Tag Archive: Kitsch


Kitsch

Kitsch entsteht immer, wenn man dem flüchtigen Erleben unter Verzicht auf jegliche Reflektion und Entwicklungsmöglichkeit Dauer verschaffen will, aber damit nur Dekoration schafft; vom Gartenzwerg bis zur Regenbogenflagge, vom blumenbedruckten Plastiktuch bis zum Che-Guevara-Wandgemälde im Zimmer.

Die Hölle

Küsschen für alle! Das ist die Botschaft des Handkuss-Engels, der unsere Herzen für die Liebe öffnen will! Aus Kunststein, Größe ca. 6x6x5 cm. 3,50 Euro -- Feiern Sie mit uns die Erscheinung des Herrn! Andere mögen dazu ihre eigenen Formen finden, wir schalten das 3-D-Leucht-Kruzifix ein und freuen uns über die 3-D-Effekte in wechselnden Farben. Aus Glas, Durchmesser 4 cm, Höhe 7 cm. Batterie inklusive. 9,80 Euro

Es kann doch für Menschen keine bessere Hölle geben, als dass man ihnen die eiskalten psychischen Sehnsüchte erfüllt. Einige Menschen — insbesondere Frauen — würden einen Wechsel in die Hölle kaum bemerken, sondern sich freuen, dass die Batterien inklusive sind.

Vielleicht

Vielleicht wirst du zusammen mit den Überlebenden der Generation von 1914 eine neue Ordnung erleben

Vielleicht aber auch nicht…

Die Paradiesverkäufer

Mit solchen Kitschbildern aus dem Repertoire des spießbürgerlichen Fotokalenders voller synthetischer Paradiese wollen die Zeugen Jehovas ihren Opfern erzählen, dass sie für alle ihre Entbehrungen schon bald ein besseres Leben erwarten können, damit sie auch weiterhin fügsam bleiben und für die Zeugen Jehovas von Tür zu Tür gehen. Wer das nicht sofort versteht, bekommt noch etwas kursiv gesetzten Text in den Himmel gedruckt.

Die Frucht des Ungeistes

Nichts macht die Geistlosigkeit jeder Religion so unübersehbar deutlich und geradezu schmerzhaft fühlbar wie die regelmäßig anzutreffende Neigung ernsthaft religiöser Menschen zum Kitsch.

Ferrero Küsschen

Guten Freunden gibt man ein Küsschen. Oder auch zwei.

Fernsehwerbung für Ferrero Küsschen

Zu den deprimierenden Kennzeichen des allgemeinen Lebensschadens im Lande Barbarien gehört es, dass es den Menschen kaum noch möglich ist, einem anderen Menschen gegenüber Zuneigung auszudrücken. Alle hierfür verfügbaren Wörter und Phrasen sind nicht nur durch die Konvention so blass geworden, dass sie unnötig wortreich und oft in kühler Formelhaftigkeit nichts mehr ausdrücken, sie bringen auch durch die allgegenwärtige sexualisierende Werbung für Parfüms, Pralinen, Eiscremes und Pizzen eine unangemessene und in der Wirklichkeit des Miteinanders völlig unerwünschte Unterschwingung des verschlingenden Konsums in die Mitteilung. Dort, wo Menschen dennoch ihre gefühlsmäßige Nähe verbalisieren wollen, geraten sie in diesem schwierig gewordenen Unterfangen meist in eine sprachliche Retardierung auf kindischem Niveau, die auch kein guter Ersatz für die im gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozess verloren gegangene Ausdruckskraft der Sprache ist, sondern vielmehr dumm, unernst und unfreiwillig komisch wirkt. Doch steht für einen anderen Bereich des emotionellen Ausdruckes mehr als genügend unverbrauchten sprachlichen Materiales zur Verfügung, das sich unverminderter Kraft erfreut: Es ist immer noch möglich, jemanden anders mit klaren und echt wirkenden Worten deutlich zu machen, wie sehr man ihn hasst und verachtet. Wo die sprachlich ausgedrückte Nähe blass und verlogen wirkt, der ausgedrückte Widerwillen hingegen heiß und echt, da ist der Zerfall des Miteinanders bereits geschehen, da sind die Menschen längst Einzelkämpfer auf einem Schlachtfeld voller Überfluss geworden.

Der süße Herr Jesus

Es finden doch seit Paulus in jedem Zeitalter die Christen ihre neue Methode, aus Jesus eine leicht konsumierbare Ware zu machen. Warum sollte dem toten Jehoschua denn auch erspart bleiben, immer wieder für dreißig Silberlinge verkauft zu werden — zumal, wenn er dabei auch noch so lecker ist. Der Mangel an schokoladigem Geschmack war doch schon immer eines der größten Probleme der Hostie im Konsumismus…

Danke für den Hinweis an M.

Zum Klatschen der Hand

Die unter den Bedingungen einer wenig lebensfreundlichen Zivilisation so gern hervorgekramte Liebe zur Natur, in der Regel mit einem Übermaß der Verkitschung verwürzt, sie endet schon beim Anblick einer einzigen Stechmücke.