Tag Archive: Kälte


Supportphrase

Die typische, kalte, pseudohöfliche Supportphrase „Vielen Dank für ihren Bericht, ihr Feedback ist sehr wichtig für uns“ lese ich regelmäßig als „Vielen Dank für ihren Aufschlag im Abgrund, ihr Todesschrei ist sehr wichtig für uns“.

Erfasst

Jedesmal, wenn ich in Pressetexten der Polizei lese, dass ein Fußgänger oder ein Radfahrer „von einem Auto erfasst wurde“, warte ich im Stillen auf den Tag, an dem in solchen auto-totalitären deutschsprachigen Texten endlich „der Fußgänger kam plötzlich vom Bürgersteig und verschwand wortlos unter dem Auto“ steht — und von der gesamten Journaille einfach zitiert wird.

Gleich

„Eine der schlimmsten und kältesten Gemütskrankheiten ist die Gleichgültigkeit vieler Menschen gegenüber der Mitwelt und allen ihren Erscheinungen“, sagte der Vorübergehende zum Traurigen, „aber das ist den Gleichgültigen leider ziemlich gleichgültig“.

Labyrinth

Wenn dir dein Leben wie ein Labyrinth ohne Ausweg erscheint, in dem du dich verlaufen hast, dann wird dir jeder dahergelaufene bürgerliche Esoteriker gern und ungefragt versichern, dass sich das wahre Labyrinth in dir selbst befinde. Dieses Gefaselt erfüllt drei Wünsche auf einmal: Es klingt bedeutungsschwer, weise und wichtig, ohne für den Angesprochenen eine lebenspraktische Bedeutung zu haben; es benennt die Schuld an und die Ursache der konkreten Probleme als einen inneren Vorgang des daran leidenden Menschen; und es ist für den in seiner Situation leidenden Menschen überhaupt nicht hilfreich.

Für S.

Kümmern

Angesichts eines Arztes, der eine kranke, kraftlose und unter Schmerzen leidende, sich mit letzter Energie zum Arzt schleppende, über achtzigjährige Frau an der Praxistür abwies, weil er gerade nicht tätig werden könne, weil es ein Problem „mit dem Server“ gäbe, sagte der Vorübergehende äußerst unhöflich: „Dann kümmern sie sich mal schön um den Server, der scheint es ja zu brauchen“, was beim medizinischen Technokraten aus der Gesundheitshölle schon mehr als nur eine Spur von Wutanfall provozierte. Beim Weggehen sagte er noch zu der Frau: „Dieser Arzt wäre auch im Dritten Reich etwas geworden, nicht so ein Mengele, denn dafür fehlt ihm das Format, aber so ein kleineres, gut von den Zuständen lebendes Ärztchen im Dienste der Volkshygiene“. Und er setzte fort, etwas trauriger: „Die Zustände, die du erlebst, sind die Zustände, die deine Generation geschaffen hat“.

Arbeitstempo

Der Grund, weshalb Computer die ihnen aufgegebenen Arbeiten so übermenschlich schnell verrichten können? Weil sie dabei nicht denken und nicht fühlen. Wer denkt und fühlt, ist langsam, aber macht dafür auch nicht alles, was ihm aufgetragen wird. Jene in der „marktkonformen Demokratie“, die den Menschen in zwölf Jahren zwangsweise verabreichter, vorsätzlich geisttötender Beschulung und sechzig Jahren Massenmedien, Unterhaltung und Journalismus das Denken und Fühlen abgewöhnen, damit sie bessere Batterien für den betrieblichen Produktionsprozess werden, tun alles dafür, dass der Unterschied zwischen Menschen und Maschinen verschwimmt, und sie halten sich selbst wegen ihres verachtenswerten Tuns für Helden, die viel zu wenig geehrt werden. Ihre Kälte nimmt den kommenden Faschismus vorweg.

Ein Lichtlein brennt

Je mehr Herzen in die Welt gestellt und gestempelt werden, desto mechanischer und liebloser wird es unter den Menschen; je mehr elektrische Lichter Kerzen an den Kauftempeln sein wollen, desto dunkler und blinder wird die Zeit.

Handvoll

„Viele Beziehungen scheitern daran“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „dass Menschen allen Ernstes daran glauben, dass sie mit den zwei Handvoll Liebe, die sich ab und an einander geben können, für ihr gesamtes Leben in der kalten Welt haushalten können müssten, statt sich eine andere Lebenswirktlichkeit zu suchen oder zu schaffen“.

Apparat

Es ist dem Kosmos gleichgültig, ob ein Mensch die verborgenen Gründe und Methoden seines Seins und Werdens verstehen kann oder nicht, und ebenso gleichgültig ist es ihm, ob das einem Menschen gefällt. Menschen sind es, die das Problem mit ihrem dummen Narzissmus haben und überall ihr eigenes Spiegelbild zu erkennen vermeinen; vorübergehende Erscheinungen, die wieder entschwinden werden, kaum der Rede wert.

Le jardin de la prison

„Nein“, sagte der Vorübergehende zu seinem Zeitgenossen, „ich will deinen Kleingarten in einem dieser Vereine nicht; nicht einmal geschenkt würde ich ihn haben wollen. Ich weiß jetzt schon, dass ich es nicht übers Herz bringen würde, das ganze ‚Unkraut‘ wegzumachen, in dem immer so viele Hummeln, Schmetterlinge und Bienen sind, und ich weiß, wie meine grobspießigen Alkoholiker von Nachbarn auf diese Störung in ihrem synthetischen Paradies aus den Träumen der Bambi-Naturliebhaber reagieren werden, und ich habe schon vor einem halben Jahrhundert als Schüler gelernt, was ein Leben voll täglichen Mobbings und regelmäßiger Gewalt ist. Lass mich bitte in Würde sterben!“

Wo das Frauenbild herkommt

„Es gab in meinem Leben eine Phase, in der ich eine Menge Geld verdient habe“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „und in dieser Phase wurde ich auch von Frauen als viel attraktiver wahrgenommen, ja, sogar manchesmal scharf und mit äußerst kecken Fingern angegangen, in einer Weise, die, wenn sie umgekehrt von einem Mann ausginge, klar als sexuelle Belästigung betrachtet würde. Ich war kein anderer Mensch als heute, ich habe nicht besser ausgesehen, wenn ich auch aus beruflichen Gründen oft einen feinen Zwirn tragen musste, ich hatte keine anderen Interessen, ich hatte nur Geld. Das reicht, damit die Säfte in die Möse fließen. Und jedesmal, wenn ich über mein Leben und meine Gedanken zu diesem Leben sprach, trat mir eine kalte, professionell anmutende Empathiesimulation gegenüber, die den Rest der durchaus überzeugend aufgeführten weiblichen Darbietung so deutlich entlarvte, dass ich mich davor zu ekeln begann“.

Bitte parken Sie nicht in zweiter Reihe... -- ...im Kurvenbereich Raimundstraße/Mozartstraße -- ...im Kurvenbereich Siemensstraße/Mozartstraße -- ...gegenüber der Einfahrt. Halten Sie hier bitte die Einfahrt frei

Der hannöversche Aldi-Markt an der Ecke Siemensstraße/Mozartstraße (Südstadt) bittet die Anwohner, dass sie beim Abstellen ihrer Autos doch die Verkehrsregeln einhalten mögen. Nein, nicht aus Solidarität mit Rollstuhlfahrern, Gehbehinderten und generell Menschen, sondern weil zurzeit noch eine Baustelle hinzukommt, so dass die Liefereinfahrt regelmäßig nicht mehr mit LKW erreicht werden kann. Denn der Autofahrer in seiner wahnhaften Sucht sagt sich nur: „Sicher, Lebensmittel sind wichtig, aber Parken ist doch auch wichtig“ und parkt asozial und behindernd. Nicht nur ein Autofahrer, sondern im Zweifelsfall jeder. Der Polizei und dem Ordnungsamt der „autofreundlichen Stadt“ Hannover, der Hauptstadt eines Bundeslandes der Bundesrepublik Deutschland, dessen bananenaffiner Ministerpräsident Stephan Weil sich seine Regierungserklärung vor dem Vortrag in der Bütt des Landtages auch mal von VW korrekturlesen lässt, damit VW auch ja nicht darüber verärgert ist, sind die Zustände schon seit Jahrzehnten völlig gleichgültig. Selbst dann noch, wenn in der dritten Reihe geparkt wird. Und die Autos, zunehmend in der modernen Ausführung als SUV-Volkspanzer, werden größer und raumfressender und raumfressender und größer.