Ich habe die zynische, fernseh-gerechte funeral show um einen Robert Enke, der mit seinem Freitod gewiss einen unerträglichen Zustand beendet hat, nur ganz am Rande (und ohne allzuviel eigene Betroffenheit, weil sich genügend Menschen aus meinem direkten Umfeld zum Freitod entschließen) mitbekommen, während ich bettelte, und ich fand diesen sehr kurzen Einblick bereis widerwärtig und menschenverachtend genug, um mich davon mit Grauen abzuwenden. An sich wollte ich kein Wort mehr zu diesem Thema verlieren, das morgen schon in den Medien von den neueren Themen verdrängt wird, nachdem es seine emotionale Energie verloren hat. Aber da an diesem Ort im Internet auch ein Tagebuch der Kälte entstehen soll, muss ich es einfach anmerken. Ich glaubte ja zunächst, es handele sich bei dem Eindruck, den ich bekam, um eine einmalige Entgleisung der Regie, aber ich habe im Laufe des Tages in einer Reihe von Gesprächen erfahren, dass solch Szene mehrfach zu sehen war.
Immer wieder einmal, wenn die Musik spielte und das Fernsehen keine tollen, bewegten und bewegenden Bilder dieser „Trauer“ nach übelsten Hollywood-Vorbild hatte, weil eben in der Dramaturgie ein Moment des Innehaltens vorgesehen war, schwenkte die Kamera langsam durch die Menge, um dann für längere Zeit auf dem Logo des AWD zu verweilen, damit es sich dem Betrachter auch ja recht einpräge. Es war für den unverhohlen werbenden Zweck offenbar nicht ausreichend, immer wieder einmal wie beiläufig zu erwähnen, dass es sich bei dem dank einer ordentlichen Zahlung von jedem Lokalkolorit freigeschmirgelten Stadion um die „AWD-Arena“ handele, auch das daran angebrachte Logo der AWD Holding AG musste so richtig zur Geltung gebracht werden, damit auch der Letzte noch bemerke, von wen wohl wofür das Geld an das ARD-Staatsfernsehen der BRD geflossen sein mag. Diesem ausgesprochen lichtscheuen Gesindel ist es offenbar völlig gleichgültig, in welchem Kontext so wertneutral beflissen die Reklame transportiert wird, da wird nicht einmal vor einer medialen Leichenfledderei zurückgeschreckt. Man könnte denken, dass die Werber im Auftrage des AWD bedauert hätten, nicht noch ein großes Logo auf den Sarg pflastern zu können.
Der Tod presented by AWD. Ein tolles Feature in der ARD, sehr „ergreifend“, vor allem im Magen! Wenn ich mir nur vorstelle, dass in einer nicht unerheblichen Zeit meines Lebens mit dem Logo dieser seelischen Eisblöcke, Finanzdrückertreiber und zynischen Allvermarkter auf meiner Brust herumlaufen müsste, denn würde ich mich wohl auch vor dem nächsten Zug werfen.
Oh nein, Leute, nicht ich bin hier pietätlos und zynisch…
Ist so nicht ganz richtig. Die Kamera schwenkte öfter über die Zuschauerränge und nahm diese auch in den Zoom, dass dabei das Logo des Stadion-Sponsors auftauchte war aber eher ein „Kollateralschaden“. Ein Zoom direkt auf ein Logo gab es nicht.
Inwiefern bei dem Trauer-Hype letztendlich übertrieben wurde steht dann auf einem anderen Blatt.
Ach sieh an, noch einer, dem das aufgefallen ist! Zum Glück (?) saß ein Verwandter bei uns, der ebenfalls Depressionen hat. Dieser hatte angesichts der Bilder einen Zusammenbruch und zwang den eigentlichen Konsumenten der Dauerwerbesendung zum Umschalten. (Die Konsumentin konnte sich zum Glück die Wiederholung auf Phoenix ohne diese Störung ansehen.)
Nachdem ich von der „Berichterstattung“ meiner ansonsten geliebten HAZ auch schon total angepisst war, und eine Kündigung des Abos in Erwägung zog, tat ich mir die Übertragung aus der AWD-Arena auch noch an. (Masochismus?) Ich habe das mit der AWD Reklame als ebenso widerwärtig empfunden wie Du.
Da ich den Sportler sehr sympathisch fand und sein Tod mich bewegt hat, wollte ich an diesem Ritual teilnehmen um für mich zu einer Art Abschluß mit dem Thema zu kommen.
Und dafür war es eigentlich dann auch gut. Enke ist bei mir abgehakt, aber ich bin durchaus noch mehr sensibilisiert für die depressiven Menschen in meiner Umgebung und hake sehr schnell nach, wenn mir etwas auffällt. Depression ist einfach ne Scheiß-Krankheit und ich möchte nicht, daß ihr jemand zum Opfer fällt, wenn ich die Möglichkeit habe auf irgendeine (kleine) Weise zu helfen.