Wenn in einem Raum, in einer Gruppe, an einem Ort viele Menschen versammelt sind, die das Gleiche denken, dann wird dort nicht viel gedacht.
Tag Archive: Konformismus
Menschen, die sagen: „Ich bin Deutscher“, „Ich bin Muslim“ oder „Ich bin links“ laden mit dieser Haltung, mit dieser äußerst preiswerten Identifikation mit übergeordneten, antiindividuellen Ideen und Begrifflichkeiten ihr Dasein und ihr verhungertes Selbstwertgefühl mit einer narzisstisch wichtigen Bedeutsamkeit auf, ohne allzuviel für die so gewonnene Bedeutsamkeit tun zu müssen. Dies ist ein primitiver psychischer Mechanismus mit eingebauter konformistischer Forderung an andere Menschen nebst Gewaltbereitschaft gegenüber unfügsamen anderen Menschen, der mehr Schaden an der Zivilisation anrichtet als alle Naturkatastrofen der letzten paartausend Jahre zusammen, und der brülle Massensang der Identifikation mit Sportmannschaften ist die wirksamste Eingewöhnung in diesen psychischen Mechanismus, der geradewegs in die eine oder andere Form des Faschismus führt.
Wer zivilisiert ist, sagt „Ich bin ich“, und dies selbst dann noch, wenn sich dieses Ich wie ein leerer Fleck anfühlt. Denn Menschen sind kein Ameisenstaat, in dem jeder das gleiche Erbgut hat und in dem es keine Individuen gibt. Die Kraft menschlicher Zivilisation erwächst immer nur dort, wo Verschiedene beisammen sind, kooperieren und die antisozialen Regungen der dummen dummen Psyche zurückweisen, und die Kraft menschlicher Zivilisation wird vernichtet in dumpfem Konformismus und gewaltsamer Gleichmacherei.
„Wir Menschen sind nicht auf der Welt, um so zu sein, wie andere uns haben wollen. Ich nicht, und du auch nicht“, sagte der Vorübergehende etwas traurig zu seiner Zeitgenossin. Und er setzte fort: „Der Unterschied zwischen uns: Ich weiß das“.
Als die Zeitgenossin zum Vorübergehenden von ganz normaler Angst erfüllt „Was sollen denn die Leute denken?“ sagte, antwortete der Vorübergehende mit einer einzigen Frage: „Und was ändert der Gedanke eines anderen Menschen daran, was du bist, träumst, denkst und möchtest?“, und er setzte fort: „Was dir Angst macht, ist niemals das für dich völlig bedeutungslose Denken anderer Menschen, sondern die Möglichkeit ihrer Gewalt, mit der sie dich behandeln könnten, wenn sie deine Lebendigkeit bemerkten. Deshalb verkriechst du dich lieber. Wer abweicht, wird bestraft. So ist das nun einmal in einer faschistoiden Gesellschaft“.
Jeder einzelne hoffend, dass er nicht bemerkt werde, marschieren sie leise, auf Zehenspitzen, im Gleichschritt. Dem Abgrund entgegen.
Und wenn ich mal groß bin, damit Ihr es wißt,
Dann werde ich auch so ein Volkspolizist.
Ich helfe den Menschen, ich bin mit dabei,
Beschütze die Heimat als Volkspolizei!
Schade eigentlich, dass die „Junge Polizei Bremen“ (eine Jugendorgansiation der Deutschen Polizeigewerkschaft) nicht nur die Bilder dieser so heiter selbstoffenbarenden Kampagne „aus dem Verkehr gezogen“ hat…
…sondern darüber hinaus auch Blogger mit einer gewissen Reichweite, die gemeinhin als seriös rezipiert werden, freundlich darum bittet, derartige Zeugen der Zustände des Jetzt aus ihrem Blog zu nehmen, um „falsche Eindrücke“ künftig zu vermeiden. Dabei gaben derartige Bilder doch einen recht zutreffenden Eindruck davon, was für Denkmuster innerhalb gewisser Kreise der Polizeien in der Bundesrepublik in so großem Maße gängig und selbstverständlich sind, dass dort offenbar niemand im Vorfeld ein Problem darin sah, mit einer Kampagne an die Öffentlichkeit zu treten, die derartige Denkmuster verbildlicht und damit noch deutlicher und offenbarender macht.
Im Übrigen ist die mit dem oben gezeigten Bild transportierte Aussage zur Polizeiarbeit „Wir haben keine Zeit, uns um einen schwerkriminellen Terroristen zu kümmern, weil wir irgendwelche ansonsten harmlosen, herumlungernden Menschen aus dem öffentlich sichtbaren Stadtbild entfernen müssen, damit das image der Städte geschäftsfördernd bleibt“ dermaßen wahr, dass es nicht einmal das Titanic-Magazin tödlicher hätte hinbekommen können…
Die Freiheit und Selbstverwirklichung, die in der allgegenwärtigen Werbung unentwegt versprochen wird, wenn man sich den darin angebotenen Tinnef kauft, sie ist die Karikatur einer Revolution. Sie lässt sich grob in der Aufforderung zusammenfassen: Sei du selbst, gehe mit den anderen konform.
Glaube nicht an irgendetwas einfach nur, weil du es gehört hast. Glaube nicht an irgendetwas einfach nur, weil viele darüber sprechen. […] Glaube nicht an irgendetwas nur wegen der Autorität deiner Lehrer und der Alten. Glaube nicht an Traditionen, weil sie über viele Generationen überliefert worden sind. Wenn du aber beobachtet und analysiert hast, wenn du zu der Auffassung gelangt bist, dass etwas vernünftig ist und zum Guten hinführt und dem einzelnen und der Allgemeinheit nützt, dann akzeptiere es und lebe dementsprechend.
Buddha zugeschrieben
Das überforderte Auge — Die von der classe politique so gern vertretene Idee, dass ein Mehr an allgemeiner Überwachung zu einem Mehr der Sicherheit führe und die damit verbundene Forderung nach ständiger Ausweitung der Überwachung, sie ist populistisch und dumm. Sie ist es, weil sie übersieht, dass Menschen die Ergebnisse der Überwachung beurteilen müssen, und dass diese Menschen dann das Resultat der umfassenden Überwachung bewerten müssen. In der anschwellenden Flut der mechanisch erfassten Daten ertrinkend, bleibt ihnen dabei als Hilfsmittel nichts weiter als der „gesunde Menschenverstand“, der im Wesentlichen eine Ansammlung von allgemeinen Vorurteilen und verbreiteten Fehlkonzeptionen ist. Was diesen menschlichen Betrachtern hinter dem allgegenwärtigen Auge der Überwachung auf dieser dürren Grundlage auffällt, wird zum scheinbar objektiven Kompass polizeilicher Tätig- und Tätlichkeit gemacht, ist aber in Wirklichkeit das hinter einem technischen Apparat verschanzte Stammtischhirn eines Spießers, der vor allem alldas für bedrohlich und gefährlich hält, was anders und bunter und lebendiger aussieht als er selbst. Aber wie sehr muss derjenige, der eine Steigerung der Sicherheit durch Überwachung für billig und machbar hält, von einem kalten Größenwahn der Allmachbarkeit durchdrungen sein.
Nur nicht auffallen — Die Menschen werden unter der Bedingung einer allgegenwärtigen Überwachung des öffentlichen Raumes dazu erzogen, den beobachtenden und wertenden Menschen am anderen Ende des „Objektivs“ nicht aufzufallen, ihren unausgesprochenen, aber zur autoritären Kontrolle des Andersseins führenden Erwartungen so weit wie möglich zu entsprechen. Ein Teil dieses Prozesses ist bereits jetzt in der Praxis der in den letzten zehn Jahren recht häufig gewordenen, polizeilichen Personenkontrollen sichtbar. Was den Streifenpolizisten „auffällt“ und zum Anlass der Machtdemonstration einer Personenkontrolle wird, das ist der Ausländer, der Obdachlose, der nichtkonform aussehende und ungewöhnlich lebende Mensch und jeder, der den öffentlichen Raum nicht kaufsüchtig durcheilt, sondern ihn dazu nutzt, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Schon dieses in Uniform gekleidete, Norm gebende Vorurteil des im Streifenwagen durch die Straßen schleichenden Polizisten hat zu einer Zurückdrängung der früheren urbanen Vielfalt und zu einer Verödung des städtischen Straßenbildes geführt. Die damit einher gehende, übergeordnete Botschaft an alle Menschen ist, dass die öffentlichen Plätze nur der Bewegung von der Wohnung zum Kaufhaus oder zum Arbeitsplatze geweiht seien und dass sich jede Äußerung der Lebendigkeit in die vier Wände des Wohnquaders zurückzuziehen habe. Stadteile, in denen diese Zurückdrängung jeglichen Lebens in die Privatheit und Unsichtbarkeit nicht gelingt, werden als „problematisch“ und unsicher betrachtet. Das Leben selbst wird kriminalisiert. Mit einer ständig ausgeweiteten, technisch durchgeführten Überwachung greift diese unsichtbare Hand des geforderten Konformismus und des getarnten Rassismus in immer abstrakterer Form in einen immer größer werdenden Lebensraum hinein und erzwingt Anpassung durch den ständigen Blick und die Haltung, jeden Menschen, der in diesem Rahmen auffällt, mit einer persönlichen Kontrolle klar zu machen, dass er jenseits der geforderten Norm lebt. Der „große Bruder“, der dies zu tun scheint, ist die Larve des kleingeistigen Spießers mit seiner irrationalen Angst vor dem Leben selbst.
Gefühlte Sicherheit — Den populistisch geforderten Maßnahmen zur „Erhöhung der Sicherheit“ steht keine besondere Unsicherheit gegenüber, sondern eine lediglich gefühlte Unsicherheit, die übrigens jeden Tag massenmedial in reißerischer Aufbereitung extremer Einzelfälle angeheizt wird, da seit Zimmermanns „Aktenzeichen XY ungelöst“ wohlbekannt ist, dass sich der in den Alltag ragende Horror gut verkauft. Sie ist nicht einmal eine „gefühlte“ Unsicherheit, sie ist eine „gefühlt gemachte“. Das Entsetzliche der Reportagen und Meldungen muss nur ja schön grell und geil sein, damit die eigentliche Botschaft der Massenmedien, das konsumistische Evangelium der Reklame, umso bunter und leuchtender erstrahlt. Das so geschaffene subjektive Gefühl des Bedrohtseins wird als Grund für die objektive Beschränkung von Grundrechten genommen. Die zentral organisierten Massenmedien mit ihrem Titti- und Infotainment töten nicht nur den Lebenswillen ihrer Konsumenten ab, indem sie diese bewegungslos aufgeregt in den Fernsehsessel bannen, sie beschneiden in indirekter Auswirkung auch noch die Lebensmöglichkeiten jener Menschen, die ganz prächtig ohne dieses Stammhirnfutter leben könnten und das auch versuchen. Es nimmt nicht Wunders, dass gerade die Auswürfe von Jornaille und Schundfunk immer wieder dazu dienen, die Forderung einer Ausweitung der Überwachung zu transportieren, denn unter ihren gebannten, jeden Tag psychisch manipulierten und emotional kastrierten Nutzern sitzen jene Menschen, bei denen solche Forderung keine Einschränkung des eigenen „Lebens“ zur Folge hätte und bei denen die zur Durchsetzung einer solchen Forderung erforderliche Angst jeden Tag aufs Neue geweckt wird. Die „Demokratie“ unter den breit wirksamen, zentral organisierten Massenmedien ist eine Demokratur jener paar Handvoll Milliardäre, welche durch Anwendung ihrer Geldmacht die in diesen Medien transportierten Inhalte kontrollieren können.
Freimachen! — Kaum etwas macht die unverschämte Grenzenlosigkeit des zurzeit erstrebten Maßes der Überwachung so deutlich, wie die allen Ernstes geforderte, mechanische Demütigung der Menschen durch Nacktscanner. Während den Menschen einerseits durch das gesellschaftlich etablierte, religiöse Tabu und andererseits durch die Kriminalisierung der Nacktheit eine verklemmte Scham vor ihrem baren, körperlichen Sein eingeimpft wird, sollen sie sich andererseits von staatlichen Beamten allesamt und grundlos technokratisch ausziehen lassen, ganz im Namen der „Sicherheit“, versteht sich. Nichts könnte deutlicher machen, mit welcher Verachtung des einzelnen Menschen, mit welcher Freude an der Herabsetzung und erzwungenen Entblößung jede Forderung nach einer Ausweitung der Überwachung einher geht. Noch zwei bis drei Jahre tägliche Angstnachrichten, nach denen sich die zentral gesteuerte Angst richten soll, und die Menschen sind auch bereit genug, dass sie so eine Zumutung ohne nennenswerten Widerstand über sich ergehen lassen.
Die Unbewachten — Eine Gruppe von Menschen wird bei der Forderung nach Ausweitung der Überwachung immer wieder vergessen, und das sind jene Menschen, die in irgendwelchen Kontrollräumen sitzen und die Überwachung durchführen. Was werden es wohl für Spanner und Träger einer unterdrückten, perversen Herrschlust sein, die sich zu so einer wenig erfreulichen Tätigkeit hinreißen lassen, die ja auch nicht gerade gut entlohnt wird? Welche Ereignisse werden wohl ihre besondere Aufmerksamkeit bei diesen aus der technologischen Anonymität heraus zuschauenden Menschen finden? Schon diese kleine Überlegung macht klar, dass man sich von diesen Leuten nicht begaffen lassen will; es ist schon schlimm genug, welche fragwürdigen Charaktere den Polizeidienst attraktiv finden.
Rechtsfreier Raum — Gern wird von den demokratorischen Populisten, die ihre Rede für eine Ausweitung der Überwachung in die Hand nehmen, davon gesprochen, dass es nirgends „rechtsfreie Räume“ geben dürfe. Beim Nachdenken über die geforderte Überwachung zeigt sich aber, dass diese Populisten mit dieser Wortfaust einen stetig wachsenden rechtsfreien Raum erboxen wollen, einen Raum, der frei ist von elementaren Menschen- und Bürgerrechten wie der Freiheit zur friedlichen Versammlung, dem Recht auf ein Leben ohne rassisistische, weltanschauliche oder religiöse Diskriminierung und dem wegen seiner Selbstverständlichkeit nirgends kodifizierten Recht, sich selbst ohne den fressenden Blick anonym bleibender Spanner entfalten zu können. Wer eine Ausweitung der Überwachung fordert, fordert damit einen Abbau grundlegender Rechte.
Nichts zu verbergen — Die vielen Idioten, die so bereitwillig jedem, der sich nicht jede Zumutung des ausgeweiteten Überwachungswahns wortlos bieten lassen will entgegen, dass sie doch nichts zu verbergen hätten, wären darin sehr viel überzeugender, wenn sie sich zum Beleg dieses dummdreisten Wortes auf der Stelle nackt auszögen.
Sicherheit macht unfrei!
Individualismus (der) — Bezeichnung für eine moderne menschliche Haltung, in welcher die Menschen alles das tun, was die anderen Menschen auch tun. Nur eben allein.
So zynisch es klingen mag, eine solche „Psychologie“, die den alltäglichen Zumutungen nur die Idee entgegen setzt, einen Patienten so zu konfigurieren, dass diesem der ganze Dreck ziemlich egal wird, ist gesellschaftskonform und wertschöpfend: Sie erspart nicht nur die Diskussion über die ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen der Menschen, sie verschafft auch ein paar Schreinern Arbeit; entweder beim Orgon-Kastenbau oder bei der Herstellung von Särgen.