„Schau dir mal diesen Aushang mit dem Apotheken-Notdienst für Hannover an“, sagte der Vorübergehende zu seiner Zeitgenossin, „bei dem die Apotheken der Stadt in nummerierten Gruppen aufgelistet sind. Dabei wird neun, zehn, elf, zwölf, vierzehn, fünfzehn gezählt, denn keiner dieser Apotheker scheint in einer Gruppe dreizehn sein zu wollen. Diese Kleinigkeit ist ein Spiegelbild der Tatsache, dass es sich bei den Apothekern um abergläubische Quacksalber handelt, und um nichts anderes. Der Rest ist Lüge und Reklame“.
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Als der Vorübergehende in eine Apotheke ging, deren Schaufenster mit Reklame für homöopathische Geistheilungsprodukte vollgestellt war, quacksalberische Scheinmedikamente, die allesamt mit den Geistern einer vollständig herausgeklopften Substanz zu „heilen“ versprechen und dabei zu allem Überfluss so angepriesen werden, als seien es Naturheilmittel, war er überdrüssig, diesen gefährlichen Unfug einfach hinzunehmen. Er hängte er sich zwei Gummibänder um die Ohren, bevor er eintrat. Aber in der Apotheke wollten sie seine „homöopathische Maske“ nicht akzeptieren und forderten, dass er sich eine „richtige“ aufsetze.
„Die wissen also genau, was sie tun“, sagte der Vorübergehende hinterher, als er diese alberne Schmonzette zum Besten gab, und er setzte fort: „Was man sich bei diesen Scharlatanen und offenen Quacksalbern des Apothekenwesens niemals abholen sollte, wenn man an seinem Leben hängt, ist eine Beratung zu Gesundheitsthemen und Medizinprodukten“.
Diese im innern Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft, Menschenbefinden umzuändern und daher Krankheiten zu heilen, ist an sich auf keine Weise mit bloßer Verstandes-Anstrengung erkennbar; bloß durch ihre Aeußerungen beim Einwirken auf das Befinden der Menschen, läßt sie sich in der Erfahrung, und zwar deutlich wahrnehmen
Samuel Hahnemann, Organon der Heilkunst, § 20
„Seltsam“, sagte der Vorübergehende beim Vorübergehen an der Apotheke in der Nähe der Waldorfschule zu einer hoffnungslos Gläubigen, „so viele Menschen glauben an die im wahrsten Sinne des Wortes ’schulmedizinische‘ Methode der Homöopathie, die nur mit einem nicht vorhandenen Wirkstoff, oder genauer: mit den Geistwirkungen eines beim ‚Potenzieren‘ entschwundenen Wirkstoffes Wirkungen wie ein Wirkstoff verursachen soll, aber niemand berauscht sich an hochpotenzierten homöopathischen Drogen, die allein deshalb völlig legal wären, weil sie ihre Urtinktur gar nicht enthielten, sondern nur aus erfreulich legalem Milchzucker bestünden. Dabei wären solche homöopathischen Rauschmittel unter den Bedingungen kriminalisierter Rauschmittel doch ein unfassbar großer und lukrativer Markt“.
Wenn es eines gibt, dessen Aufrichtigkeit zu glauben wohl nicht nur mir schwerfällt, denn ist es dieser feine Segenswunsch…
…für das neue Jahr, der auf den Reklamekalendern einer hannöverschen Apotheke gedruckt wurde. An wen sollte denn der Apotheker seine Medikamente und die vielen in der Apotheke so überreich angebotenen Quacksalber-Mittelchen verkaufen, wenn seine Kunden gesund und glücklich wären? Nichts kann er sich weniger herbeisehnen als das, was er hier in so großen Buchstaben und noch größerer Heuchelei anderen Menschen wünscht.
There are no greater liars in the world than quacks — except for their patients.
Ben Franklin
Wer einmal einen Eindruck davon bekommen möchte, warum die Menschen in Deutschland in gesundheitlichen Fragen dermaßen dumm sind, der muss sich in der Apotheke einmal dieses Werbeblatt mit dem Namen „Apotheken-Umschau“ geben lassen und dieses Machwerk mit wachem Geist durchblättern. Es ist nicht schwierig, sich dieses glänzende und blendende Stück bestempelten Baumes geben zu lassen, man bekommt es bei jeder Gelegenheit angeboten. Besonders interessant ist darin das Zusammenspiel aus Werbung (für Produkte, die ausschließlich in den Apotheken gekauft werden können) und vorgeblicher Information, die den Eindruck zu erwecken sucht, der Apotheker sei ein an der Gesundheit seiner Kunden interessierter, halber Wissenschaftler und nicht etwa ein Arznei-Dealer, der von der Krankheit und vom Unwissen seiner Kunden lebt. Und. Der besonders gut leben kann, wenn er seinen Kunden für teures Geld völlig wirkungsloses Zeug verkauft, auf dass sie immer und immer wiederkommen.
Als ein Beispiel für sehr viele möchte ich hier nur eine Anzeige aus diesem Reklameblatt beschreiben. Diese Anzeige besteht, wie so vieles im legalen Beschiss, aus einem groß gedruckten Anteil und aus dem darunter gesetzten, sehr klein gedruckten Text mit einem 6-Punkt-Zeichensatz, durch leicht reduzierte Zeilenhöhe noch ein bisschen anstrengender zu lesen. (Ich habe gerade kein Font-Lineal zur Hand, es können durchaus auch fünf Punkt sein; in jedem Fall ist der Text vorsätzlich schwer lesbar gestaltet, obwohl er die wichtigste Information zu diesem Produkt transportiert.)
Der groß gedruckte Anteil ist luftig himmelblau und meerblau, und zwei Drittel der Breite wird von einer deutlich blaustichigen Seemöve mit ausgebreiteten Flügeln eingenommen. Über den ausgebreiteten Schwingen der Möwe ist, noch in der Form des Vogelumrisses, der Text „Bringt das innere Gleichgewicht zurück“ gesetzt, und um diese Zusicherung für die Zielgruppe des Schwindels noch etwas deutlicher zu machen, wird deutlich kontrastreicher und klar lesbar auch noch zugesagt, wofür dieses Mittelchen gut sein soll: „Entspannen am Tag. Schlafen in der Nacht.„. Dass es sich hier nicht gerade um ein Kombinationsprärarat aus Promethazin und Diazepam handelt, wird auf der rechten Seite der Werbung deutlich. Dort ist nämlich nicht nur die Packung des Medikamentes abgebildet, mit dem Aufdruck „Neurexan — Schlafstörungen und nervöse Unruhezustände„, sondern auch der einzige rote Farbklecks; ein schiefes, nach oben weisendes rotes Rechteck mit dem kontrastreichen, weißen Text „wirkt schnell und natürlich„. Um diese Präsentation des Mittelchens herum ein gestrichelt gezeichnetes Kreissegment mit dem zum Ausschneiden auffordernden Umriss einer Schere darüber, genau richtig für alle, die nach solcher Zusicherung jetzt endlich ein Mittel gegen ihr Leiden kaufen wollen und es vor lauter Stress nicht einmal mehr schaffen, sich die drei Silben des Markennamens „Neurexan“ einzuprägen. Einfach ausschneiden und dem weißbekittelten Geschäftemacher mit der Krankheit und den krank machenden Lebensumständen vorlegen! Dazu ist auch noch der Dümmste in der Lage, und genau an den wendet sich diese Reklame ja auch.
Nein, es handelt sich hier nicht um eine Baldriantinktur oder ein ähnliches Mittel, das wirklich eine Wirkung hat. Sondern es handelt sich um völlig wirkungslose Kurpfuscherei, die im Weißkittelchen des Apotheken-Dealers an den gläubigen und stressgeplagten Kunden gebracht werden soll. Der klein gedruckte Text gibt endlich, wenn man ihn denn überhaupt noch liest, Aufschluss über die Lüge im groß gedruckten Text:
Neurexan Tabletten, Zul.-Nr. 16814 00 01. Anwendungsgebiete: Sie leiten sich von den homöpathischen Arzneimittelbildern ab. […]
Diese Aussage lässt sich noch kürzer zusammenfassen: Das „Medikament“ enthält keinen Wirkstoff. Es wirkt ungefähr so gut wie das Anbringen eines Kruzifixes übern Bett, wenn man an die Kraft eines solchen Amulettes glaubt — Nichtchristen mit romantischer Indianer-Schwärmerei können alternativ auch einen dieser „Traumfänger“ erwerben, der genau so wirkungslos ist. Und dieser Placebo-Effekt ist auch das einzig „natürliche“ an der Wirkweise. Die so genannte „homöopathische Potenzierung“ sorgt dafür, dass sich kein Wirkstoff mehr im „Medikament“ befindet, jedenfalls nicht mehr in einer ausreichenden Menge. Die Homöopathie hat nicht einmal etwas mit der so genannten „Naturheilkunde“ zu tun, bei der immerhin noch physiologisch wirksame Substanzen angewendet werden (die durchaus auch beachtliche unerwünschte Nebenwirkungen haben können, was wohl jeder weiß, der seine Schwermut schon einmal mit Johanniskraut behandelt hat). Dass eine solche Nähe zur so genannten „Naturheilkunde“ durch die rot-weiße Präsentation in der Werbung implizit hergestellt wird, liegt in der wohl auch markterforschten Beobachtung begründet, dass viele Menschen nach vier Jahrzehnten allgemeinen NewAge- und Esoterik-Hirnfick über alle Kanäle eine irrationale Angst von „der gefährlichen Chemie“ entwickelt haben. Irrationale Angst ist immer eine gute Grundlage für Abzockerei und fragwürdige Geschäfte aller Art, auch für den Handel mit „den Geistern verschwundener Wirkstoffe“.
Und das war nicht die einzige derartige Anzeige in der Apotheken-Umschau. Allein die Tatsache, dass einem in der Apotheke ein Heft mit derartigen Empfehlungen kalt professionell lächelnd in die Hand gedrückt wird, ist geeignet, den werbenden Blah in „fragen Sie doch Ihren Apotheker“ richtig zu stellen.
Der Kampf gegen die mörderische und verdummende Wucht der Irrationalität, den Aberglauben und die Quacksalberei ist so lange zum Scheitern verurteilt, wie sich ein Apotheker das gleiche weiße Kittelchen überzieht wie der Arzt und der Wissenschaftler und in dieser Verlarvung wirkungslose Mittel aller Art an den dumm gehaltenen Kunden bringt — von der Homöopathie bis zur magischen Psychokraft irgendwelcher Ginseng-Präparate und vergleichbarer „Stärkungsmittel“ wird der ganze Hokuspokus in jeder Apotheke laut, bunt und offen beworben und ohne ein aufklärendes Wort zu hohem Preis verkauft, als ob es sich dabei um ein Heilmittel handelte. Der Apotheker, der ob solchen Opportunismusses völlig zu Unrecht ein hohes Ansehen genießt, steht in der Wertschöpfungskette der Quacksalberei und verdient kräftig daran mit. So sehr auch etliche Menschen darum bemüht sind, über den Unfug der — meist als natürlich oder alternativ angepriesenen — Kurpfuscherei aufzuklären, niemals wird dabei ein deutliches Wort über die recht geschäftstüchtige Rolle der Apotheken in dieser Volksverdummung geschrieben. Der weiße Freund des Quacksalbers steht in unvermindert hohem Ansehen an seinem Tresen und verkauft das ganze wirkungslose Zeug, und dieses Ansehen färbt auf den Quacksalber ab und hilft, ihn in seinem magischen Geschäft weiß zu waschen. Den Preis zahlen die Glaubenden, die auf dieses Blendwerk reinfallen; immer mit Geld, und oft mit ihrer Gesundheit.