Ich muss es zugeben: Die letzten drei Tage, die für meine Blogs recht stürmisch waren, haben mir fast die Lust am Bloggen verdorben. Nicht nur wegen der Ereignisse um WordPress Deutschland, sondern auch wegen des unerwarteten Rampenlichtes, in das ich durch recht einfache Mitteilungen geriet. Es ist ja durchaus nicht so, dass ich kein Leben neben dem Internet hätte, oder dass ich das Internet für einen angenehmen, tröstlichen Rahmen hielte, in dem ich ein Ersatzleben zu führen trachte. Und doch bin ich in diesen drei Tagen kaum zu jenen Dingen gekommen, mit denen ich eigentlich mein Leben zu füllen pflege.

Zum Glück ist der größte Ansturm vorbei, einige haben sich trotz der Datenschutz-Probleme ein WP 2.3 auf ihrem Server aufgespielt, andere haben vorerst davon abgesehen und hoffentlich haben auch einige angemessene Maßnahmen gegen die sinnlose Lust am Selbstzweck des Datensammelns getroffen. Ich selbst fühle mich ungefähr so leergeschrieben wie ein Einwegkugelschreiber im Mülleimer — aber wenn einige Menschen nachdenklich geworden sind und nicht mehr alles unhinterfragt hinnehmen, was ihnen von den WordPress-„Magiern“ an Code und aufdringlich stinkender Selbstbeweihräucherung aufgetischt wird, denn habe ich auch etwas dabei erreicht. Vielleicht war es sogar ein Beitrag gegen den Untergang einer an sich recht brauchbaren Software, aber wenn mein Schreiben der einzige Beitrag bleibt, glaube ich nicht, dass sich der Untergang aufhalten lässt.

Nun schaue ich zurück. Eben habe ich noch einmal in Ruhe die für meine Verhältnisse ungewohnt großen Kommentarthreads überflogen, auch, um mich gegen eigenes Verrennen zu schützen. (Normalerweise interessiert sich nur ein kleiner Leserkreis für meine Blogs, und ich strebe auch nicht nach mehr Quantität, sondern nach Qualität.) Dabei ist mir eine Bemerkung meines Lesers Charles mit ihrem unterschwelligen Vorwurf allerdings sehr unangenehm aufgestoßen, ich finde, sie bedarf einer ungewöhnlich klaren Antwort:

Klar, die Grenze zwischen Werbung und Spam ist fließend.
Womit verdienst Du Dein Geld auf diesem Blog?

Dies ist ein Nebeneinander zweier Aussagen. Dass die „Grenze zwischen Werbung und Spam fließend ist“, entspricht durchaus meiner eigenen Auffassung, deshalb kann ich beim Bloggen über Spam auch die normale Werbung nicht ignorieren. Weder wird Spam durch diese Unschärfe besser, noch werden andere Werbeformen dadurch schlechter — Werbung bleibt einfach der Versuch, alle Kommunikationskanäle so mit einer recht einseitigen und dummen Form der Kommunikation zu belegen, dass es für die Rezipienten möglichst kein Entkommen mehr gibt.

Wenn es überhaupt einen Maßstab gibt, mit dem sich Werbung sicher von Spam unterscheiden lässt, ist es am ehesten noch ein ökonomischer und nicht ein qualitativer Maßstab, eine Betrachtung der Kosten, die mit dem Bestreben der Werbung verbunden sind. Spam ist eine kostengünstige Form der Werbung, sie setzt vampiristisch und antisozial auf eine bestehende kostengünstige Infrastruktur der zwischenmenschlichen Kommunikation auf, ohne sich darum zu kümmern, was dabei an Möglichkeiten des menschlichen und vertrauensvollen Austausches zerstört wird. Die konventionelleren, mit einem gewissen Recht etwas weniger geächteten Formen der Werbung hingegen sind immer auch mit einem ökonomischen Aufwand verbunden.

Wenn ich den Menschen in werbender Absicht ein Angebot in die „normalen Briefkästen“ stecken will, bin ich mit den Kosten der Herstellung meiner Massendrucksache und ihrer Zustellung konfrontiert. Wenn ich diese Kosten vermeiden will, werde ich Spammer. Die Werbung besteht dann aus immateriellen Daten auf einem Computer, die preiswert und mit natürlicher Leichtigkeit kopierbar sind, der Versand erfolgt über Kanäle, die eigentlich für andere Formen des menschlichen Austausches geschaffen sind. Qualitativ und „inhaltlich“ hat sich an meiner Kommunikation nichts geändert, sie ist immer noch manipulativ, einseitig, überrumpelnd, gegen die Vernunft gewandt; sie ist eben von werbenden Charakter. Aber ökonomisch hätte sich die Sache in entscheidenem Maße verändert, da ich meine Werbekosten zu meinem Vorteil und zum allgemeinen Nachteil einer Allgemeinheit aufgebürdet hätte, welche die von mir missbrauchten Kanäle für ganz andere Zwecke nutzen will. Nur an diesem ökonomischen Maßstab lässt sich die Spam vernünftig von anderen Formen der Werbung unterscheiden.

(In dieser einzig vernünftigen, rein ökonomischen Betrachtungsweise handelt es sich sehr wohl um Spam, wenn der Download eines Blogsystemes mit Reklame für kommerzielle Angebote angereichert wird. Das ändert sich auch nicht schon dadurch, dass die Spammer hier nicht einsehen wollen, dass es sich um Spam handelt. Üble Taten werden durch mangelnde Einsicht der Täter nicht weniger übel, sie können allerdings durch die offenbar gewordene, manifeste Dummheit der Täter verständlicher werden.)

Gut, das war es aber gar nicht, was mir vorwurfsvoll und verletzend entgegenschlug, aber ich konnte den langen Seitenweg nicht vermeiden. Der vorwurfsvolle Satz, mit dem die Barbarei der allgegenwärtigen Werbung gerechtfertigt werden sollte, lautet so:

Womit verdienst Du Dein Geld auf diesem Blog?

Es handelt sich um so eine richtige rhetorische Zeitbombe, gekonnt und geschickt gelegt, und sicherlich oft nach kurzer Wirkdauer detonierend; in meinen Blogs aber ohne jede zerpulvernde Wucht in der Leere explodierend. Denn ich verdiene überhaupt kein Geld „auf meinen Blogs“. 😉

Und ich halte das für den natürlichen Zustand. Des. Menschlichen. Mit-Ein-Anders.

Es fragt mich ja auch niemand, wie ich mein Geld daran verdiene, wenn ich meine Standpunkte und Einsichten in ganz normaler Weise in Gesprächen auf der Straße kund tue. Ich stelle mich hin, gebe das von mir, was ich von mir geben will (es ist immer eine Mit-Teilung, wenn es ehrlich ist) und erlebe darauf die ganze Bandbreite möglicher Reaktionen, von Gleichgültigkeit, Zustimmung, Widerspruch, vertiefenden Anmerkungen, Zorn, Lachen, Nachdenklichkeit… Ach! Was beschreibe ich etwas, was zum Kern der Grunderfahrungen eines sozialen Wesens gehört? 😉

Warum sollte sich das ändern, nur weil ich das Gleiche in einem Blog tue? Soll der bloße, eher formelle Wechsel des verwendeten Mediums eine ökonomische Komponente hinzufügen, die dem eigentlichen Ansinnen der Mit-Teilung eher im Wege steht? Wenn das der Fall wäre, denn würde ich nicht bloggen.

Welche Art des Denkens offenbart jemand, der so eine Frage stellt? Welches Weltbild verbirgt sich hinter diesem kurzen Einwurf? Soll jedes menschliche Miteinander unter einer rein ökonomischen Betrachtungsweise zum Gelderwerb ausgebeutet werden? Das ist schlimm, wenn ein solcher Maßstab an alles Menschliche angelegt wird, es erinnert sogar an den Faschismus. Aber ich bin so frei, mich — zumindest beim Bloggen und in anderen Formen der menschlichen Mit-Teilung — über diese Forderung der allumfassenden Verwirtschaftung hinweg zu setzen. Und zwar aus Überzeugung. Aus Überzeugung. Dass. Menschlichkeit. Ein Wert an sich. Ist.

Wer das nicht bemerkt, der hat mich nicht gelesen. Das finde ich schade. Aber. Ich kann es nicht ändern. Anders als ein Werber habe ich nämlich nicht die Absicht, Aufmerksamkeit zu erzwingen.

Das heißt aber nicht, dass ich jedem ökonomischen Sachzwang entkommen wäre. Tatsächlich habe ich Kosten mit meinen Blogs, auch wenn mir dieser Webspace von einem guten Freund zur Verfügung gestellt wurde. Und da ich vom Betteln lebe, muss ich diese Kosten in irgendeiner Weise decken, was übrigens nicht immer leicht ist.

Aber auch das ist gar nicht so ungewöhnlich. Schon, wenn ich mich ganz normal mit einem Mitmenschen in einer Kneipe treffe (ich vermeide das, aber es lässt sich nicht immer vermeiden), entstehen mir ebenfalls Kosten für die Kommunikation, die ich in irgendeiner Weise decken muss, ohne dass ich dabei eine Absicht der Gewinnerzielung hätte. In der Regel bitte ich den jeweiligen Mitmenschen darum, dass er mir ein Glas Mineralwasser ausgibt, an dem ich mich viele Stunden lang festhalte. Ich sagte doch: Ich lebe vom Betteln.

In diesem Blog ist es gar nicht so sehr anders. Auch hier habe ich ein kleines Widget, um das ich übrigens in der Regel kein Aufhebens mache. Es ermöglicht jedem, der das möchte, einen kleinen Betrag zu spenden. Die meisten tun das nicht oder übersehen das Widget, und einige tun es. Dass ich damit Geld verdienen würde, ist angesichts der bescheidenen Dimensionen dieser Einkünfte ein etwas zu großes Wort; in diesem Jahr sind gerade mal 35 Euro zusammen gekommen. Das deckt tatsächlich grob die Kosten, die mir in diesem Jahr für meine Mitteilungen im Internet entstanden sind, diese Vorgehensweise hat sich also für mich bewährt. Eine andere Möglichkeit, mit einen kleinen Obolus zukommen zu lassen besteht darin, dass man mir für meine kostenlos zur Verfügung gestellte Musik auf Jamendo eine Spende geben kann — dieser Weg hat den zusätzlichen Vorteil, dass er auch zu vieler Menschen Vorteil Jamendo erhält, er hat allerdings für mich persönlich den Nachteil, dass das Geld recht lange braucht, bis es mir zur Verfügung steht. In den letzten zwei Jahren sind auf diese Weise knapp 120 Euro bei Jamendo zusammen gekommen, ohne die ich übrigens zurzeit keine Schuhe mehr hätte.

Ob man das als „Geldverdienen auf diesem Blog“ bezeichnen kann, das mag sich jeder so verklausulieren, wie er es gerade will.

Was ich hingegen immer abgelehnt habe, ist das „Verdienen“ kleiner Geldbeträge durch Einblendung von Werbung. In diesem Blog würde die Werbung meine Mit-Teilungen durch einen unpassenden Kontext entwerten, in Unser täglich Spam würde die Werbung sogar den Absichten des Blogs zuwider laufen. Dass jemand in solchem Zusammenhang dennoch so eine Frage stellt, deutet auf eine gewisse Blindheit hin, die sich leider als eine Spur blinder Wut in die Kommunikation gelegt hat.

Das finde ich schade, aber ich kann es nicht ändern.

Aber ich kann darüber bloggen… 😉