Warum die Menschen so oft empfindlich, zornig und völlig unnachsichtig auf Blasphemie reagieren, als ob G’tt nicht für sich selbst kämpfen könnte? Weil sich in diesen Menschen zeigt, dass sie ihren Gott selbst geschaffen haben; dass sie ihren dumpfen narzisstischen Allheitsanspruch, als dieser mit erwachendem Bewusstsein der eigenen Schwäche und Sterblichkeit zunehmend unhaltbar wurde, nicht beendet, sondern auf einen unsichtbaren Begleiter übertragen haben; weil ihr Glaube in Wirklich- und Wirksamkeit das Glaubensbekenntnis des Narzissten ist: „Am Anfang schuf ich Gott und gab ihm einen Teil meiner Allmacht, und am Ende werde ich meine Allmacht von Gott zurückfordern und Gott zur Rechenschaft ziehen“. Deshalb können sie keine Blasphemie ertragen. Es ist eine Beleidigung ihrer selbst, direkt an den Kern dieses psychomechanischen Wahns gerichtet und deshalb so tief kränkend. In der Ächtung und im staatlichen Verbot der Blasphemie spiegelt sich nichts als die politikgewordene Vergötzung der kalten, humorlosen, brutalen und dummen Psyche; und der oft fern jeder Verhältnismäßigkeit liegende, ja, justizmordende Grimm, mit dem ein solches Verbot durchgesetzt wird, ist ein klares und gruseliges Spiegelbild der hemmungslosen Mordlust ebendieser Psyche. Man kann den hohen zivilisatorischen Standard einer Gesellschaft auch daran erkennen, dass Blasphemie völlig normal und alltäglich ist. Wer seinen Gott (andere Götter stellen ja regelmäßig kein Problem dar) mit Gewalt vor Beleidigungen schützen will, will die Zivilisation abschaffen.