Tag Archive: Medien


Neugewicht

Die medial transportierte Gesellschaft — egal, ob Unterhatung oder Politik; egal, ob Dschungelcamp oder Reichstag — wird immer stärker von Menschen geprägt, die ihren Mangel an Talenten und Fähigkeiten mit ihrem schlechten Charakter und ihrer zügellosen Dummheit zu kompensieren versuchen.

Buchbild

Solange Menschen in allerlei künstlerischer und propagandistischer Illustration das Lesen eines Buches oder ein Buch als Symbol der Bildung verwenden, solange sind sie noch nicht im Internet angekommen, solange sind sie noch so unreflektiert konservativ, dass sie sich im Vergangenen verwurzeln wollen und diese Wurzel am liebsten auch anderen aufzwängen… es ist schon von realsatirischem Reiz und lächerlich, dass jene, die für die Bildung in die Bresche zu springen vorgeben, dabei so offensichtlich und offen sichtbar den Fortschritt ablehnen. Von dieser Haltung zum Biblizismus religiöser Idioten ist es nur noch ein kleiner Weg.

Wie Propganda Frieden und Gerechtigkeit verhindert

Erst, wenn die Menschen gelernt haben, in Reaktion auf ihr eigenes Elend und ihre eigene Existenzangst nicht auf den nächstschwächeren Menschen einzutreten, sondern gemeinsam dorthin zu schauen und zu schlagen, wo das Elend herkommt, wo es erzeugt wird und wo man davon profitiert, ist es möglich, dass Frieden und Gerechtigkeit einkehren.

Die Front verläuft nicht zwischen Religionen, Geschlechtern, Hautfarben, Nationen und Sitzanordnungen in den Theatersälen der Parlamente; die Front verläuft zwischen Besitzenden und Mächtigen, die ihre Privilegien um jeden Preis erhalten wollen und Besitzlosen und Ohnmächtigen, die weitgehend ausgeliefert sind. Jeder, der etwas anderes sagt, macht damit klar, auf welcher Seite er steht, wessen Freund er ist, und. Wessen Feind er ist.

Das show business für die Hässlichen

Wer sind diese Politiker? Es sind jene, die wir schon in der Schule oder auf der Uni nicht ausstehen konnten. Jene, die immer der Klassensprecher sein wollten oder der Studentenführer. Jene, die wir nie mochten, erzählen uns jetzt, was wir zu tun haben. Für jene werden rote Teppiche ausgerollt, sie stehen im Blitzlichtgewitter der Paparazzi und jeder hebt sie in den Himmel und applaudiert ihnen. Politik ist show business für hässliche Menschen.

Gerald Celente, ähm… pessimistischer „Zukunftsforscher“

Mit Gruß an Ansgar Heveling als Vertreter einer classe politique, die den sich frei organisierenden Menschen mit unüberhörbarer Deutlichkeit zuruft: „Euch bekommen wir auch noch in den Griff, und sei es mit Blutvergießen und Gewalt!“ und damit die gesamte Ruchlosigkeit im völlig korrumpierten politischen Gestaltungswillen deutlich macht.

Übers Bloggen: Von der „Medienrevolution“

Immer wieder muss ich bei meiner täglichen Lektüre (mit wachsendem Missvergnügen) Blogger lesen, die unter einem offenbar fortschreitenden Realitätsverlust leiden und deshalb wie besoffen schreiben, dass das Internet und die menschliche Tätigkeit des Bloggens eine mediale Revolution auslösen werde, ja, dass sie diese schon ausgelöst habe und dass diese Revolution alles verändern werde. Ich weiß nicht, in welcher Welt diese Menschen leben, wenn sie sich wegen einiger tausend Klicks auf ihre Texte schon für dermaßen wichtig halten — vermutlich in ihrer eigenen, und vermutlich haben sie auch deshalb so selten etwas Interessantes mitzuteilen. Das heißt aber nicht, dass nicht viele der so Redenden allerlei seltsame und wenig erfolgverheißende Geschäftsideen mit ihrem bisschen Internet verbänden…

Wie unbedeutend so ein Blog wirklich ist, und wie bedeutend die „etablierten“, also zentral organisierten Medien auch unter den Bedingungen der heutigen Allgegenwart des Internet sind, habe ich soeben am eigenen Beispiel erfahren dürfen.

Eine rätselhafte Illustration aus dem so genannten Voynich-Manuskript: Die Mondin mit den zwei SichelnSeit Juli 2005 führe ich ein kleines und kaum beachtetes Blog über meine paar Beiträge zum Verständnis des so genannten Voynich-Manuskriptes. Die Beschäftigung mit einem bis unentzifferten Manuskript in einer mittelalterlichen Geheimschrift ist ein sehr spezielles Thema, und es ist nur deshalb ein Blog daraus geworden, weil ich mit WordPress einigermaßen gut umgehen kann und aus diesem Grunde nur wenig Lust dazu verspürte, eine andere Software zur Inhaltsverwaltung einzusetzen. Für jemanden, der gern verfolgen möchte, wie ich im Dunkeln tappe, ist die kalendarische Darbietung der scheiternden Untersuchungen und des zähen Ringens um etwas Einsicht allerdings auch ein hübscher Einblick.

Die meisten Menschen sind daran offenbar eher desinteressiert, zumal sich auch die eine oder andere Sackgasse in den teilweise sehr langen, mit Daten gespickten Texten findet. Ich kann das durchaus verstehen. Um Unterhaltung geht es mir nicht, ich bringe keine völlig unbelegten Thesen (obwohl: manchmal geht es auch mit mir durch…) und keine aufregenden Bilder, ich dokumentiere einfach nur in sehr unregelmäßigen Abständen, was mir bei dieser Beschäftigung so widerfährt, welche Ideen ich verfolge, was mir auffällt und was ich generell in diesem Kontext für interessant und beachtenswert halte. Dies verbindet sich mit einer neutralen (also nicht nach meinen Auffassungen ausgerichteten und deshalb auch für esoterische Ansätze offenen) Linkliste auf die wenigen deutschsprachigen Resourcen und einer weiteren Linkliste wichtiger Websites in englischer Sprache, ferner stelle ich meine Software für die Bearbeitung von Transkriptionen und meine wenigen Ergebnisse zum freien Download zur Verfügung. Sicher, etwas Lustiges gibt es dabei auch manchmal…

Dies alles ist nicht die Art von Stoff, die jemand zu genießen gedenkt, der einfach nur etwas Zerstreuung sucht, um die objektive Leere seines Daseins nicht fühlen zu müssen. Und dem entsprechend wenig Leser hat dieses kleine Blog — aber für viele dieser Leser mit einem speziellen Interesse ist das Blog eine Quelle relevanter Informationen geworden.

Nun, es bedurfte nur eines einzigen, vergleichsweise banalen Ereignisses, um das (vorübergehend) zu ändern und viele „interessierte“ Leser zu haben. Gestern, am 5. November, brachte das ZDF zur besten Sendezeit einen — soweit mir das mitgeteilt wurde, dem Standard dieses Senders entsprechend eher dürftigen und wenig sehenswerten — Krimi, in welchem das Voynich-Manuskript eine zentrale Rolle in einem Mordfall einnahm. Es bedurfte nur dieser einen Unterhaltungsproduktion eines zentral organisierten Mediums, um den Server, auf dem das Voynich-Blog betrieben wird, für einige Stunden unter Hochlast zu bringen und in drei Stunden mit einer Anzahl von geballt auftretenden Zugriffen zu konfrontieren, die sonst in einem halben Jahr anfällt. Ich wurde im Verlauf dieses Abends sehr froh darüber, dass ich bei der letzten größeren Serverwartung Vorsorge für eventuelle Lastspitzen betrieben hatte, sonst wäre der arme Server heute unter dieser Last zusammengebrochen.

Wo ist die „Revolution“ durch regelmäßiges Füllen von Websites mit irgendwelchen Inhalten, von der gewisse (dabei überdeutlich am Geschäft interessierte) Menschen so unentwegt schreiben und reden? Dieses eine Beispiel eines zuvor eher unbekannten Themas, das von einem deutschen Fernsehsender in einem abstrusen Kontext aufgegriffen wurde, hat gezeigt, wo hier medial „der Hammer hängt“, welche Medien die Themen vorgeben, für die sich die Menschen in ihrer Mehrzahl interessieren — während für die meisten „normalen“ Internet-Nutzer das Internet vor allem aus jenen großen Portal-Seiten besteht, die ebenfalls mit den von zentral organisierten Medien vorgegebenen Themen aufgefüllt werden. Angesichts des Wahlergebnisses der Piratenpartei würde ich einmal vorsichtig vermuten, dass die Menschen, die wirklich schon jeden Tag und beinahe ausschließlich vom Geist eines völlig dezentralen Mediums atmen, gerade einmal zwei Prozent der gegenwärtigen Gesellschaft in der BRD ausmachen und damit eine nicht einmal große Minderheit sind. Sicher, das kann und wird sich zumglück ändern. Aber. Nicht so schnell…

[Eine gesellschaftliche Entwicklung vollzieht sich nun einmal langsamer als die Einführung einer neuen Technik. Und wer auf die gesellschaftliche Entwicklung Einfluss nehmen will, braucht einen langen Atem und eine hohe Toleranz gegenüber dem täglichen Frust — was beides nur durchzuhalten ist, wenn diese Einflussnahme mit intensiver gedanklicher Arbeit, Planung und vernünftiger, regelmäßig an der Wirklichkeit überprüfter Theoriebildung einher geht. Da sehe ich bei vielen Bloggenden mit großem Anspruch schwarz.]

Und ich bin der Meinung, dass das jeder Blogger wissen sollte. Allein schon. Um nicht in der eigenen Selbstbezüglichkeit beim Anblick von einigen Zugriffsstatistiken irre zu werden. Und sich stattdessen lieber auf das zu konzentrieren, wofür man bloggt — auf das Schreiben persönlich geprägter, manchmal sogar interessanter Texte zu den Erlebnissen und Bedingungen des eigenen Daseins.

Und von diesem „Twitter“, diesem kastrierten Blogverfahren für Menschen, die nicht schreiben können. Will ich gar nicht erst reden… 😉

Nur das noch: RT @GWUP Stoppt den Sieg der #Homöopathen! Stimmt für die #Sozialhelden! http://crippled/crypted/url

Tradition verpflichtet

Alle zentral organisierten, lichtschnellen und damit scheinbar in ihren Mitteilungen unmittelbar gegenwärtigen Medien, deren Empfangsgeräte auch noch den Verarmtesten im Lande eher als ein kategorisches Muss des Lebens zugebilligt werden denn Kleidung, Nahrung und medizinische Behandlung, alle diese Medien stehen in der unmittelbaren Tradition des Volksempfängers.

Glubschohr

Ich wusste, dass ich alt geworden war, als mich vor einigen Monaten das erste Mal ein deutlich jüngerer und offenbar mit MTV aufgewachsener Mensch fragte, ob ich ein bestimmtes, neues Musikstück schon gesehen hätte. Und. Als dieser deutlich jüngere Mensch mich völlig verständnislos anschaute, als ich ihm daraufhin sagte, dass ich schon lange kein acid mehr nähme.

In jeder Zeit nehmen die Heranwachsenden in ihrer zum Körper gewordenen Verzweiflung die jeweils modernen Mittel, um die Wahrnehmung zu füttern und erträglicher zu halten. Zu meiner Zeit nahm man Drogen, um seine eigenen Trugbilder zu sehen und seine ganz persönliche Geisteskrankheit zu entwickeln. (Was mich. Hervorbrachte.) Und. In der heutigen Zeit nehmen sie Medien, um die kollektiven Trugbilder zu sehen und die kollektive Geisteskrankheit zu übernehmen. (Was das hervorbringt. Was mich jedenall und übertag ergibt und umstickt.)

Lobotomie

Die Psychochirurgie erreicht ihre Erfolge, indem sie die Phantasie zerschmettert, die Gefühle abstumpft, das abstrakte Denken vernichtet und ein roboterähnliches, kontrollierbares Individuum erschafft.

Walter Freeman, Psychiater, über seine eigene Arbeit

Wer wissen will, was die so genannten „Menschenrechte“ und das Gefasel von der so genannten „menschlichen Würde“ in irgendwelchen Sonntagsreden wert sind, der braucht sich nur anzuschauen, wie unverbindlich derartige Werte dort werden, wo sich Menschen nicht mehr verwirtschaften lassen und keinen Widerstand gegen das zu leisten vermögen, was ihnen zwangsweise widerfahren gemacht wird.

Das heute vielen jüngeren Menschen eher unbekannte Wort „Lobotomie“ bezeichnet einen chirurgischen Eingriff in das Gehirn eines Menschen, bei dem die Nervenbahnen zwischen dem Thalamus und dem Stirnhirn zusammen mit Teilen der grauen Substanz zerstört werden. Bei diesem gleichermaßen recht schnell und einfach durchzuführenden und auf andererseits irreversibel tiefen Eingriff kommt es zu einer Veränderung der Persönlichkeit bei gleichzeitiger Vernichtung der Emotionalität und jeglichen Antriebes. Das Verfahren wird heute nicht mehr angewendet. (Denn es gibt heute andere, reversiblere Verfahren mit einem ähnlichen Effekt, aber dazu später etwas mehr.) Als jedoch in den 1940er Jahren der Psychiater und Leiter der Psychiatrischen Klinik zu Washington D.C., Walter Freeman, ein einfach anzuwendendes chirurgisches Verfahren für die Lobotomie entwickelte, da wurde dieses zu einer Standardtechnik der Psychiatrie, das bis zur Mitte der 1950er Jahre vor allem in den englischsprachigen Staaten, aber auch in vielen anderen Staaten sehr häufig an solchen Menschen durchgeführt wurde, die man für psychisch krank hielt. Es wird geschätzt, dass das Freeman-Verfahren weltweit an einer Million Menschen angewendet wurde — genaue Daten sind nicht ermittelbar, weil sie niemals erfasst wurden.

Dies ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass es infolge der Wirtschaftskrise und des Zweiten Weltkrieges mit seinen psychischen Traumatisierungen zu einem plötzlichen Anstieg psychischer Erkrankungen kam, die damals nicht medizinisch behandelt werden konnten. Die übliche „Behandlung“ bestand darin, dass die Patienten zwangsweise aus der menschlichen Gemeinschaft herausgenommen, weggesperrt, in engen Zimmern zusammengepfercht wurden und Elektroschocks erhielten.

Als der Yale-Absolvent Walter Freeman aus durchaus humanitären Gründen nach einer Therapie für diese medizinischen „Fälle“ suchte, stieß er auf eine Arbeit des portugiesischen Arztes Egaz Moniz, der für seine darin dargelegte Idee und die Entwicklung eines ersten Verfahrens übrigens im Jahre 1949 den Nobelpreis für Medizin verliehen bekam, und der in ebendieser Arbeit die Auffassung vertrat, dass man viele psychische Krankheiten heilen könnte, indem man im Gehirn die Nervenstränge vom Stirnlappen zum Thalamus durchtrennt. Offenbar war die Zeit für diese Form der „Behandlung“ psychischer Krankheiten so „reif“, dass es jahrzehntelang niemandem auffiel, dass es keine Studien über die Wirksamkeit und mögliche unerwünschte Wirkungen eines solchen Verfahrens gab.

Die besondere Leistung Freemans bestand darin, ein sehr einfach anzuwendendes Verfahren zur Durchführung dieses Eingriffes zu finden und dieses Verfahren zu propagieren und in mehreren tausend Fällen selbst anzuwenden. Das Propagieren Freemans war dermaßen beflissen, dass er Operationen nach dem Freeman-Verfahren in Hörsälen und sogar im Fernsehen vorführte, um seine „optimale Behandlungsform“ zu demonstrieren und mit einem Wohnwagen, den er als „Lobomobil“ bezeichnete, von Klinik zu Klinik fuhr, um dort zu „operieren“ und sein Verfahren zu lehren. Das Verfahren war in seiner Durchführung dermaßen einfach, dass Freeman zwei Dutzend Menschen am Tag lobotomieren konnte. Dieses offensive Auftreten führte dazu, dass die damaligen Zeitungen voll mit den Berichten über die „Wunderheilungen“ Freemans waren — offenbar deckte sich der „Erfolg“ der Freeman-Methode mit den Vorstellungen und Wünschen jener Menschen, die ihre verquarzte Gedankenwelt mittels einer Rotationsmaschine auf tote Bäume stempeln konnten und können und so zur Deinung der Massen machen konnten und können.

Beim Freeman-Verfahren der Lobotomie wird keine spezielle neurochirurgische Qualifikation benötigt. Auch die erforderlichen Instrumente sind preisgünstig und stellen keine besonderen Anforderungen an ihre Fertigung; Freeman verwendete anfangs einen Eispickel, später ein speziell gefertigtes Instrument, das einem Eispickel nachempfunden war. Dieses Instrument, welches man in solcher Verwendung eher in einer mittelalterlichen Folterkammer als in einen Operationsaal vermuten würde, wurde unter meist lokaler Anästhesie am Auge vorbei geführt, um mit einem leichten Stoß den dünnen Knochen im oberen Bereich der Augenhöhle zu durchstoßen und so in das Innere des Schädels, in das Gehirn eingeführt werden zu können. Hierzu musste nur ein Augenlid angehoben werden, um die Spitze des „chirurgischen Instrumentes“ am Auge vorbeiführen zu können. War auf diese Weise der Weg in das Gehirn gebahnt, so wurde nach dem Erreichen einer vom Arzt subjektiv bewerteten, „richtigen“ Eindringtiefe durch strokelnde, rotierende Bewegungen der „kranke“ Teil des Gehirnes zerstört. Dieser Eingriff war nicht nur so einfach, dass er auch von Menschen ohne chirurgische Ausbildung ausgeführt werden konnte und auch ausgeführt wurde, er galt überdem als besonders schonend, musste doch nicht eigens der Schädel von oben geöffnet werden. Es blieb nicht einmal eine Narbe zurück, nur ein Bluterguss am Auge legte für einige Wochen Zeugnis davon ab, dass ein Eingriff in das Gehirn vorgenommen wurde. Und. Natürlich auch die irreversibel vernichtete Persönlichkeit des so „operierten“ Menschen.

Kaum war ein solches, billig, einfach und am Fließband anzuwendendes Verfahren verfügbar, schon fanden sich auch viele „Krankheiten“, die damit „behandelt“ werden konnten. Mit einer Lobotomie wurden immer wieder auch ganz bestimmte „Krankheiten“ „geheilt“, wie etwa Kommunismus, Homosexualität, „asoziales Verhalten“ oder auch einfach nur eine Unwilligkeit oder Unfähigkeit, den jeweiligen gesellschaftlichen Anforderungen Genüge zu tun. In der Tat lösten sich diese „Krankheiten“ oft in Nichts auf, wenn aus einer lebhaften Persönlichkeit ein emotionsloser, sedierter und zu keiner eigenen Lebensäußerung mehr fähiger Funktionsmensch gemacht wurde. Und auf die gleiche Weise lösten sich auch alljene Krankheiten auf, die man heute noch als Krankheiten bezeichnen würde, etwa bestimmte Formen der Depression, Zwangsstörung und des posttraumatischen Belastungssyndroms. Sie verschwanden einfach zusammen mit der erkrankten Persönlichkeit, während die entkernte Hülle eines Menschen als noch verwertbares Formfleisch zurückblieb. Dass die so behandelten Menschen nicht gerade um Erlaubnis befragt wurden, sondern durch die Verfügung anderer Menschen der als Wissenschaft und Medizin getarnten Barbarei überantwortet wurden, versteht sich von selbst. Niemand, der noch bei Troste ist, lässt das. Mit sich machen.

Über ein Jahrzehnt lang konnte Walter Freeman seine Methode der Lobotomie anwenden und lehren, ohne dass es von medizinischer Seite, von staatlicher Seite oder von der Journaille und anderen Massenmedien zu einem Versuch kam, ihn daran zu hindern. Es gab keine Studien über die Erfolge und mögliche unerwünschte Auswirkungen des Verfahrens, nur subjektiv gefärbte Erfolgsberichte, die vor allem von Befürwortern und Praktizierenden der Lobotomie gesammelt wurden; es gab keine Spur von einer Wissenschaft, die diesen Namen verdient hätte. Es war einfach nur barbarische Willkür, ein am Fließband betriebener Mord am Kern der Persönlichkeit mit der Absicht, den Körper dabei möglichst in einem eher mechanischen Sinn lebendig, also weiterhin funktionsfähig und verwertbar zu halten.

Das eingangs gegebene Zitat Freemans ist übrigens frei von jeder Selbstkritik, er hat seine „medizinischen“ „Erfolge“ wirklich so gesehen, wie sie waren. Und. Genau in dieser Form für gut befunden.

Die massenhafte Lobotomie hörte erst in der Mitte der 1950er Jahre auf, als mit dem Neuroleptikum Chlorpromazin unter dem Markennamen Thorazine das erste wirksame Psychopharmakon in den USA verfügbar wurde — und seitdem werden hinter den Mauern, an denen die so genannten „Grundrechte“ enden, in den psychiatrischen Kliniken, auch immer wieder schwer in den Stoffwechsel des Gehirnes eingreifende Medikamente verabreicht, um Menschen auf diese Weise sediert und gefügig zu halten. Es ist bitter, dass man diesen Medikamentenmissbrauch durch Ärzte als einen Fortschritt betrachten muss, wenn man nur ein paar Jahrzehnte zurückschaut.

Doch auch nach der Erfindung der Psychopharmaka wurde von US-amerikanischen Ärzten immer wieder die Lobotomie als eine günstige „Lösung“ bestimmter Probleme vorgeschlagen.

Als es im Jahre 1967 in Detroit (Michigan) nicht nur das Henry-Ford-Museum, das Labor von Thomas Edison und die alte Werkstatt der Gebrüder Wright gab, sondern auch vorübergehende, aber schwere Rassenunruhen, da wurde im Journal of the American Medical Association ein Leserbrief der nicht nur am Kittel weißen Harvard-Autoren V. Mark, F. Ervin und W. Sweet abgedruckt. Diese sahen eine „fokale Gehirnstörung“ als Ursache der Ausstände, und um weitere Unruhen zu verhindern, sollte es nach Meinung dieser Ärzte völlig ausreichen, diese „Ursache“ operativ zu entfernen. Zwei dieser Autoren, Mark und Ervin, veröffentlichten im Jahre 1970 ihr Buch Violence and the Brain, in welchem sie die Lobotomie als final solution (!) für das Gewaltproblem vorschlugen, zum Beispiel zur Behandlung von Häftlingen, die sich nicht resozialisieren lassen. Auch, wenn dies nicht explizit erwähnt wurde, ist wohl nicht davon auszugehen, dass nach Meinung dieser ganz besonderen Menschenfreunde die so zu verkrüppelnden Menschen vorher um Erlaubnis gefragt werden sollten. Wo die Humanität das ärztliche Eingreifen erfordert, muss der von solchen Ideen besessene Arzt eben tätig und tätlich werden — das ist, um es mit den Worten des Psychiaters L. G. West zu dieser faschistoiden Idee zu sagen, eben ein „biosozialer Humanismus“. Später wurden solche „Argumentationen“ — dem sich ändernden Zeitgeist entsprechend — noch um wirtschaftliche Betrachtungen angereichert; als etwa im Jahre 1979 der Psychiater H. Brown die Lobotomie zur „Rehabilitation“ jugendlicher Straftäter empfahl, da wurde dieser Vorschlag unter besonderer Betrachtung der Tatsache diskutiert, dass eine solche „Wiedereingliederung in die Gesellschaft“ doch mit einem Aufwand von 6.000 Dollar wesentlich kostengünstiger sei als eine lebenslange „Verwahrung“, die im Schnitt 100.000 Dollar kostet.

Wer angesichts dieses Rückblickes glaubt, dass die heutige Medizin frei von Barbarei sei, ist ein Traumtänzer — wie kommenden Generationen die jetzigen Zustände in der so genannten „Pflege“; in der (meist nicht stattfindenden) Palliativmedizin bei Sterbenden, die sich darauf beschränkt, die Menschen in ihrem angstvollen und ungelindert schmerzhaften Verrecken bis zum letzten Atemzug zu verwirtschaften; oder auch immer noch in der Psychiatrie erscheinen werden, das kann man heute schon sehen, wenn man einfach nur hinschaut.

Was es wohl bedeuten mag, dass nach einem Bericht des „Spiegel“ (im Artikel „Abschied vom Kettenhemd“ der Ausgabe 52/2002) die meisten Ärzte ihren Verwandten keine hochpotenten Neuroleptika verordnen würden, kann sich jeder selbst denken; vielleicht hilft solches Denken auch, anderen ärztlichen Verordnungen gegenüber angemessen kritisch zu sein und sich stets selbst zu informieren. Dass es zur Wirkungsweise von Neuroleptika kaum Grundlagenforschung gibt und dass zudem beinahe die gesamte Forschung ausschließlich durch die Hersteller der Medikamente finanziert wird, erinnert angesichts der breiten Anwendung dieser Medikamente alarmierend genug an den „wissenschaftlichen“ Hintergrund bei der massenhaften Durchführung der Lobotomie.

Und wer wirklich glaubt, dass die so genannten „Menschenrechte“ auch für jene Menschen eine Bedeutung und Wirksamkeit hätten, die unter der direkten oder — wegen existenzieller wirtschaftlicher Abhängigkeit — mittelbaren Verfügungsgewalt anderer Menschen stehen, sollte einmal nachschauen, ob er nicht zwischendurch selbst das Opfer einer Lobotomie geworden ist. Das zeitgemäße Verfahren der „Lobotomie durch Fernsehen und Massenmedien“ scheint — wie ich immer wieder bei meinen Zeitgenossen feststellen muss — von verheerender Wirksamkeit zu sein.

Festplatte

Eines hat die Festplatte eines Computers — so gut und durchdacht sie beim erfahrenen Nutzer auch organisiert sein mag — doch mit dem Gedächtnis gemeinsam: Unnütze Daten sammeln sich an, und das Auffinden der nützlichen Daten wird mit der Zeit immer aufwändiger. Und dort. Wo Massenmedien für die allgemeine Infokalypse direkt aus den Nachrichtenticker für Tittitainment und unwichtige Fakten, Fakten, Fakten sorgen, ist man sich dieser Tatsache sehr bewusst.

Wirtschaftliche Zensur

Die Pressefreiheit endet da, wo der Selbstmord beginnt […]

[…] Dieser Zensor aus dem Geist des Kapitalismus ist viel geschickter und viel subtiler als die Zensoren in den Diktaturen gewesen sind. Dieser Zensor verbietet nichts, steckt niemanden ins Gefängnis, foltert nicht, droht kaum, dieser Zensor etabliert nur neue, harmlos klingende Kriterien für die Presse. Diese Kriterien werden noch nicht einmal öffentlich oder heimlich ausgesprochen oder gar schriftlich fixiert. Sie werden einfach nur angewendet. Der Zensor belohnt diejenigen mit Geld, sprich Werbung, die sich seinen Kriterien fügen. Wer sich nicht fügt, wird nicht etwa bestraft, sondern kriegt halt nur kein Geld. Das hat im Lauf der Jahre dazu geführt, dass immer größere Teile des Werbekuchens in den der Werbung genehmen Sendern, Verlagen und Redaktionen gelandet sind. […]

Wer noch an so etwas wie eine „unabhängige Presse“ und „freie Berichterstattung“ glaubt, der schaue mal bei Konsumpf vorbei und lasse die dort angebotenen Materialen auf sich wirken.

Was nicht gezeigt werden kann

Damit etwas als bewegendes Bild im Fernsehen oder in einem Kinofilm gezeigt werden kann, muss es mit dem Vorgang äußerer, sichtbarer Bewegung verbunden sein. Das ist einiges. Aber. Vieles ist eben auch gar nicht in dieser Weise darstellbar. Zum Beispiel ist es unmöglich, den recht einsamen, stummen und optisch unattraktiven Vorgang einer sorgfältigen, nachdenklichen Erwägung eines beliebigen Themas in einem Medium bewegter Bilder darzustellen, ohne die Zuschauer damit zu langweilen, und deshalb gibt es solche Darstellungen eben auch nicht.

Im gleichen Maße, in dem die Medien Fernsehen und Film bedeutend für die Weltwahrnehmung der meisten Menschen geworden sind, tritt die Vorstellung der sorgfältigen Benutzung geistiger Fähigkeiten zurück. Der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit verlagert sich auf die sichtbare Tat, nicht auf den dahinter stehenden mentalen Prozess. Gerade die lichtschnelle und stets Aktualität schreiende Darbietung des Fernsehens übt dabei ein Drängen auf Handelnde im öffentlichen Lichte aus, ihre Taten schnell und mit wenig Überlegung auszuführen — und diese medial dargebotene Vorlage der herrschenden Elite wird von den Beherrschten allzu leicht aufgenommen. Das Tun wird dabei zum reinen, eher reflexartigen Verhalten. Und. Es ist genau so leicht und billig zu beeinflussen wie ein reflexartiges, auf gedrängte Reaktion beschränktes Verhalten. Das Verdörren jeder höheren kulturellen und intellektuellen Leistungsfähigkeit im allgegenwärtigen Flackerschein der bildgebenden Volksempfänger ist ein zwangsläufiger Prozess.

Medien

Jetzt geht es schon wieder los:
Schon wieder die gleichen, alten Lügen,
Schon wieder die leeren Worte,
Schon wieder geschieht das Unmögliche*.
Aus der Wall Street in dein Herz
Leuchtet Hollywoods Neon ins Dunkle.
Hör das Geblöke der Schafe
Zu den Witzen eines Medienwiderlinges.

Und es gibt nichts, was ich sagen könnte…

Schau dir eine Welt voller Panzer an,
Beherrscht von einer Welt voller Banken!
Stell deinen Fernseher lauter,
Vergiss die Ketten der Verschuldung!
Schau dir an, wie alles den Bach runtergeht!
Schalt doch um! Glaubst du, es wird sich ändern?
Läppendes Proll-Futter in der Sonne.
Grüß die Massen — Hässlich und dumm.

Und es gibt nichts, was ich sagen könnte…

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Die Übelsetzung ist von mir.

* wörtlich: „Die Schweine fliegen wieder“, wobei das englische „pigs don’t fly“ ausdrückt, dass etwas völlig ausgeschlossen werden werden.