Tag Archive: Feudalismus 2.0


Das Volk hat gesprochen, ich wasche meine Hände in Unschuld

Es hat schon einen hohen realsatirischen Liebreiz, wenn ein Politiker, der von einer S/M-Website verbannt wurde, weil er ein Abstimmungsergebnis nicht akzeptierte und deshalb dort seine offene Sympathie und sein Lob für einen gewalttätigen und destruktiven Mob in die Welt setzte, sein Propagandainstrument auf ebendieser S/M-Website zurückerhält, weil der Besitzer dieser Website eine Abstimmung auf dieser Website abhalten ließ, um seinen Gutsherrenwillen als Volkswillen darstellen zu können.

Wunschkonzert

Die Herrschenden und Besitzenden, wenn sie mit jenen Menschen im Lande sprechen, zu denen sie sich aus guten Gründen längst schon nicht mehr richtig zählen; sie wollen nur Applaus hören, keinen Widerspruch, keinen Hinweis auf ihre Verantwortung für die Zustände und auch keinen neuen Gedanken. Und dementsprechend sind die Situationen solcher „Gespräche“ gestaltet, einschließlich der bereitstehenden Polizeibeamten mit ihren jetzt noch härteren Knüppeln für mehr Sicherheit. Wer darauf hereinfällt und sich deshalb für „gesprächsbereit“ und „demokratisch“ hält, ist wie jene längst im neuen Feudalismus mit seiner kernkorrupten Parteienoligarchie angekommen.

Feudalisten

Die Feudalisten aus der Classe politique der Bundesrepublik Deutschland und ihre Günstlinge werden charakterlich immer mehr wie der Dieb, der vor Gericht mangels Beweisen für seinen Diebstahl von hunderttausend Euro freigesprochen wurde und nach seinem Freispruch kackfrech und öffentlich den Richter befragte, ob er das Geld jetzt behalten dürfe — und sie kommen damit durch.

Blickrichtung

Die Herrschenden und Besitzenden in der BRD (und in den meisten so genannten „westlichen Demokratien“) haben die Vergangenheit im Sinn, und sie haben die Zukunft zu den Akten gelegt, statt es umgekehrt zu handhaben. Und genau so sieht es aus. Statt Gestaltung gibt es Verwaltung, statt Entwicklung gibt es Verwicklung, statt gesicherter Existenz für alle Menschen gibt es gesicherte Privilegien für Herrschende und Besitzende. Wer nicht dazu gehört, darf sich mit scheibchenweise immer existenzielleren Problemen wegen seiner Verarmung herumschlagen und muss sich zum Spott von den Presseschreibern auch noch vorhalten lassen, dass er nicht froh und stolz genug ob der Möglichkeiten und der obszönen Prachtentfaltung Weniger ist… oh schau nur, jetzt gibts schon Weltraumtourismus! Selbst der scheinbare Widerstand dagegen, der sich selbst als progressiv versteht, ist bourgeois geworden: Gerechtigkeit soll es nur noch in Wörtern, Wortendungen und Sonderzeichen geben.

Community-Richtlinien

Es gibt in social media keine „Community-Richtlinien“ in dem Sinne, dass sich die Gemeinschaft selbst Richtlinien gegeben hätte, anhand derer sie ihr Miteinander gestaltet. Das Wort ist eine hirnfickerische Lüge, die leider viel zu oft wiederholt wird, als sei sie wahr. Es sind „Richtlinien“ eines digitalen Gutsherren, der nach Gutsherrenart entscheidet und je nach Bedarf oder geschäftlichen Möglichkeiten sein selbst gesetztes Gesetz beliebig anpassen darf, was die „Community“ nur abnicken kann. Oder etwas einfacher: Es ist „gutes altes“ Hausrecht. Dass der digitale Gutsherr sich hinstellt und faselt, als sei dieses Hausrecht aus der „Community“ entstanden und seine eigene Herrschaft so indirekt mit einem „Willen der Community“ begründet, ist nichts als eine dumme propagandistische Metapher für autokratische Tyrannei, und dass dieses fundamentalfalsche Wort „Community-Richtlinien“ von so vielen Menschen (und vor allem: so vielen Journalisten) unreflektiert übernommen wird, ist ein Spiegelbild der Unterordnung unter die Herrschaft eines Tyrannen. Nichts ist so antidemokratisch und antisozial wie social media.

Der Mondtourist

Ich wünsche mir von ganzem Herzen und mit ganzem Gehirne, dass der gewiss schwerreiche Mensch — er wird sicherlich mehr Geld zur Verfügung haben, als er während seiner Lebensspanne ausgeben kann, aber er mag nichts davon verschenken, denn vom Schenken hat er es ja nicht — der in Kürze eine touristische Visite um den Erdmond herum machen wird, bei dieser Reise tödlich verunglückt.

Dieser Wunsch ist völlig frei von jedem Hass und wird auch nicht durch Neid angetrieben.

Deshalb soll es dabei auch gar nicht zu unnützem Leiden kommen. Wer immer dieser obszön reiche Mondtourist ist, er möge hoch hinaufsteigen und luzifergleich in die Nacht hinein leuchten, wenn sein Leib vaporisiert, noch bevor eine scheußliche Vorstellung wie die des Todes oder auch „nur“ des Schmerzes sein Gehirn erreicht. Ja, so lange er noch in der zerbrechlichen, künstlich nachgemachten Erdatmosphäre seines Raumfahrzeuges lebt, möge er sich über seine sicherlich nicht billige, aber aus seiner Sicht den Preis wohl werte Reise freuen.

Als eines der teuersten Feuerwerke der bisherigen Menschheitsgeschichte möge er zusammen mit den flüssigen und verdampfenden Metallteilchen seiner Raumkapsel kurz und unübersehbar das Firmament erleuchten, um grell und schrecklich in die Finsternis der Menschheit hineinzustrahlen und so gründlich vernichtst zu werden, dass die anschließende „Bestattung“ zur reinen Farce wird; da helfen dann auch nicht mehr die scharf gestellten Fernsehkameras für die voyeuristischen Massen in ihrem niederträchtigen Versuch, Tränen und Gefühle einzufangen.

Ein Signal soll es sein, kurz und lautlos und unübersehbar.

Ein Signal an alle anderen überaus reichen Menschen, die so viel mehr haben, als sie während ihrer beschränkten Lebenszeit sinnvoll ausgeben können.

Ein Signal, das ihnen unverdrängbar klarmacht, dass sie die Erde nicht so leicht verlassen können. Ein Signal, das ihnen aufzeigt, dass der Weg zu den Sternen gefahrvoller und schwieriger als jeder Weg auf der Erde ist, selbst, wenn man, anders als der größte Teil der Menschheit, über Geld nicht nachdenken muss. Ein Signal, das ihnen Zeugnis davon ablegt, dass ihr psychisches Paralleluniversum eine dumme, lulle und klebrige Illusion ist; dass es auch für sie keine zweite Erde gibt, für welche man die alte Erde wegwerfen kann, nachdem sie für einen Berg Geldes vollständig ausgebeutet, ausgelutscht und verbrannt wurde.

Ein Signal, dass sie so nicht unbegrenzt weitermachen können, weil sie im gleichen Boot wie der Rest der Menschen sitzen.

Nur, wenn dieses Signal durch ein gnädiges technisches Versagen oder vermittels einer weise vorgenommenen Sabotage gegeben wird und — der ebenfalls schwierig wie die leeren, schwarzen Weiten des Weltraumes überwindbaren psychopathischen Abwehr zum Trotze — bei den anderen, so überaus reichen Menschen ankommt, nur dann wird die Reise des ersten Mondtouristen sinnvoll für andere, wird sie zu mehr als etwas Content, mit dem Presseverleger Werbeplätze vermarkten und eine Fußnote in den künftigen Büchern, die Technik- und Raumfahrtgeschichte dokumentieren.

Nur, wenn jene wenigen Menschen, die den Großteil der Güter der Erde ihr Eigentum nennen und doch nicht mit einer gütigen Geste Armut und Elend so weit es Menschen möglich ist vom Antlitz der Erde verschwinden lassen, ohne dafür auch nur auf etwas verzichten zu müssen, sondern ihr Eigentum immer mehr zu mehren trachten, bemerken müssen, dass ihr zynisches, oft menschenverachtendes Monopoly-Spiel spätestens die Grenzen ihres Planeten als Grenze hat, eröffnet sich eine ganz leise Chance auf einen Wandel.

Auch, wenn diese Chance wahrscheinlich nicht ergriffen wird; auch, wenn der Nebel der Verdrängung und die Macht der Gewohnheit, diese beiden zivilisatorischen Feinde in der Psyche des Menschen, für ein schnelles Vergessen sorgt: Diese Chance ist immer noch mehr als das Nichts, das ein „Erfolg“ dieser „Mission“ für die Menschen auf der Erde bereithielte.

Und deshalb wünsche ich mir ein schreckliches, tödliches Unglück für einen anderen Menschen.

Ohne Neid auf diesen Menschen.

Ohne Hass gegen diesen Menschen.

Und eigentlich auch völlig ohne Hoffnung.

Milliardäre aus der Wirtschaft senden ihre Lobbyisten in die Parlamente, um den Millionären aus der Politik in jeder nur denkbaren Weise zu erzählen, dass der Rest der Bevölkerung in erster Linie gierig sei und in seiner Gier aufgehalten werden müsse, während die Mehrung der angesammelten Milliarden der Milliardäre ein Gebot der Vernunft und Verantwortung sei. Zur besseren Wirkung (teilweise sogar auf die damit in ihrer Intelligenz beleidigten Anteile der Bevölkerung) wird genau die gleiche Erzählung immer und immer wieder in Presse und Glotze wiederholt, wiederholt und wiederholt, bis sie wie eine Wahrheit aussieht.