse Not durch sich ausbreitendes Vakuum zu leiden — hat die seltsame Vorstellung in die völlig von den Medien selbst gemachte „Debatte“ geworfen, dass man in Zukunft doch einfach eine staatliche Zwangssteuer auf den Neupreis von Computern erheben könnte, um diese Einkünfte an die klassischen Medien weiterzuleiten, die doch so viel verloren haben.
Doch diesen ganzen lichtscheuen Jammerlappen kann geholfen werden!
Denn ich habe den Verlegern in der BR Deutschland einen ganz einfachen Vorschlag zu machen, wie sie künftig derartige „Enteignungen“ durch Google und andere Dienste von unendlichem Nutzen für ihre Nutzer verhindern können: Die Verantwortlichen für die Website mögen sich bitte einfach einen gewöhnlichen Texteditor greifen. Zur Not geht auch Notepad, das Not-Pad von Windows. Welchen Texteditor sie immer auch nehmen, es handelt sich in jedem Fall um ein Programm, dass sich noch viel leichter bedient als jedes Redaktionssystem zum Anreichern der Meldungen aus den NITF-Feeds der Agenturen durch irgendwelche Klickstrecken und zum Aufspalten noch der kürzesten Meldung auf mindestens zwei Seiten. Damit sollte eigentlich jeder klarkommen, auch ein Mensch mit geringer informationstechnischer Literalität. Mit diesem Programm bitte eine Datei namens robots.txt
anlegen, und in diese Datei einfach nur die folgenden Zeilen reinschreiben:
User-agent: * Disallow: /
Dann sagt bitte eurem Techniker, dass er diese Datei in das Wurzelverzeichnis des Webservers hochladen soll, auf dem eurer ganzer „enteigneter“ Content herumliegt. Ihr werdet es kaum glauben, aber diese eine Kleinigkeit mit einem gesamten Arbeitsaufwand von unter fünf Minuten reicht völlig aus, und weder Google noch irgendein anderer zivilisierter Crawler wird sich in Zukunft noch einmal bei euch bedienen. Die respektieren das nämlich alle, wenn ihr euer von den Agenturen abgekauftes „Eigentum“ behalten wollt. Ich habe dies in einigen, für einen eher geschlossenen Nutzerkreis gedachten Projekten schon selbst ausprobiert, und die Wirkung ist wunderbar: Eine einfache Anweisung an die Crawler, und schon wird man nicht mehr gecrawlt. Ihr habt es völlig selbst in der Hand, ob ihr weiter „enteignet“ werden wollt, oder ob ihr Google und den ganzen anderen Bots eine klare Grenze zieht. Da braucht ihr nicht mehr zu eure Taschentücher vollzuheulen und auch nicht nach irgendwelchen staatlich verordneten Zwangsabgaben auf Computer zu rufen, die dann ausgerechnet euch in die Tasche gesteckt werden sollen. Da braucht ihr nur eine einzige Datei auf eurem Webserver abzulegen, die zudem sehr einfach mit überall verfügbarer Software zu erstellen ist.
Gut, ihr werdet dann auch nicht mehr von Google gefunden, das ist vielleicht ein bisschen ungewohnt für euch. Aber das könnt ihr ganz sicher sehr leicht ausgleichen, indem ihr euch endlich einmal ein paar Gedanken darüber macht, wie ihr auf wirksame Weise die Leser an eure tollen Websites binden könnt, und zwar am besten so binden, dass ihr dabei auch ein Geschäft machen könnt. Das ist ja nicht so, dass ich oder irgendjemand anders euch euren Reibach nicht gönnen würde. So viel kann ich euch als jemand, der sich jetzt zweieinhalb Jahrzehnte lang mit dem Irrsinn der EDV herumgeschlagen hat, jedenfalls zu diesem Thema sagen: Mit einer nicht nachvollziehbaren Benutzerführung und künstlichen Schwierigkeiten beim Zugriff auf die von euch angebotenen Informationen werdet ihr es nicht schaffen, jemanden an euch zu binden. Auch aufdringliche Werbung gehört zu den Dingen, mit denen man Menschen eher vertreibt oder zu Gegenmaßnahmen greifen lässt. Und. Ihr werdet es übrigens auch nicht schaffen, wenn ihr eure Leser regelmäßig beschimpft. Aber schaut euch doch einfach mal selbst den Rest des Internet an, denn wird euch schon etwas einfallen.
Und wenn euch nichts einfällt, denn bestempelt einfach weiter tote Bäume, denn das könnt ihr. Und mit dem Fortschreiten einer Technik, die keine zentralisierten Produktionsmittel mehr benötigt, geht doch bitte einfach sterben! Ich brauche euren täglichen medialen Mindfuck mit neoliberaler Propaganda, die von euch abgeschriebenen und ohne die Spur ergänzender Recherche übernommenen Agenturmeldungen und die dummdreiste Gutsherrenart eures Auftretens jedenfalls nicht — und die Anzahl der Menschen, denen es in dieser Sache genau so geht wie mir, sie wird jeden Tag ein bisschen größer.
Und das liegt auch an euch und an dem lichtscheuen Gesindel, das für euch in die Kameras und Mikrofone flennt, schimpft und den staatlichen Grabsch in unser aller Taschen fordert, einfach nur deshalb, weil immer weniger Menschen dazu bereit sind, für euren mit Werbung, Schleichwerbung und Propaganda durchsetzten Strunz auch noch etwas zu bezahlen. Vor ein paar Jahrzehnten hätte ich euch nur gesagt: „Geht doch nach drüben, wenns euch hier nicht gefällt!“ — vor allem den Leuten vom Springer-Verlag hätte ich das gern gesagt…
Und, ihr Verleger, immer daran denken! Vor dem Aus-sterben kommt immer erst das An-sterben…
Er sagte: „Die heutige Zeit ist doch gar nicht morallos. Noch nie hat ein Mensch so viel Moral wie heute gebraucht. Er braucht sie sogar in doppelter Ausführung, einmal für sich selbst und ein weiteres Mal mit etwas strengeren Maßstäben für andere Menschen.“