Tag Archive: Journaille
Aus jedem Wissen kann einmal zum Können werden; aber aus Nichtwissen wird nichts, außer vielleicht Aberglaube und hilfloses magisches Denken, das mit allerlei Hokuspokus betrogen und ausgebeutet werden kann. Nicht alles, was man versteht, kann man verändern, indem man es aktiv gestaltet; aber man kann nichts aktiv gestalten, was man nicht versteht. Die, die nicht andere Menschen zum Verstehen ermächtigen, sind die, die keine aktiv gestaltenden, freien, glücklichen Menschen um sich haben wollen, sondern Opfer. Man nennt sie Lehrer, und sie werden staatlich besoldet; man nennt sie Pfaffen, und sie werden staatlich besoldet; man nennt sie Journalisten, und sie arbeiten darauf hin, irgendwann auch für ihre Schergenrolle staatlich besoldet zu werden. Wer Einsicht hat, nennt sie Feinde.
Der Vorübergehende sagte zu seinem Zeitgenossen, der auf ein Spiegel-Magazin deutete: „Ja, das sind Qualitätsjournalisten. Und zwar mit Journalistenqualität“.
„Die Macht der Presse?“, sagte der Vorübergehende zum Zeitgenossen laut im gespielt fragenden Tonfall, um grinsend fortzusetzen: „Die spüren vor allem die Weintrauben“.
„Dadurch, dass man Politiker verspottet und möglichst verletzend beschimpft“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „ist noch niemals eine Demokratie gefährdet wurden — aber sehr wohl dadurch, dass man diese Menschen verherrlicht oder auch nur ihre oft intelligenzverachtenden Äußerungen wiedergibt, während alles den Bach runtergeht. Wenn freidrehende politische Klassen den Rest der Bevölkerung verkaufen; wenn ‚Demokratie‘ nur noch darin besteht, dass man unterschiedliche Namen für das gleiche Programm und die gleichen charakterlichen Defekte auf den Landeslisten bekreuzigen darf, dann hat der verkaufte, entmächtigte Rest der Bevölkerung nur noch die Wahl zwischen Schimpf und Schande. Und wer schweigt oder gar zu einer alles verstärkenden Echokammer der bevölkerungsfeindlichen Politik wird, entscheidet sich für die Schande, so wie der gesamte contentindustrielle Journalismus sich schon längst für die Schande entschieden hat“.
Journalisten aus Presse und Glotze, die euch Behauptungen „nach Geheimdienstinformationen“ als Tatsache melden oder derart unseriöse Informationen überhaupt vermelden, belegen in Spiegel eben dieser Staatsfrömmigkeit, dass sie jede Meldung ungeprüft übernehmen würden.
An den meisten Journalisten in der BRD — und an ihren vielen Zulesern und Zuhörern — ist die Pressefreiheit verschwendet.
Der Vorübergehende sagte zu Mitmensch Pressegläubig: „Jetzt, in diesen Tagen, werden die immer noch laufenden Proteste der ‚Gelbwesten‘ in Frankreich ein ganzes Jahr alt, aber dein Journalist erzählt dir lieber in bunten Bildern einen vom Fußball, Hoeneß, Brexit, Johnson und Trump, während die gesamte Gesellschaft eines Nachbarstaates der BRD und EU-Kernlandes lichterloh in Flammen steht. Wenn du denen nachläufst, die dich dumm halten, kannst du dich darauf verlassen, dass du dumm, manipulierbar, entpolitisiert wirst. Vermutlich wirst du hinterher sagen, dass du von alledem nichts gewusst hast“.
Wenn man Journalist ist und den Menschen aus dieser Position die Welt erklären will, dann kann man so etwas wie Organisierte Kriminalität zusammen mit massenhaftem und gewerbsmäßigem Betrug zum Schaden der eigenen Kunden und Steuerhinterziehung natürlich auch mit einem geradezu frivol anmutenden Wort wie „Affäre“ bezeichnen.
Das ist nicht verboten. Und irgendwie muss man es ja nennen, wenn man nicht zu so einem völlig angemessenen Wort wie „Kriminalität“ greifen mag.
Wenn man ein fühlender und denkender Mensch ist und diese gewollt unterschwelligen, aber in der Tat offensichtlichen und intelligenzverachtenden Bezeichnungen Organisierter Kriminalität durch Journalisten wahrnimmt, stellt man dabei allerdings fest, dass der Journalist seine Leser und Hörer mit vorsätzlich manipulativer Wortwahl beeinflussen, verblenden und letztlich belügen will — und dass sich die großformatigen Anzeigen in den journalistischen Produkten auf die ekelhaftest denkbare Weise völlig nahtlos in den redaktionellen Teil einfügen und ein Produkt aus einem Guss ergeben.
Jene, die das Wort „Lügenpresse“ so energisch zurückgewiesen haben, sind keine Wahrheitspresse.
Politischer Journalismus besteht zu einem Großteil seiner Tätigkeit darin, die schlechte Bekämpfung derjenigen Brände anzuprangern, die man selbst anzuzünden mitgeholfen hat — gern auch mit übertrieben ausgiebigem Ausschütten von Brandbeschleunigern über die gesamte Gesellschaft. Eine von Pyromanen betriebene Feuerwehr hat immer etwas zu tun und kann sich leicht als unentbehrlich darstellen.
„Ach, der Focus“, sagte der Vorübergehende einem Mitmenschen, der angstvoll wiedergab, was die gelesenen Nachrichten ihm in den Kopf pflanzten, „das ist doch diese Burda-Zeitschrift, die nur deshalb ihre sinkenden Verkaufszahlen überlebt, weil sie überall in den Wartezimmern der Arztpraxen ausgelegt wird, um dort den Patienten vor der Behandlung den Rest zu geben“.