Was die tiefbürgerlichen Straßenblockierer nicht verstehen: In der Bundesrepublik Deutschland mit ihrem seit dreißig Jahren parteiübergreifend durchgesetzten politischen Willen, großen Teile der arbeitenden Bevölkerung scheibchenweise immer weniger Kaufkraft für ihre Arbeitsleistung auszuzahlen, muss man sich die Angst vor einer Klimakatastrophe erst einmal leisten können — ganz im Gegensatz zur Angst vor Obdachlosigkeit, Krankheit, Altersarmut, Hunger oder fieser Willkür der Sozialbehörden.
Tag Archive: Armut
Angesichts der vielen und brutalen Ausschreitungen in der Silvesternacht ist es bemerkenswert, dass populistische Politiker die Frage nach der Herkunft der Täter aufwerfen, weil „Herkunft“ nun einmal weniger deutlich als „Rasse“ klingt und nicht zu sofortigen Zuckungen im rechten Arm führt, aber niemals die Frage aufwerfen, ob nicht die allermeisten dieser Täter nur noch ein Leben in der seit einem Vierteljahrhundert im Geiste der einstigen Schröder-Fischer-Regierung von allen Parteien explizit politisch gewünschten und mit brutalem politischen Gestaltungswillen hergestellten lebenslangen Armut und Aussichtslosigkeit nennenswerter Anteile der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland vor sich sehen. Dass Menschen mit gesicherten Lebensumständen unter den Tätern waren, ist unwahrscheinlich, dass etliche unter der bürgerlich-rassistischen Erklärung eher unpassende Mittäter deutscher Herkunft einfach nur verarmt und dauerhaft verzweifelt sind, hingegen eine sichere Wette. Dem Ohn-Mächtigen, der wenigstens vorübergehend ein Gefühl von Kontrolle und Macht in seinem Leben erfahren will und dem die vom Arbeitsmarkt abgelöste Gesellschaft keine Belohnung fürs Wohlverhalten mehr glaubwürdig versprechen kann, bleibt nur die Option der Gewalt, und die Kombination aus leichtem Hunger und schwerer Existenzangst macht zusätzlich böse.
Die öffentliche Wohltätigkeit von Milliardären ist keine Wohltätigkeit, sondern PR, die von Ausbeutung, widerlichen Arbeitsbedingungen und miesen Löhnen ablenken soll. Wer andere Menschen wie Menschen behandelt und sie angemessen für die von ihnen geleistete Arbeit bezahlt, wird vielleicht trotzdem noch ein gutes Geschäft dabei machen, aber er wird kein Milliardär.
„Jemand, der dir für deine Arbeit den Mindestlohn bezahlt“, sagte der Vorübergehende zum Bruder im Staub, „will dir damit sagen: Ich würde dir am liebsten noch weniger bezahlen, aber das wäre leider illegal“.
Quamquam ridentem dicere verum quid vetat.
Horaz
Gegessen zu haben, sich zurückzulehnen, einen Restgeschmack im Mund und ein wohliges Gefühl der Wärme dort wahrzunehmen, wo eben nur noch Kohldampf war, löst ein tiefes Befriedigungsgefühl aus, das sich durch Propaganda, Ablenkung, Durchhalteparolen, Scheinpolitik, Populismus und sonstiges Staatstheater nur sehr kurzfristig und auch dann nicht im vergleichbaren Maß substituieren lässt.
Am Ende bleibt da nur der Strang um euren Hals, der bei den von euch beraubten und entrechteten Menschen schließlich auch ein tiefes Befriedigungsgefühl auslösen kann.
„Natürlich kannst auch du armgeborener auf der Leiter des gesellschaftlichen Erfolges ein paar Sprossen überspringen“, sagte der Vorübergehende zum jungen Zeitgenossen, „aber leider nur beim Abstieg“.
„Eines der wenigen Nahrungsmittel, die in den drei Monaten nicht um mindestens zwanzig Prozent teurer geworden sind, sondern nach wie vor eine erfreuliche Preisstabilität haben“, sagte der Vorübergehende zynisch grinsend zu seinem Zeitgenossen mit dem im Journalismus eingelegten Gehirn, „sind Kartoffelchips. So können sich die Hartz-IV-Empfänger mit ihrem Vorinflations-Warenkorb auch weiterhin durch intelligente Ernährung vor den drei gefährlichsten Mangelerscheinungen bewahren: Salzmangel, Fettmangel und Kalorienmangel“.
„Ich wollte“, sagte der Vorübergehende zum ebenfalls armen Menschen, der sich aber noch vor seinem Staat und seinem Hartz-IV-Terrorsystem bückt und Angst vor dem Abstieg des Vorübergehenden hat, „dass die Tagesschau des BRD-Parteienstaatsfernsehens ARD die Preissteigerung bei einfachen niederpreisigen Lebensmitteln um rd. vierzig Prozent in den letzten zwölf Monaten genau so breit und wichtigmachend thematisiert hätte wie die jüngste, etwas geringer ausfallende Steigerung der Benzin- und Dieselpreise. Hat sie aber nicht. Gar nicht. Und im Spiegelbild dieses Relevanzkriteriums zeigt sich, was wir von den Journalisten in der Tagesschau-Redaktion zu erwarten haben. Sie haben wichtigere Themen. Sport und Autos zum Beispiel“.
Diese nicht so häufig aufgeworfene und kein journalistisches Relevanzkriterium erreichende Frage, ob Menschen in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich mit oder an ihrer politisch geforderten und geförderten Armut sterben…
Eines der unentbehrlichen Nahrungsmittel der Verarmten und Niedriglöhner in der BRD, die Nudel aus Hartweizengrieß, wurde von allen Lebensmitteldiscountern quasi gleichzeitig um über dreißig Prozent teurer gemacht. Wo bleiben eigentlich diese Kartellbehörden, die solche Preisabsprachen doch verhindern sollen, wenn man sie mal braucht?
Die Paradiese der Reichen sind ein Spiegelbild der Hölle der Armut.