Mit jemanden zusammen zu sein, der nach der Wahrheit sucht, ist viel anregender, belebender und dabei doch entspannender, als mit jemanden zusammen zu sein, der unabrückbar fest davon überzeugt ist, die Wahrheit längst gefunden zu haben. Egal, was seine „Wahrheit“ ist.
Tag Archive: Fundamentalismus
„Warum sollten sich die Taliban nach ‚westlichen Werten‘ richten?“, unterbrach der Vorübergehende den Nachschwätzer der Journalistenworte, und er setzte fort: „Nicht einmal die römlisch-katholische Kirche in der BRD richtet sich an den so genannten ‚westlichen Werten‘ aus, von richtigen christlichen Fundamentalisten ganz zu schweigen — und wenn die alle nur so könnten, wie sie wollen und in der Vergangenheit schon jahrhundertelang konnten und taten, dann erlischt das bisschen zivilisatorisches Licht ganz schnell“.
Pat Robertson, ein in den Vereinigten Staaten eines Teils von Nordamerika sehr bekannter christlich-fundamentalistischer Fernsehprediger und Ig-Nobelpreisgewinner des Jahres 2011 für Mathematik, hat sich neben der üblichen Dämonisierung von Andersgläubigen, Beschimpfung von Homosexuellen und Verbreitung von Verschwörungstheorien nicht nur ein bisschen bei seiner Bibellektüre verrechnet, als er das Ende der Welt für den Zeitraum von Oktober bis November 1982 voraussagte, er hat sich von diesem kleinen Misserfolg im Prophetenhand auch nicht vom weiteren Prophezeien zukünftiger Ereignisse abhalten lassen. Kurz vor dem Beginn der Hurrikan-Saison 1998 hat er Bürger und Verwaltung von Orlando (Florida) dazu aufgefordet, nicht das Schwulenfestival „Gay Days“ zu unterstützen, weil diese ganzen sittenlosen und unschuldige Leute zum Abfall verführenden Schwulen seinen Gott geradezu dazu auffordern würden, die Stadt mit Hurrikans und Tornados heimzusuchen.
Der erste Hurrikan des Jahres 1982 hat ausgerechnet das Hauptquartier Robertsons in Virgina Beach zerstört. Pat Robertson sagt von solchen Fingerzeigen seines zerstörerischen Gottes völlig unverblendet immer noch das Kommende voraus, und er hat immer noch genug offenbar gut zahlende Anhänger, die sich seinen knüppelfromm verpackten Quatsch anhören. So schade, dass Intelligenz nicht unter den Früchten des Hl. Geistes aufgeführt ist.
Die Fundamentalisten kann man daran erkennen, dass sie jedes ihrer eigenen Hirngespinste als „Gottes Wort“ — oder bei Ideologen: als „Wissenschaft“ — ausgeben, und bei alledem nur darauf bedacht sind, alle anderen Menschen unter dem Deckmantel der Religion oder Wissenschaft dazu zu zwingen, genau so zu denken wie sie selbst. Dabei interessieren sie sich für nichts weniger als für ihre jeweiligen hl. Bücher (aus denen sie aber gern leckere Rosinchen zur Abfütterung ihrer billigen Psyche picken) oder für die Wissenschaft (aus der sie aber bevorzugt das Unklarste, Grenzigste und Ungesichertste nehmen, weil es sich beliebig verbiegen lässt und dabei immer noch ein bisschen wie Wissenschaft ausschaut).
In der Bibel werden an neun Stellen Einhörner erwähnt, aber an keiner Stelle kommen Katzen vor. Mehr muss man zu christlichen Fundamentalisten nicht sagen.
„Du bist gar nicht so dumm und unwissend“, sagte der Vorübergehende zu seinem von Selbstzweifeln zerfressenen Zeitgenossen. „Immer, wenn du dich für dumm und unwissend hältst, solltest du dich daran erinnern, dass es erwachsene, gebildete und lebenserfahrene Menschen auf der Erde gibt, die jedes Medium und damit jedes Wissen zur Verfügung haben, das in der gegenwärtigen Zivilisation bereitsteht, und die trotzdem allen Ernstes daran glauben, dass ein Pinguinpaar den ganzen Weg von der Antarktis bis in den Nahen Osten gewandert ist, damit es in die Arche Noah kommt“.
Jeder, der für „Gott“ tötet oder auch nur gesellschaftliche Zustände herbeisehnt, in denen der „Wille Gottes“ zum verbindlichen, mit Staatsgewalt durchgesetzten Gesetz für jeden Menschen wird, deklariert in dieser Geste eines dumm und fröhlich in die Welt hinaus: Dass er seinen „Gott“ in Wirklichkeit für viel zu klein und kraftlos hält, zu töten und seinen Willen durchzusetzen. So oft kann die Größe dieses „Gottes“ gar nicht lautschreihälsig beschwören werden, dass dieser offenbare Wahnsinn dahinter versteckt werden könnte — in der religiösen Gewalt, sei sie staatlich oder kriminell den anderen Menschen aufgezwungen, spiegelt sich deutlich des blasphemische, gleichermaßen gottesverachtende wie menschenverachtende Zug der Religion selbst.
Als der religiöse Fundamentalist zu ihm sagte: „Der Heilige Geist macht mich zu einem Licht, das in diese Welt hineinscheint“, da musste sich der Vorübergehende unwillkürlich vorstellen, wie ein brennender Kerzendocht in diesem Menschen steckt; nicht irgendwo versteckt, sondern schön oben auf dem Kopf, zum Leuchtturm für die Restwelt, gerade so dass das Gehirn auch ja als erstes vom Feuer aufgezehrt wird.
Christliche religiöse Fundamentalisten, nachdem sie erst einmal damit begonnen haben, die alten hebräischen Legenden für eine wortwörtliche Wahrheit zu halten, versuchen, den Sündenfall wieder rückgängig zu machen, indem sie sich die „Frucht der Erkenntnis“ nicht schmecken lassen, sondern sie mit aller Gewalt wieder herauswürgen, damit sie auch so richtig bratze dumm sein können. Doch selbst nach dieser energischen Hirntötung — in keinem ihrer Liederbücher findet sich auch nur ein jubilierend Wort des Dankes für den autonomen, planenden und Wege eröffnenden Verstand — sind sie noch nicht so steinhaft bewusstlos, dass sie nicht mehr ihre eigene Sterblichkeit erahnen würden, und deshalb nehmen sie es der Eva so übel, nicht von diesem Unsterblichkeitsbäumchen genascht zu haben, dass ihr Frauenhass in allen ihren geäußerten Gesellschaftsideen greifbar wird.
[Entschuldigung für das Bekenntnis zum schlechten Geschmack, hier ist noch ein Direktlink auf YouTube. Es ist übrigens die einzige Folge, in der der Wile E. Coyote Erfolg hat und den Roadrunner kriegt…]
Religiöse Fundamentalisten erscheinen in ihrer Feindschaft zur Wissenschaft und in ihren Forderungen nach Unterdrückung naturwissenschaftlicher Bildung in der Schule immer ein klein wenig so, als ob sie als Kinder zu häufig die Road-Runner-Cartoons im Fernsehen gesehen hätten. Der dort gepflegte running gag, dass Wile E. Coyote in der Luft stehen bleibt und erst dann unter der Wirkung der Gravitation in die Schlucht stürzt, wenn er seine eigene Position sieht und als Verstoß gegen ein Naturgesetz bemerkt, ist ein sehr gutes Spiegelbild der kindischen Haltung dieser religiösen Fundamentalisten zur wissenschaftlichen Erkenntnis; der infantile Glaube, dass Dinge so lange keine Wirkung und Wirklichkeit hätten, so lange man nur nichts von ihnen weiß. Welch eine unvorteilhafte Haltung zum menschlichen Potenzial, allen Ernstes zu glauben, dass Dummheit eine Erweiterung der eigenen Möglichkeiten ist!
Die Klassifikation der Antibabypille als eine Form der „Abtreibung“, wie sie zurzeit von einigen Religioten¹ in den USA als Propaganda vorangetrieben wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Am Ende dieses Weges, wenn man ihn nur beherzt voranschreitet, steht, dass man Ordensleuten und röm.-kath. Priestern in schreienden Tönen moralisierender Inbrunst entgegenskandiert: „Zölibat ist Mord am noch nicht gezeugten Leben“.
Und dann vermehren wir uns alle wieder wie die Karnickel. Sicher, jene, die noch nicht völlig verdummt sind, stellen dabei fest, dass exponentielles Wachstum auf begrenztem Raum nicht möglich ist und halten die sich abzeichnenden Nöte keineswegs für unanwendbar. Aber kein Problem, die klassischen Freunde des Gottes aller Christen, Elend, Siechtum und Hunger; sie sorgen schon wieder ganz von allein für ein Zurechtschrumpfen der Menschheit — und was ist schon das „bisschen Leid im irdischen Jammertal“ gegen eine Ewigkeit im christlichen Wolkenkuckucksheim?!
¹Nicht jeder religiöse Mensch würde von mir mit diesem Kofferwort aus „Religion“ und „Idiot“ als ein „Religiot“ bezeichnet werden. Aber diese Menschen. Immer.