Die einen essen die Lebensmittel, die im Müll landen, die anderen essen den Müll, der in den Lebensmitteln landet.
Tag Archive: Ernährung
Es geht wirklich einfach: Vermeide jedes Nahrungsmittel, für das Werbespots im Fernsehen laufen oder für das bei Sportveranstaltungen mit Fernsehübertragung Bandenwerbung (oder eine vergleichbare Form der Reklame) gemacht wird!
Diese Reklame wird zurzeit massenhaft in hannöversche Briefkästen verklappt — und der Aufforderung, bloß nicht ein Buch zu kaufen, dass so angepriesen wird, kann ich mich nur anschließen:
Was dieser Mensch im Eisloch mit seinem dekorativ drappierten Obstteller, der angebissenen Banane und dem fruchtigen Saftglas in der Hand anzubieten gedenkt, steht ja weiter unten: Etwas über einen „natürlichen Kraftstoff für Blut, Kreislauf und Gesundheit“. Damit nicht jemand denkt, er meine damit leicht verdauliche Kohlenhydrate (wie etwa Zucker), steht der Name des natürlichen Körperbenzins auch gleich darüber: „Arginin“, eine auch in gewöhnlichen Nahrungsmitteln nicht gerade seltene oder ungewöhliche Aminosäure.
Wer das Bild ohne die mit Photoshop nachträglich eingebauten Früchte sehen möchte, wird bei der Hamburger Boulevardpresse fündig, die in ihrer Themenauswahl eben nicht so wählerisch ist.
Auf der Rückseite der aufwändig gestalteten Hochglanzreklame gibt es dann noch einige „Informationen“, die zum Kauf des Buches verleiten sollen:
Zunächst steht hier in einem gebremst kecken Einfall des Werbers die Fortsetzung der Aufforderung von der Vorderseite: „…denn es könnte ihr Leben verändern“, und zwar so über dem Text gestempelt, dass man den Text im oberen Absatz nur noch mit Mühe lesen kann. Das ist auch besser so, denn das verbirgt elegant die Inhaltsleere des darin Gesagten. Soweit ich diese professionelle Lüge — denn nichts anderes ist Werbung, und zwar immer — trotz der miesen Layout-Idee entziffern kann, gebe ich sie hier mit satirischen Anmerkungen gewürzt wieder.
Die Medien adelten ihn mit dem Prädikat: „Hamburgs härtester Arzt“.
Wenn ich einen Arzt suchte, wäre mir ein fähiger Arzt lieber als ein harter.
„Die Medien“ heißt hier übrigens, wenn man sich einmal auf leidlich renommierte Medien beschränkt: „Die Hamburger Morgenpost“. Ohne jeden Zweifel ein bekanntes Printmedium, ganz unbestritten. Ob man sich jedoch gleich „geadelt“ fühlen muss, wenn man darin für erwähnenswert befunden wird, ist eine ganz andere Frage.
Wer mitten im tiefsten Winter in Eislöchern badet, hat sich das verdient. Typisch für Frank Jester.
Wer nicht mit ungewöhnlichen Behandlungserfolgen auf sich aufmerksam machen kann, muss eben die Aufmerksamkeit „der Medien“ durch Betreiben ungewöhnlichen Sports auf sich ziehen. Typisch für Frank Jester.
Vermutlich führt seine im späteren Verlauf dieses Textes angepriesene „Ernährungsberatung“ zu so wenig Verbesserung des Immunsystemes, dass er für sich persönlich lieber auf diese bewährte und recht volkstümliche Form der Immunstimulanz setzt.
Der Arzt Johann Wolfgang von Goethe, der auch das Eis der Ilm aufgebrochen hat, um des Winters ein kaltes Bad zu nehmen, ist zum Glück für die deutsche Kultur mit anderen, ja, mit richtigen Leistungen bekannt geworden.
Ebenso wie seine Freundschaft mit „Mister Sir Vival“ Rüdiger Nehberg.
Auch wenn man es bei einem Menschen, der seine Mitwelt mit dermaßen dummer Reklame belästigt, kaum für möglich gehalten hätte: Er hat immer noch Freunde.
Mit dem Abenteuer-Altmeister schipperte er per Sperrmüllfloß und in ZDF-Begleitung die Elbe herunter.
Das ist auch gut so, denn so kann er sich auch noch mit den Abenteuern anderer Menschen in seinem Reklametext brüsten und dabei durch unpassenden Kontext den subtilen Eindruck erwecken, er hätte irgendetwas damit zu tun. Irgendwie muss die gebieterische weiße Papierfläche ja mit Text gefüllt werden, und die eigenen Erlebnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Herrn Frank Jester scheinen für diesen Zweck nicht so viel herzugeben.
Auch Fahrradtouren von Hamburg nach Marokko, zum Nordkap, nach Russland und gar Indien hat Frank Jester im Erfahrungsrepertoire.
Ansonsten: Auch mit einem Fahrrad fahren kann er. Und so lange er genügend Geld mit dem Verkauf irgendwelcher auf Hochglanzreklame nervig beworbener Bücher verdient, kann er sich völlig auf solche Freuden des Lebens konzentrieren, statt sich seine Brötchen als ganz harter Arzt verdienen zu müssen.
Nicht zu vergessen, den 5.500-Kilometer-Trip rund um die Ostsee. Besonderheit: Im Gepäck nichts weiter als rohes Obst und Gemüse.
Allerdings sollte er sich zwischendurch auch noch von jemanden mit Kompetenz erzählen lassen, dass es fast überall in der Nähe menschlicher Siedlungen die Möglichkeit gibt, Nahrungsmittel zu erwerben. Dann muss er sich seinen Rucksack nicht mit ungekochtem Obst und allerlei Gemüse befüllen, sondern kann stattdessen mehr Dinge hineintun, die auf einer solchen ausgedehnten Reise nützlich und praktisch sind. Zum Beispiel etwas Kleidung zum Wechseln.
Da gerät seine Präsenz im Guinessbuch der Rekorde fast schon zur Petitesse. Dort ist er als Konstrukteur des weltweit kleinsten Buddelschiffes verewigt.
Fasse ich an dieser Stelle mal zusammen:
Was das hier angepriesene Buch von Frank Jester nach Meinung des Werbers für mich interessant machen könnte, ist also, dass dieser Frank Jester…
- …einen volkstümlichen Wintersport betreibt,
- …jemanden kennt, der schon einmal im Fernsehen war,
- …in fitzeliger Fummelarbeit millimeterkleine Modellschiffe in gleichfalls winzige Flaschen zu frickeln vermag, und dass er
- …Fahrrad fahren kann.
Oder, um es mit den Worten des Werbers zu sagen:
All das zeigt, dass der Hamburger Arzt, Privatzahnarzt und Heilpraktiker kein Theoretiker ist.
Fehlt eigentlich nur noch der Hinweis, dass er auch Skatspielen kann, ganz praktisch, versteht sich. Das ist für seine Tätig- und Tätlichkeit als Arzt, Privatzahnarzt (also Anbieter von „zahnärztlichen“ Leistungen, die von den Krankenkassen nicht übernommen werden) und Quacksalber genau so relevant wie alle anderen im Text benannten Dinge.
Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit — Entgiftung, Entschlackung und Ernährungsberatung — gesellt sich seit einigen Jahren die intensive Beschäftigung mit dem „Wundermolekül“ Arginin.
Deshalb schnell noch einige Worte zu seinen eigentlichen Themen: Die angebliche Entfernung von medizinisch völlig unbekannten Giften und Stoffwechselrückständen aus dem Körper. Desweiteren Ratschläge zur Ernährung, von denen allein schon wegen des wider besseren Wissens (er ist Arzt) dargebotenen Unsinnes von der „Entschlackung“ Abstand genommen werden sollte. Der Gesundheit zuliebe. Außer, man möchte zum Rohkostanbeter werden. Und natürlich zu seinem Wundermolekül, einer für den Organismus zwar wichtigen, aber in gewöhnlicher Nahrung nicht gerade seltenen Aminosäure.
Selbstverständlich praxisbezogen.
Und natürlich nimmt man diese Aminosäure immer ganz praktisch mit der Nahrung auf, und man führt sie sich nicht durch theoretische Erwägungen und meditatives Selbstversenken zu. Ob das allerdings gegen die kontrastarm im Hintergrund gedruckten Krankheiten und Unpässlichkeiten wie „Diabetes mellitus“, „Arthrose“, „Konzentrationsschwächen“, „erektile Dysfunktion“, „Multiple Sklerose“ oder „Zahnfleischbluten“ hilft, gehört zu den Fragen, die dieser sonst so schwafelige Text lieber nicht streifen möchte.
Hamburgs härtester Arzt wird auch da ganz eisern am Ball bleiben.
Herr Frank Jester wird auch weiterhin versuchen, die durch solche Reklame erweckte Hoffnung kranker, leidender, verzweifelter Menschen zu versilbern. Mit einem harten Herz aus Eisen. Gleich neben der heftig bimmelnden inneren Registrierkasse.
Der Zeitgenosse sagte dem Vorübergehenden, dass er seine Hunde jetzt nur noch vegetarisch ernähre. Und der Vorübergehende wunderte sich. Dass der seinen Hunden immerhin noch erlaubte, ein Fell zu tragen.
Als der Esoteriker dem Vorübergehenden seine alles in allem schon recht komplizierte Ernährung erklärte, bemerkte der Vorübergehende im Laufe der Zeit, dass er es so genau gar nicht wissen wollte, unterbrach den Redeschwall des Zeitgenossen aber aus Höflichkeit mit einer scheinbar interessierten Frage: „Wozu machst du das?“ — „Um den Körper zu reinigen“, antwortete der Esoteriker mit einem sehr gewissen Klang in seiner Stimme; ganz wie einer, der nicht mehr sein Körper ist, sondern sich des Körpers nur wie einer Ware bedient. Und der Vorübergehende sagte: „Und ich Depp mache das immer unter der Dusche.“